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Folgen aus dem Fall Gelbhaar: Grüne legen Ombudsstelle neu an
Die Belästigungsvorwürfe gegen ihren früheren Bundestagsabgeordneten zeigten den Grünen mitten im Wahlkampf die Grenzen ihrer Ombudsstelle auf. Die Arbeit an neuen Strukturen lässt sich die Partei einiges kosten.
Stand:
Das Fazit von Jerzy Montag und Anne Lütkes klang niederschmetternd. Den Ombudsstrukturen der Grünen fehle es an der „notwendigen parteidemokratischen Legitimation“, sie habe keine „beschlusslegitimierte rechtsstaatlich normierte Verfahrensordnung“, es gebe keine „transparente Aufgabenzuweisung“ und die Ernennung der Mitglieder finde „ohne demokratisch legitimierte Regelungen“ statt.
Mehrere Monate hatten die beiden Ex-Grünen-Politiker mit ihrer juristischen Expertise versucht, den Fall um den früheren Pankower Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar aufzuarbeiten und Lehren zu ziehen. Zahlreiche, zumeist anonyme Belästigungsvorwürfe waren im Dezember 2024, kurz vor der Listenaufstellung der Berliner Grünen, gegen Gelbhaar bei der Ombudsstelle eingegangen.

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Gelbhaar verzichtete auf eine Kandidatur, später wuchsen jedoch Zweifel am Wahrheitsgehalt vieler Behauptungen. Man sei „strukturell überfordert“ gewesen, räumte die Parteispitze ein. Sowohl Gelbhaar als auch meldende Personen seien die Leidtragenden gewesen.
Der Vorgang mitten im Wahlkampf schadete auch den Grünen massiv. Die Parteizentrale war über Wochen mit der Krisenbewältigung gebunden, statt die Kampagne von Kanzlerkandidat Robert Habeck zu unterstützen. „Für die gesamte Grüne Partei bedeutete der Vorgang um S.G. einen erheblichen Reputations- und Vertrauensschaden. Er hat möglicherweise auch den Ausgang der Bundestagswahl tangiert“, schrieben Montag und Lütkes in einer Zusammenfassung ihres Berichts.
Die strukturellen Defizite hinter dem Fall zeigte der Bericht ebenfalls auf. Darin wurde unter anderem kritisiert, dass es eine „Verquickung“ von Ombudsverfahren und Parteistrukturen gegeben habe. „Bisher gibt es keine klare und konkrete Aufgabenzuweisung der Partei an die eingerichteten Ombudsstrukturen“, stellten die beiden Alt-Grünen zudem fest.
Das will die Grünen-Spitze nun ändern und hat dafür nach Tagesspiegel-Informationen in der Parteizentrale eine „Arbeitsgemeinschaft zur Umstrukturierung der Ombudsstrukturen“ gegründet. Sie wird von der politischen Bundesgeschäftsführerin Pegah Edalatian geleitet und ist im Prozess angedockt an die Parteivorsitzende Franziska Brantner.
Die neue AG, der auch Vertreter der Bundestagsfraktion, aus dem Europaparlament, aus dem Bundesfrauenrat sowie externe Experten angehören, hat sich nach Tagesspiegel-Informationen bereits am Montag erstmals getroffen. Vier weitere Termine sind offenbar geplant, um bis zum Grünen-Parteitag Ende November in Hannover neue Ombudsstrukturen zu erarbeiten.
„Wir stellen sicher, dass die Ombudsarbeit in unserer Partei verlässlich fortgeführt wird und überarbeiten dafür unsere Strukturen“, sagte Edalatian dem Tagesspiegel. Tatsächlich gibt es für den Zeitraum der Reform eine externe Anlaufstelle für Beschwerden. Bis zum Jahresende übernimmt die Beratungsorganisation EAF mögliche Ombudsverfahren für die Grünen. Die Partei lässt sich das 10.000 Euro kosten.
Edalatian begründet diesen Schritt: „So schaffen wir den notwendigen Raum, um alles offen und konstruktiv zu besprechen.“ Am Ende werde der Parteitag über die neuen Strukturen entscheiden.
Die Landesvorsitzende der Grünen in Berlin, Nina Stahr, begrüßte das Vorgehen der Parteispitze. „Es ist gut, dass der Bundesvorstand diese Arbeitsgruppe eingerichtet hat und breit die unterschiedlichen Perspektiven aus der Partei und Fachexpertise einbezieht“, sagte sie dem Tagesspiegel. Wichtig sei, dass Strukturen von Bundes- und Landesebene und in den Kreisverbänden vor Ort ineinandergreifen würden, so Stahr.
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