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Lebensgefahr: In oftmals viel zu kleinen und überfüllten Booten machen sich die Flüchtlinge übers Mittelmeer auf den Weg nach Europa.

© dpa

Flucht übers Mittelmeer: Das größte Grab der Welt

Sie kommen zu Tausenden. Aus Afrika, aus bitterer Armut, aus Kriegsgebieten. Ihr Ziel: Europa. Zahlreiche Menschen verlieren auf ihrer Flucht vom schwarzen Kontinent ihr Leben. Ein Blick in die Nachrichtenagenturen der vergangenen vier Wochen. Ein Dokument des Grauens.

Von Lutz Haverkamp

Papst Franziskus hat es zum Thema gemacht. Bundespräsident Joachim Gauck auch. Hilfsorganisationen schreien seit Jahren Alarm. Nahezu täglich gibt es Berichte über das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer. Wir haben uns die Meldungen der jüngsten Vergangenheit nochmals angeschaut und dokumentieren sie. Vollständigkeit kann ausgeschlossen werden. Viele Flüchtlinge ertrinken im größten Grab der Welt, ohne das jemand Notiz von ihnen nehmen könnte.

Donnerstag, 5. Juni, 12 Uhr 22, dpa: Die italienische Marine hat nach eigenen Angaben 443 Migranten auf dem Mittelmeer gerettet und in den Hafen von Augusta auf Sizilien gebracht. Unter den Geretteten seien zwei Schwangere und 124 Kinder, darunter zehn Babys, berichtete die Marine. In der vergangenen Woche hatte Innenminister Angelino Alfano dem Parlament mitgeteilt, dass in den ersten fünf Monaten dieses Jahres bereits rund 40.000 Migranten die italienische Küste erreicht hätten - ein Rekord.

Freitag, 6. Juni, 10 Uhr 13, AFP: Die italienische Küstenwache hat erneut tausende Bootsflüchtlinge im Mittelmeer aufgegriffen. Innerhalb von 24 Stunden seien rund 2500 Menschen gerettet worden, teilte die Marine am Freitag mit. Alleine das Transportschiff "San Giorgio" habe fast tausend Flüchtlinge aufgenommen, darunter 214 Frauen und 157 Minderjährige. Auch internationale Handelsschiffe hätten sich an den Rettungsaktionen beteiligt.
Die Marinefregatte "Bergamini" brachte 443 Menschen in einen sizilianischen Hafen. Der mutmaßliche Kapitän des Flüchtlingsbootes sei unter dem Verdacht des Menschenschmuggels festgenommen worden, erklärte die Marine.

Freitag, 6. Juni, 11 Uhr 46, dpa: Die italienische Marine hat nach eigenen Angaben innerhalb von 24 Stunden mehr als 2500 Migranten im Mittelmeer gerettet. Insgesamt seien 17 Flüchtlingsboote aufgebracht worden, teilte die Marine am Freitag mit. Damit handelt es sich um eine der größten Flüchtlingswellen, seit Rom die Überwachung des Mittelmeerraumes verstärkt hat. Anlass war ein schweres Unglück im vergangenen Oktober, bei dem mehr als 400 Flüchtlinge vor Lampedusa ums Leben kamen.

Freitag, 6. Juni, 15 Uhr 18, AFP: Beim bislang schwersten Flüchtlingsunglück in diesem Jahr in der Region sind vor der Küste des Jemen mehr als 60 afrikanische Flüchtlinge ertrunken. Bei den Toten handelte es sich um Somalier und Äthiopier, außerdem starben zwei jemenitische Besatzungsmitglieder, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) in Genf mitteilte. Die Tragödie mit 62 Toten vor der jemenitischen Küste ereignete sich bereits am Samstag. Es ist seit Jahresbeginn das schwerste Unglück mit afrikanischen Flüchtlingen, die auf dem Seeweg den Jemen erreichen wollten. Das UNHCR erklärte, noch seien die genauen Umstände des Unglücks unklar. Demnach wurden die Leichen von örtlichen Bewohnern bestattet, nachdem sie in der Nähe der Meeresstraße Bab al Mandeb angeschwemmt worden waren.

Samstag, 7. Juni, 11 Uhr 10, AFP: Die italienische Küstenwache hat erneut etwa tausend Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Wie die Behörden am Samstag mitteilten, wurden die Menschen seit dem Vorabend auf drei völlig überfüllten Booten entdeckt und in Sicherheit gebracht. Die Boote wurden demnach etwa 74 Kilometer vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa geortet. Zuvor waren am Freitag bereits etwa 2500 Flüchtlinge von insgesamt 17 Schiffen gerettet worden.

Samstag, 7. Juni, 13 Uhr 12, dpa: Bei einer weiteren Rettungsaktion seien 103 Flüchtlinge aufgenommen worden, deren Schlauchboot bereits Luft verloren hatte, teilten die maltesischen Streitkräfte mit. Fünf der Geretteten wurden mit US-Hilfe wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes in ein Krankenhaus auf Malta geflogen.

Sonntag, 8. Juni, 9 Uhr 52, epd: Die Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Italien stehen angesichts eines deutlich gestiegenen Zustroms vor dem Kollaps. Die italienische Marine rettete gemeinsam mit der Küstenwache nach einem Bericht der Online-Ausgabe der römischen Zeitung "La Repubblica" vom Sonntag innerhalb von 36 Stunden etwa 4000 Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen wollten.

Sonntag, 8. Juni, 12 Uhr 11, dpa: Maltesische Behörden haben rund 130 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer gerettet. Die Migranten, darunter elf Frauen, seien von einem sinkenden Schlauchboot geborgen worden, teilten die Streitkräfte des südeuropäischen Inselstaates mit. Der maltesische Ministerpräsident Joseph Muscat warf Europa auf Twitter vor, "völlig abwesend" zu sein und lobte die eigenen Streitkräfte sowie die italienische und die US-Marine für ihre Arbeit bei den Rettungseinsätzen.

Sonntag, 8. Juni, 12 Uhr 59, AFP: Wegen zwei dutzend georteter Flüchtlingsboote haben mehrere Länder im Mittelmeer einen groß angelegten Marine-Einsatz gestartet. An der Operation waren Schiffe Malta, Italiens und der USA beteiligt, wie die maltesische Regierung mitteilte. Demnach handelt es sich um "eine der größten Such- und Rettungsaktionen, die in den vergangenen Jahren im Mittelmeer organisiert wurde". Der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge wurde am Nachmittag im Hafen von Pozzallo auf Sizilien ein Schiff erwartet, an Bord dessen drei Menschen aufgrund der strapaziösen Überfahrt gestorben waren. An dem Marine-Einsatz nehmen neben maltesischen Einsatzkräften auch Schiffe der italienischen Marine und Küstenwache sowie US-Kriegsschiffe teil, wie die maltesische Regierung erklärte. Zudem seien alle Handelsschiffe in dem Gebiet aufgerufen, nach den Flüchtlingsbooten Ausschau zu halten. Der Kurs der 25 georteten Flüchtlingsboote werde unter anderem durch Radar der italienischen Küstenwache verfolgt.

Montag, 9. Juni, 12 Uhr 03, dpa: Tausende Bootsflüchtlinge sind über Pfingsten vor den Küsten Italiens gerettet und nach Sizilien oder Apulien gebracht worden. Drei Migranten ertranken am Sonntag, als sie von einem Boot mit brennendem Motor gerettet werden sollten, zwei Flüchtlinge wurden noch vermisst, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Allein am Pfingstmontag kamen in Italien mehr als 2000 Migranten an, die zuvor von der italienischen Marine oder von Handelsschiffen von ihren zumeist seeuntauglichen Booten aufgenommen worden waren Vier Tunesier wurden als mutmaßliche Schleuser festgenommen. Rund 1300 am Vortag gerettete Menschen erreichten mit dem Marineschiff "Etna" den apulischen Hafen von Taranto. Davon sind etwa 100 Frauen und zehn Neugeborene. Ein anderes Motorschiff kam am selben Tag mit 529 Migranten an Bord im sizilianischen Palermo an, rund 250 in Porto Empedocle auf der südlichen Inselseite.

Dienstag, 10. Juni, 18 Uhr 11, AFP: Die italienischen Behörden haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR am Dienstag auf zwei Parkplätzen am Rande von Rom und Mailand hunderte Migranten ohne Geld oder Nahrung ausgesetzt. Es habe zwei Gruppen von jeweils 160 bis 170 Menschen gegeben, die am Stadtrand von Rom beziehungsweise Mailand abgesetzt worden seien, sagte die UNHCR-Sprecherin für Italien, Carlotta Sami. In einer Erklärung kritisierte das UNHCR, viele der Einwanderer seien verwirrt gewesen und hätten keine Schuhe gehabt.

Samstag, 14. Juni, 16 Uhr 10, AFP: Beim Untergang eines Flüchtlingsboots vor der Küste Libyens sind zehn Menschen gestorben. Die italienische Marine konnte nach eigenen Angaben 39 Insassen des Boots retten. Für zehn Flüchtlinge sei jede Hilfe aber zu spät gekommen. Das Unglück ereignete sich den Angaben zufolge gut 70 Kilometer nördlich der libyschen Küste.

Samstag, 14. Juni, 16 Uhr 52, dpa: Vor der italienischen Südküste wurden knapp 300 Bootsflüchtlinge aufgegriffen. Sie seien auf einem 20 Meter langen Fischkutter auf dem Weg von Griechenland nach Italien gewesen und stammten nach eigenen Angaben aus Syrien, teilte die italienische Küstenwache mit. Zwei Patrouillenboote der Küstenwache und ein Schiff der Steuerpolizei hätten die 281 Menschen rund 150 Kilometer vor der Küste Kalabriens an Bord genommen. Unter ihnen seien 93 Kinder und sechs Frauen, einige bei sehr schlechter Gesundheit.

Sonntag, 15. Juni, 13 Uhr 33, dpa: Die italienische Marine hat am Wochenende mehr als 1500 Bootsflüchtlinge im Mittelmeer gerettet. Binnen 24 Stunden seien fünf Einsätze angelaufen, teilten die Behörden mit. Nach einem Schiffbruch vor der libyschen Küste mit zehn Toten wurden die überlebenden Flüchtlinge nach Palermo auf Sizilien gebracht.

Montag, 16. Juni 13 Uhr, AFP: Insgesamt 68 Flüchtlinge haben in einem Schlauchboot den Süden Spaniens erreicht. Unter den illegalen Einwanderern hätten sich auch sechs Minderjährige befunden, teilten die Rettungskräfte mit. Fünf der Flüchtlinge seien ins Krankenhaus gebracht worden. Das Flüchtlingsboot traf demnach im Hafen von Motril östlich von Malaga ein.

Montag, 16. Juni, 15 Uhr 18, dpa: Erneut sind mehr als 800 Bootsflüchtlinge im Mittelmeer gerettet und auf den Weg nach Italien gebracht worden. Ein kuwaitisches Schiff nahm allein 536 Migranten auf. Dabei wurde ein weiterer Flüchtling tot geborgen, wie die italienische Marine per Twitter mitteilte. Das Handelsschiff lief den Hafen Augusta auf Sizilien an. Marine und Küstenwache nahmen in der Nacht zusammen knapp 300 Menschen von mehreren Booten an Bord.

Mittwoch, 25. Juni, 14 Uhr 21, dpa: Die Zahl der Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien, die über das Mittelmeer Italien erreichen, ist dramatisch gestiegen. Dies geht aus einem in Berlin veröffentlichten Bericht der Kinderrechtsorganisation Save the Children hervor. Danach haben allein zwischen Januar und Mai 6620 Syrer die italienische Küste erreicht, darunter viele Kinder. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2012 waren es nur knapp 600 Bootsflüchtlinge aus Syrien. Nach UN-Angaben sind wegen des Bürgerkriegs mehr als 40 Prozent der gut 22 Millionen Syrer auf der Flucht.

Sonntag, 29, Juni, 23 Uhr 24, AFP: Die italienische Marine hat am Wochenende rund 1600 Bootsflüchtlinge in Sicherheit gebracht, die über das Mittelmeer Richtung Europa unterwegs waren. Nach amtlichen Angaben wurden sieben Schiffe mit Flüchtlingen aufgegriffen. Damit stieg die Zahl der Flüchtlinge, die in diesem Jahr aus Nordafrika kommend in Italien eintrafen, auf mehr als 60.000.

Montag, 30. Juni, 3 Uhr 19, AFP: Auf einem Flüchtlingsboot vor der Küste Siziliens sind rund 30 Leichen entdeckt worden. Das teilte die italienische Küstenwache mit. Die Leichen befanden sich demnach auf einem Schiff mit rund 590 Flüchtlingen, von dem zwei schwangere Frauen und einige Notfallpatienten umgehend an Land gebracht wurden.

Mittwoch, 2. Juni, 11 Uhr 55, AFP: Die Zahl der auf einem Flüchtlingsboot vor Sizilien entdeckten Leichen hat sich erhöht. Insgesamt seien 45 Tote geborgen worden, erklärten Rettungskräfte nach Angaben örtlicher Medien.

Mittwoch, 2. Juni, 14 Uhr 32, AFP: Im Mittelmeer werden nach UN-Angaben 75 Flüchtlinge vermisst, die nach Europa gelangen wollten. Die italienischen Marine habe vor der Küste ein havariertes Schiff entdeckt und von diesem 27 Menschen retten können, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mit. Die Überlebenden der Aktion hätten berichtet, dass ursprünglich 75 weitere Menschen mit ihnen gereist seien. Sie würden nun als "auf See vermisst" betrachtet.

Mittwoch, 2. Juni, 15 Uhr 32, epd: Trotz verstärkter Kontrollen der italienischen Marine kommen im Mittelmeer weiterhin zahlreiche Flüchtlinge bei gefährlichen Überfahrten ums Leben. Allein seit Jahresbeginn seien schätzungsweise 500 Todesopfer zu beklagen gewesen, teilte das UN-Flüchtlingshochkommissariat in Rom mit.

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