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Roter Teppich: Die Arabische Liga und die EU bringen erhebliche interne Differenzen mit zum Gipfel in Scharm al-Scheich.

© Khaled DESOUKI/AFP

Scharm al-Scheich: Europäer und Araber streben engere Zusammenarbeit an

Der erste Gipfel zwischen EU und arabischer Liga hat begonnen. Beide Lager bringen große interne Differenzen mit, auch in Ägypten gibt es Brexit-Verhandlungen.

Eine der wichtigsten Fragen vor Beginn des ersten europäisch-arabischen Gipfels am Sonntag im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich war die nach der Teilnehmerliste. EU-Spitzenpolitiker wie Angela Merkel, Theresa May und Jean-Claude Juncker wollten keinesfalls dem saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman oder dem sudanesischen Staatschef Omar al-Baschir die Hände schütteln müssen.

Erst nachdem die Europäer die Zusicherung erhalten hatten, dass die beiden nicht in Scharm al-Scheich auftauchen würden, waren sie bereit für die Reise nach Ägypten. Damit wurde im Vorfeld aber nur eines der vielen Probleme des zweitägigen Gipfels entschärft, der unter dem Motto „In Stabilität investieren“ tagt.

Mit der ersten Gipfelkonferenz von EU und Arabischer Liga, die fast 30 europäische und mehr als 20 arabische Länder zusammenbringt, will Europa unter anderem den Gastgeber Ägypten belohnen. Unter Staatschef Abdel Fattah al-Sisi sorgt die Regierung in Kairo dafür, dass von ihrem Land aus keine Flüchtlinge über das Mittelmeer Richtung Europa fahren.

Ein idealer Partner der EU ist Sisi zwar nicht: Sein Regime verdankt seine Macht einem Staatsstreich, geht mit drakonischen Mitteln gegen mutmaßliche Gegner vor und ließ erst wenige Tage vor dem Treffen mit den Europäern neun Menschen hinrichten. Trotzdem lassen sich Merkel und Co. mit dem ägyptischen Präsidenten fotografieren: Insgesamt 24 EU-Mitglieder sind mit ihren Staats- und Regierungschefs in Scharm al-Scheich vertreten.

Nicht bereit, beide Augen zuzudrücken

Nicht bei allen arabischen Herrschern war die EU bereit, beide Augen zuzudrücken: Beim saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman streikten die Europäer. Der Thronfolger ist seit dem Mord an dem regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im vergangenen Herbst für viele westliche Politiker zur persona non grata geworden. Auch mit dem sudanesischen Präsidenten Baschir, der als mutmaßlicher Kriegsverbrecher gilt, wollen sich die EU-Spitzen nicht an einen Tisch setzen.

Die EU will den Gipfel als Gelegenheit nutzen, um ihre Bedeutung auf der Weltbühne zu unterstreichen: Ratspräsident Donald Tusk sagte in seiner Eröffnungsrede mit Blick auf die Nahost-Mächte USA und Russland, Europäer und Araber dürften die Region nicht den Weltmächten überlassen.

Allerdings liegen EU und Arabische Liga in vielen Bereichen weit auseinander. So lehnen die arabischen Staaten am Mittelmeer den EU-Plan zur Einrichtung von Auffanglagern für Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa ab. Konkrete Beschlüsse sind beim Gipfel nicht zu erwarten.

Menschenrechte spielen Nebenrolle

Beide Lager bringen zudem erhebliche interne Differenzen mit nach Scharm al-Scheich. Die EU-Staaten konnten sich bei der Vorbereitung des Treffens nicht auf einen gemeinsamen Entwurf für die Abschlusserklärung einigen. Bei den Arabern schwelt weiterhin der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und seinen Verbündeten auf der einen und dem Emirat Katar auf der anderen Seite: Katars Führung bleibt dem Treffen fern und lässt sich lediglich durch ihren Botschafter bei der Arabischen Liga vertreten.

Die EU hat in Scharm al-Scheich zudem ihr Brexit-Problem im Gepäck. Premierministerin May will am Rande des Gipfels mit einzelnen EU-Politikern über ihren jüngsten Versuch reden, mit Brüssel einen neuen Scheidungsvertrag auszuhandeln. In Medienberichten war bereits die Rede von einem „Deal in der Wüste“, der in Ägypten ausgehandelt werden könnte. Mays Regierung sah sich daraufhin zu der Feststellung gezwungen, dass London das Treffen mit den Arabern nicht zu einer weiteren Brexit-Krisenkonferenz umfunktionieren wolle.

Angesichts der vielen Schwierigkeiten wollen sich Europäer und Araber auf gemeinsame Interessen bei Handel, Klimawandel und Sicherheitspolitik konzentrieren. Dass dabei mit zahlreichen autokratischen Regimen gesprochen werden muss, nimmt die EU in Kauf.

Themen wie Menschenrechte und Demokratisierung dürften deshalb beim Gipfel nur eine Nebenrolle spielen. Europa und die arabische Welt seien sich einig, dass Stabilität wichtiger sei als die Unsicherheit der Demokratie, ließ sich ein europäischer Diplomat in der Online-Ausgabe der staatlichen ägyptischen Zeitung „Al-Ahram“ zitieren. EU-Kommissionschef Juncker betonte, die Bedeutung der Menschenrechte dürfe zwar nicht unterschätzt werden – aber man solle das Thema auch nicht überbewerten.

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