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NSA und kein Ende: Europa wird ungeduldig

Sie haben wieder telefoniert – aber belastet ist das Verhältnis zwischen Merkel und Obama wegen der NSA-Affäre nach wie vor. Das massenhafte Ausspähen durch den US-Geheimdienst bleibt ein heikles Thema in Deutschland, Europa und den USA. Wo steht die Aufarbeitung?

Auch US-Präsident Barack Obama geht auf Nummer sicher. Nicht, dass er sich am Ende noch selbst abhört. Am Mittwoch hatte er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) telefoniert, und die Journalisten im Weißen Haus trieb eine Frage um, die Gelächter auslöste: Hat er Merkel auf dem Handy oder dem Festnetz angerufen? Schließlich war im Sommer bekannt geworden, dass die NSA das Handy der Kanzlerin abgehört hatte. Selbst Regierungssprecher Jay Carney konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Er sagte, Obama rufe die Staats- und Regierungschefs anderer Länder in der Regel auf dem Festnetz an. Die NSA-Affäre war offiziell kein Thema. Dafür soll Obama Merkel zur Regierungsbildung gratuliert und ihr schnelle Genesung nach dem Skiunfall gewünscht haben. Merkel wiederum nahm eine Einladung nach Washington an. Spätestens dann wird es auch um die NSA gehen. Damit hat sich auch ein Parlamentsausschuss des Europaparlaments befasst. Der Abschlussbericht liegt jetzt vor.

Zu welchen Ergebnissen kommt der Untersuchungsbericht des EU-Parlaments?

Seit dem Sommer wurden 15 Anhörungen durchgeführt, viele technische Experten und politische Akteuren angehört und in Washington die zuständigen Stellen besucht – jetzt sind die Abgeordneten des EP-Untersuchungsausschusses zu einem Urteil gekommen. Es gebe, so heißt es im Entwurf des Abschlussberichts, „überzeugende Beweise für die Existenz weitreichender, komplexer und technisch weit entwickelter Systeme bei den Geheimdiensten der USA und einiger EU-Staaten, um in beispiellosem Ausmaß, unterschiedslos und verdachtsunabhängig die Kommunikations- und Standortdaten sowie weitere Metadaten der Menschen in aller Welt zu sammeln, zu speichern und zu analysieren“. Neben den USA und Großbritannien unterhalte auch Deutschland beim Bundesnachrichtendienst ein solches System, wenn auch in einem „begrenzteren Ausmaß“.

Das Europaparlament fordert nun Konsequenzen. In der Ausschusssitzung zeichnete sich eine breite Mehrheit für die Forderungen ab, die der britische Sozialdemokrat Claude Moraes in seinem Entwurf formuliert. Kurzfristig soll das „Safe Harbour“-Abkommen ausgesetzt werden, das US-Unternehmen als sichere Datenverwalter deklariert. Es garantiere „keinen adäquaten Schutz von EU-Bürgern mehr“. Unterbrochen werden sollten auch der Austausch von Kontodaten im Zuge des Swift-Abkommens sowie die Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen mit den USA. Als Voraussetzung für die Wiederaufnahme der Gespräche wird der Abschluss eines allgemeinen Datenschutzabkommens mit den USA genannt, das Europäern entsprechende Klagemöglichkeiten einräumt. Zudem werde das Europaparlament einem Freihandelsvertrag „nur zustimmen, wenn er die EU-Grundrechtecharta voll respektiert“. Verlangt wird – entgegen der Ansage von Europas Staats- und Regierungschefs – auch eine Einigung auf die neue EU-Datenschutzverordnung noch in diesem Jahr.

Wie geht Obama mit der NSA um?

Was sich seit einiger Zeit andeutete, könnte nächste Woche konkret werden: Obama wird mit einigen Reformen versuchen, den Geheimdiensten Grenzen zu setzen. Bereits 2013 unterbreitete ein vom Präsidenten beauftragtes Gremium über 40 Verbesserungsvorschläge. Im Zentrum dürfte die ausufernde Datensammlung durch die NSA stehen. Die ist auch in den USA umstritten. Selbst Gerichte sind sich nicht einig, ob das massenhafte Sammeln von Telekommunikationsdaten rechtens und mit dem Anti-Terror-Kampf begründbar ist. Es gibt Gerichtsentscheidungen, die das unterstützen und solche, die dem widersprechen. Obama wird deshalb wohl eine Reform vorlegen, die die Bürger etwas besänftigt, den Diensten aber kaum wehtut. Am Mittwoch traf er sich mit dem Nationalen Geheimdienst-Direktor James Clapper, NSA-Chef Keith Alexander sowie Justizminister Eric Holder und Vize-Präsident Joe Biden, um über die Reform zu sprechen, die er kommende Woche vorstellen will.

Wenig Hoffnungen dürfen sich die Deutschen aber trotz des angesetzten Merkel-Besuchs in den USA auf das Zustandekommen eines wirkungsvollen „No Spy-Abkommens“ zwischen Deutschland und den USA machen. Fortschritte bei den Verhandlungen zeichnen sich nicht ab. Im Gegenteil. Die USA sperren sich dagegen, auf alle Maßnahmen zu verzichten, die deutschen Interessen schaden könnten. Deshalb könnte es am Ende gar kein Abkommen geben – oder ein wertloses.

Wie geht die NSA-Aufklärung in Deutschland weiter?

In Deutschland wird sich ein Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der Affäre befassen. Die Initiative geht dabei von der Oppsoition aus. Allerdings sind Grüne und Linke noch skeptisch, ob es wirklich einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen geben wird. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, signalisierte Unterstützung. „Wir haben immer gesagt, dass wir einem Untersuchungsausschuss nicht entgegen stehen, wenn die Opposition ihn für notwendig hält“, sagte er dem Tagesspiegel. Dann werde man darüber sprechen, wie der Untersuchungsauftrag sinnvoll ausgestaltet werden könne. „Denn es ist ja klar, dass der Bundestag keine US-amerikanischen Nachrichtendienste anweisen oder kontrollieren kann. Wir warten jetzt ab, wie sich die Opposition entscheidet“, sagte er. Grüne und Linke wollen auch die Rolle der deutschen Geheimdienste und die Frage, wer wann was wusste, in den Untersuchungsauftrag aufnehmen. Es wird also in den kommenden Wochen weniger um die Frage gestritten werden, ob es einen Untersuchungsausschuss geben soll, sondern welchen Auftrag dieser bekommt.

Auch das Parlamentarische Kontrollgremium wird sich weiter mit den Folgen der NSA-Affäre befassen. Doch muss sich das Gremium erst neu konstituieren. „Es ist geplant, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 16. Januar vom Bundestag gewählt werden“, sagte Grosse-Brömer. Und es wird einige kleinere Reformen geben. „Das beginnt mit einer Verschlankung auf neun Mitglieder und setzt sich fort mit einer Erweiterung des Mitarbeiterstabes. Durch die Erweiterung soll der operative Teil der Kontrolltätigkeit verstärkt werden“, erklärte Grosse-Brömer.

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