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Will das europäische Spitzenkandidaten-Verfahren wieder abschaffen: Frankreichs Präsident Macron.

© Eric Feferberg/AFP

EU-Spitzenkandidaten: "Durch die machtpolitische Brille"

Ausgerechnet Frankreichs Präsident Macron kann mit dem geplanten Verfahren zur Wahl des Nachfolgers von EU-Kommissionschef Juncker wenig anfangen. Bei den EU-Abgeordneten wird deshalb Kritik laut.

Es war eine der wesentlichen Neuerungen bei der letzten Europawahl im Jahr 2014: Erstmals traten die europäischen Parteienfamilien mit Spitzenkandidaten an, die sich um das Amt des EU-Kommissionschefs bewarben. Das neuartige Verfahren, mit dem die EU seinerzeit mehr Bürgernähe dokumentieren wollte, sollte vor allem eines deutlich machen: Die Zeiten, in denen die Staats- und Regierungschefs die Besetzung des Chefpostens in der EU-Kommission auskungeln, sind vorbei. Doch ein gutes Jahr vor der nächsten Europawahl gibt es Widerstand unter den Staats- und Regierungschefs gegen eine Wiederholung der Spitzenkandidaten-Prozedur – ausgerechnet auch vom französischen Staatschef Emmanuel Macron.

„Macron betrachtet das Spitzenkandidaten-Verfahren durch die machtpolitische Brille“, lautet die Einschätzung des SPD-Europaabgeordneten Jens Geier, der derzeit auch bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin mitwirkt. „En Marche hat keine europäische Parteienfamilie“, sagte er dem Tagesspiegel mit Blick auf die von Macron im April 2016 gegründete Bewegung. Ein Manko mit Folgen: Ohne Einbindung in eine EU-weite Parteienfamilie lässt sich auch kein Spitzenkandidat präsentieren. Vor vier Jahren traten Europas Sozialdemokraten mit dem heutigen SPD-Chef Martin Schulz, der das neuartige Verfahren wesentlich vorangetrieben hatte, als Kandidat für die Nachfolge des damaligen Kommissionschefs José Manuel Barroso an. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) schickte den Luxemburger Jean-Claude Juncker ins Rennen und sicherte sich am Ende den Brüsseler Chefposten. Juncker tritt im kommenden Jahr nicht wieder an.

Das Europaparlament entriss damals den Staats- und Regierungschef einen Teil ihrer Macht. Dass es nun bei der nächsten Europawahl zu einer Rolle rückwärts kommt, wollen die EU-Abgeordneten mit allen Mitteln verhindern. In der kommenden Woche wollen sie bei ihrer Plenumssitzung in Straßburg einen Beschluss fassen, mit dem das Spitzenkandidaten-Verfahren noch einmal zementiert werden soll. Dabei wird mit einer breiten Unterstützung durch die EVP, die Sozialdemokraten, die Grünen sowie die liberale Alde-Fraktion gerechnet.

EVP-Fraktionschef Weber fordert "mehr Demokratie"

Der SPD-Abgeordnete Geier ist der Meinung, dass es Macron mit seinem Vorstoß, etwa durch Bürgerkonsultationen mehr Demokratie in der EU zu schaffen, durchaus ernst ist. „Aber dann ist es eigentlich auch eine Sache der Geradlinigkeit, das Spitzenkandidaten-Verfahren zu unterstützen“, sagte er. Auch der EVP-Fraktionschef Manfred Weber forderte Macron auf, an dem Procedere festzuhalten. „Wir brauchen in der EU mehr Demokratie und Transparenz und weniger Entscheidungen in den Hinterzimmern“, sagte der CSU-Vizechef dem Tagesspiegel. „Die Wähler müssen bei der Europawahl entscheiden können, wer künftig an der Spitze der Kommission steht. Deshalb werden die Parteien im Herbst wieder Spitzenkandidaten aufstellen.“

Macron will breites Bündnis zur Europawahl schmieden

Offen bleibt derweil, wie sich Macrons Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) bei der Europawahl aufstellt. Parteichef Christophe Castaner hat zwar eine „französische Kraft der Erneuerung für Europa“ angekündigt und dabei dabei die Namen des ehemaligen konservativen Premierministers Alain Juppé und des früheren Grünen-Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit fallengelassen. Die beiden Politiker ließen aber nicht klar erkennen, ob sie bei der Europawahl im Frühjahr 2019 tatsächlich unter dem Banner von „La République en Marche“ antreten wollen. Cohn-Bendits Reaktion war eher verhalten: Eine Kandidatur, sagte der 72-Jährige, existiere gegenwärtig „nur in der Vorstellung von Christophe Castaner“.

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