zum Hauptinhalt
Die westfaelische Praeses Annette Kurschus (rechts) ist neue Ratsvorsitzende der EKD. Ihre Stellvertreterin ist Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs (links). ,

© imago images/epd

Weibliche Führung für die evangelischen Kirche: Evangelium und Diakonie prägen die neue Ratsvorsitzende

Vielleicht wird Annette Kurschus leiser auftreten, aber sie wird gehört werden. Und auch eine Frau auf dem Stellvertreterposten. Ein Kommentar.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Wenn das kein Zeichen ist: An der Spitze des deutschen Protestantismus stehen nun drei Frauen. Denn die neue Ratsvorsitzende ist Annette Kurschus (58) aus Bielefeld, Pfarrerin und seit zehn Jahren Präses der Landeskirche Westfalen, seit 2015 stellvertretende Vorsitzende.

Zur ihrer Stellvertreterin ist die Hamburger Sprengelbischöfin Kirsten Fehrs (60) gewählt, beide mit sehr guten Ergebnissen. Als Präses leitet die Synode der Evangelischen Kirche, auf der beide Frauen gewählt wurden, die 25 Jahre junge Studentin Anna-Nicole Heinrich. Und auch die von Instagram bekannte Büdelsdorfer Pastorin Josephine Teske wurde in den neuen Rat gewählt.

Wenn der Evangelischen Kirche schon eine Nähe zu Rot-Grün nachgesagt wird – dann könnten sich diese beiden Parteien für ihre Ampel-Verhandlungen ruhig ein Beispiel an der EKD nehmen. Frauen und Männer in Parität in allen führenden Funktionen, da geht politisch noch was. Zumal in der Grünen Katrin Göring-Eckardt eine ehemalige Präses für hohe Ämter zur Verfügung steht.

Sie spricht leise, wird aber nicht überhört

Nun also Annette Kurschus. Sie ist weiß Gott anders als Heinrich Bedford-Strohm, ist zurückhaltender, aber wird darum nicht weniger wirksam sein. Argument schwach, Stimme heben, sagt man: Sie spricht eher leise und wird dann doch nicht überhört werden. Predigen kann Kurschus wie wenige, preisgekrönt, sie zieht Menschen in ihren Bann. Das ist ja nicht das Geringste, was einen Geistlichen auszeichnen soll.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de.]

Kurschus kommt vom Evangelium her, was tatsächlich einen anderen, nicht ganz so (partei-)politischen Ton in tagesaktuelle Debatten tragen kann. Dazu zehn Jahre Leitungserfahrung und die Tatsache, dass sie immer schon ein seelsorgerliches Leben führt, nah bei den Menschen – das hat die Synodalen überzeugt, Kurschus die Mission EKD zu übertragen.

Denn zu den Menschen, ihren Sorgen, Nöten, Ängsten, muss sich Kirche dringend sehr weit öffnen. Dass Gläubige sie in Scharen verlassen, dafür aber umgekehrt viele zu wenige den Weg zur ihr finden, ist ja schon länger alarmierend. Viel zu lange.

Kurschus steht für: Bewahrung der Schöpfung, gerechte Teilhabe, klare Aufarbeitung der Missstände rund um sexualisierte Gewalt und Integration von Flüchtenden. Das sind Themen, die die Kirche und zugleich alle angehen.

Hinzu kommt, dass Annette Kurschus in dem Landstrich lebt und arbeitet, der wie kein anderer für sozialen Dienst an Hilfebedürftigen steht: „Bielefeld und Bethel stehen pars pro toto für den Brückenbau zwischen Diakonie und Kirche, ja, mehr noch für die nachhaltige Entwicklung einer diakonischen Kirche im Sozialraum.“ So freut sich die Diakonie, das Sozialwerk, eine Herzkammer des Protestantismus. Gute Worte, gute Werke – die Wahl der Synode als ein Zeichen der Hoffnung. Das ist nicht wenig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })