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Maja T. kommt am 20. Juni in Budapest in den Gerichtssaal, wo über den Antrag auf Haftentlassung entschieden wurde.

© dpa/Samuel Winter

Folgen des Hungerstreiks: Maja T. soll in ungarischer Haft offenbar Herzschrittmacher bekommen

Die non-binäre Person ist in dem EU-Land wegen Gewalt gegen Rechte angeklagt und verweigert wegen der Haftbedingungen Nahrung. Berichten zufolge planen Ärzte einen Eingriff, um Organschäden zu verhindern.

Stand:

Der Zustand der in Ungarn angeklagten und inhaftierten Person Maja T. ist einem Medienbericht zufolge ernster als bisher bekannt. T. (24) befindet sich aus Protest gegen die Haftbedingungen in dem EU-Land seit mehr als einem Monat im Hungerstreik und verlangt eine Überstellung nach Deutschland.

Wegen des Gesundheitszustands wurde T. vor Kurzem in eine Gefängnisklinik verlegt. Wie zunächst der „Spiegel“ und auch die Agentur dpa am Donnerstag unter Berufung auf das Umfeld berichteten, soll Maja T. dort ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Die Herzfrequenz sei zeitweise auf 30 Schläge pro Minute gesunken. Maja T. habe bereits 14 Kilogramm verloren, wie ein Solidaritätskomitee für Majas Hungerstreik und der Vater Wolfram Jarosch gemeinsam mitteilten.

T. steht unter dem Verdacht, mit anderen Autonomen im Februar 2023 in Ungarn an Gewalttaten gegen tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten beteiligt und für schwere Körperverletzungen mitverantwortlich gewesen zu sein. Die Taten sollen sich am Rande des europäischen Neonazi-Aufmarschs „Tag der Ehre“ ereignet haben. Nach einer Fahndung wurde T. im Dezember 2023 in Berlin gefasst.

Maja darf nicht an das Bett gefesselt werden. Das wäre eine grausame und unnötige Zwangsmaßnahme.

Wolfram Jarosch, Vater von Maja T.

Sechs Monate später erlaubte das Berliner Kammergericht die Auslieferung nach Ungarn – rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht später feststellte, da das Gericht die Haftbedingungen für non-binäre Menschen in Ungarn nicht ausreichend geprüft habe. Doch die Entscheidung aus Karlsruhe kam wenige Minuten zu spät.

Seit Februar 2025 muss sich Maja T. sich vor dem Budapester Stadtgericht verantworten. Zu den konkreten Vorwürfen äußerte sich T. nicht. Ein Schuldgeständnis lehnte Maja T. ab.

T. war dann in den Hungerstreik getreten. Hintergrund ist unter anderem eine Forderung nach besseren Haftbedingungen – etwa ein Ende der Isolationshaft. „Dass Maja erst zu solch drastischen Mitteln greifen muss, ist ein Skandal“, sagte Jarosch vor kurzem.„Diese Haftbedingungen sind nicht nur unmenschlich, sie sind lebensgefährlich.“

Über die Zustände hatte Maja T. schon zu Beginn des Hungerstreiks geklagt: „Ich kann die Haftbedingungen in Ungarn nicht weiter ertragen. Meine Zelle war über drei Monate rund um die Uhr videoüberwacht. Ich musste über sieben Monate außerhalb meiner Zelle immer Handschellen tragen“, sagte T. der Deutsche Welle zufolge. Die Schikanen erklärte sich T. demnach auch damit, dass sie non-binär ist. So werden Menschen bezeichnet, die sich weder als ausschließlich weiblich noch männlich identifizieren.

Ungarn wird seit Langem vorgeworfen, dass rechtsstaatliche Prinzipien nicht eingehalten werden. Erst am Dienstag wurde der rechten Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán von der EU-Kommission im jährlichen Rechtsstaatlichkeits-Bericht vorgeworfen, kaum Fortschritte gemacht zu haben. Wegen Grundrechtsverstößen sind bereits rund 18 Milliarden Euro an EU-Finanzmitteln für Ungarn eingefroren.

Wie das Magazin weiter schreibt, sollen die Ärzte in der Klinik, die sich 260 Kilometer von Ungarns Hauptstadt entfernt an der Grenze zu Rumänien befindet, fordern, Maja T. in ein ziviles Krankenhaus zu überweisen. Nur dort sei eine 24-stündige Untersuchung mit Elektrokardiogramm (EKG) möglich. So solle das Herz untersucht werden, weil sonst Organschäden drohen könnten. Der Wechsel in ein ziviles Krankenhaus würde zugleich bedeuten, dass die Inhaftierte im Bett gefesselt sein müsste, so die Befürchtung.

Wolfram Jarosch (M) forderte auf einer Demonstration „Free Maja“ die Rückholung seiner Tochter Maja T. aus Ungarn.

© dpa/Jens Kalaene

Jarosch sagt dem Blatt: „Maja darf nicht an das Bett gefesselt werden. Das wäre eine grausame und unnötige Zwangsmaßnahme.“ Überdies dürfe gegen den Willen von T. „in keinem Fall ein Herzschrittmacher eingesetzt werden“. Denn dies würde auch nicht helfen, da die niedrige Herzfrequenz eine Folge des Hungerstreiks sei.

Jarosch hatte dem Ministerium von Außenminister Johann Wadephul (CDU) am Montag eine Petition mit 100.000 Unterschriften übergeben. „Ich sehe mein Kind mehr und mehr leiden“, sagte er bei einer Kundgebung vor dem Auswärtigen Amt (AA) in Berlin. Wadephul habe „die moralische Pflicht, Maja zurückzuholen“, so Jarosch. Er kann sein Kind nach Angaben des ZDF dort zwei Stunden im Monat besuchen.

Rechtlich hat Maja T. aktuell keine Mittel

Wie Maja T.’s deutscher Anwalt Sven Richwin dem Sender sagte, gebe es rechtlich keine Mittel, Maja. T. zurück nach Deutschland zu holen. Ein Beschwerdeverfahren gegen die Haftbedingungen würde in Ungarn seit Monaten nicht bearbeitet, sagte er. Ein Antrag von Maja T auf Überstellung in den Hausarrest hatte das Gericht in Ungarn abgelehnt und dies mit erhöhter Fluchtgefahr angesichts eines möglichen Strafmaßes von bis zu 24 Jahren Haft begründet.

Prominente Politiker wie die Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt, die T. in der Haft besuchte, oder EU-Linksfraktionschef Martin Schirdewan fordern deshalb, dass T. für einen fairen Prozess zurück nach Deutschland überstellt wird. „Das Auswärtige Amt muss dringend ein Ende der Isolationshaft und einer Rückführung Majas nach Deutschland erreichen“, fordert Jarosch dem Bericht zufolge nun erneut.

Auf eine schriftliche Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Helge Limburg hieß demnach es zuletzt von der Bundesregierung: „Der Fall von Maja T. wurde hochrangig gegenüber der ungarischen Regierung angesprochen.“

Wie es in dem Bericht weiter heißt, habe die rechte italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Fall einer Italienerin, die im selben Vorgang beschuldigt ist, Orbán angerufen. Danach habe es Hafterleichterungen gegeben.

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