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Eine Partei, zwei Welten. Kai Wegner (l.) und Friedrich Merz gerieten in der Vergangenheit immer wieder aneinander.

© imago/IPON

Friedrich Merz zu Gast bei Kai Wegner: Der Kanzler besucht seinen schlechtesten Parteifreund

Am Mittwoch kommt der Bundeskanzler zum Antrittsbesuch ins Rote Rathaus. Obwohl Parteikollegen, liegen Merz und Wegner inhaltlich und menschlich über Kreuz. Auch weil der Kanzler mit der Hauptstadt fremdelt.

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Keine vier Kilometer liegen zwischen Bundeskanzleramt und Rotem Rathaus. Der Weg ist nicht weit, wenn Bundeskanzler Friedrich Merz am Mittwoch Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU) zum Antrittsbesuch trifft. Allzu viel Nähe dürfte bei dem Termin trotz der kurzen Distanz nicht aufkommen.

Öffentlich freut sich der Regierende auf seinen Gast aus dem Kanzleramt: „Ich hoffe, der Friedrich Merz freut sich genauso so doll auf den morgigen Besuch wie ich“, sagte Wegner am Dienstag. Dabei eint die beiden Männer eine längere Parteifehde. Gemessen an ihren öffentlichen Äußerungen ist sich unter den Spitzenpolitikern der CDU wohl niemand ferner als die beiden. Es ist eine über Jahre gelebte Abneigung mit dem ständigen Potenzial für neue Volten – erst recht mit Blick auf die kommende Berlin-Wahl im Herbst 2026.

Ob bei der Debatte um die Schuldenbremse, Merz’ Äußerungen zum Stadtbild oder seiner Kreuzberg-Kritik: Immer wieder kracht es zwischen dem Kanzler und dem Regierenden Bürgermeister. Dabei war das lange nicht absehbar. Wegner half Merz auf seinem Weg zurück in die Bundespolitik. 2020 unterstützte er als erster CDU-Landeschef Merz’ Kandidatur für den Parteivorsitz öffentlich.

Als dann jedoch Wegner im Frühjahr 2023 in Berlin als Spitzenkandidat antrat, kam es zum Bruch. Kurz vor der Wiederholungswahl soll CDU-Chef Merz mit seinem damaligen Generalsekretär Mario Czaja versucht haben, den in den Umfragen in Führung liegenden Wegner gegen Jens Spahn auszutauschen.

Der Plan, von dem sich Merz öffentlich distanzierte, scheiterte krachend. Wegner gewann die Wahl und sitzt seither im Roten Rathaus. Die versuchte Intrige jedoch soll er nicht vergessen haben. Seitdem lässt Wegner kaum eine Gelegenheit aus, um sich bei Merz zu revanchieren.

Ich lasse mich von euch nicht vorführen!

Friedrich Merz, CDU-Chef, in einer SMS an Kai Wegner.

So war es Kai Wegner, der als erster CDU-Ministerpräsident eine Reform der Schuldenbremse forderte und damit interne Überlegungen von Merz in die Öffentlichkeit trug. Der damalige Oppositionschef reagierte erzürnt. Laut dem Journalisten Robin Alexander schrieb Merz an Wegner eine erboste SMS: „Jetzt ist das Thema erledigt. Ich lasse mich von euch nicht vorführen!“

Auch im Bundestagswahlkampf wurden die Spannungen zwischen dem Kanzlerkandidaten und dem Regierenden immer wieder deutlich. Als Merz nach dem Messerangriff von Aschaffenburg einen Fünf-Punkte-Plan vorlegte, übte Wegner erst intern Kritik. So soll er vor der sofortigen Inhaftierung ausreisepflichtiger Personen gewarnt haben. Dies würde zu massenhafter Kasernierung führen, für die es gar keine Plätze gebe.

Doch Merz, im Wahlkampfendspurt unter Druck, bestand auf seinem Plan – notfalls mit Stimmen der AfD. Eine Strategie, die intern für große Debatten sorgte und nicht nur von Wegner als unklug betrachtet wurde. Und es war erneut der Regierende Bürgermeister, der sich öffentlich von Merz distanzierte. Ein Gesetz, das mit Stimmen der AfD verabschiedet würde, bekomme vom Berliner Senat keine Zustimmung im Bundesrat, sagte Wegner. „Mit mir, darauf können Sie sich verlassen, wird es niemals eine Zusammenarbeit, Kooperation oder gar eine Koalition mit den Rechtsextremisten von der AfD geben.“

Wir sind die deutsche Hauptstadt – das weiß auch Friedrich Merz.

Kai Wegner, Berlins Regierender, kontert die Kreuzberg-Kritik von Merz.

Doch Merz zog durch und verlor erst die Abstimmung im Bundestag. Wenige Tage später landete er mit seiner Union bei nur 28,2 Prozent. Noch am Wahlabend rechnete Wegner mit dem Kurs des Spitzenkandidaten ab. Das Wahlergebnis könne „nicht zufriedenstellen“, sagte der Regierende. Von der Abstimmung mit der AfD hätten „vor allem die politischen Ränder profitiert“, führte Wegner aus.

Seither stichelt er regelmäßig gegen seinen Parteichef. Dass der inzwischen Bundeskanzler ist, hat daran nichts geändert. Die Bundesregierung streite zu viel. Dagegen werde „zu wenig an den Problemen unseres Landes gearbeitet“, gab er der von Merz geführten Koalition Mitte November mit.

Dass die beiden so häufig aneinandergeraten, liegt allerdings auch daran, dass Friedrich Merz anhaltend mit Berlin fremdelt. Zwar sitzt auch er als Bundeskanzler in der Stadt. Gemessen an seinen Einstellungen ist dem konservativen Sauerländer jedoch wohl kein Ort in Deutschland ferner als die Hauptstadt.

Wegner präsentiert sich als moderner Konservativer

„Gillamoos ist Deutschland. Nicht Berlin, nicht Kreuzberg“, sagte der CDU-Chef 2023 bei einer Bierzelt-Rede beim Gillamoos-Jahrmarkt in Bayern. Wegner konterte das gelassen: „Wir sind die deutsche Hauptstadt – das weiß auch Friedrich Merz.“ Der Spandauer, in jüngeren Jahren selbst stramm konservativ, gibt sich inzwischen als liberaler Stadtvater aller Berliner. Als Regierender tummelt er sich auf dem Christopher Street Day, hisst die Regenbogenfahne am Roten Rathaus und verteidigt immer wieder das multiethnische Berlin.

Friedrich Merz sprach wegen der Regenbogenfahne vom Bundestag als Zirkuszelt, Kai Wegner posierte damit.

© dpa/Christophe Gateau

Als der Kanzler mit seinen umstrittenen „Stadtbild“-Aussagen für Aufsehen sorgte, reagierte Wegner darauf umgehend. „Berlin ist eine vielfältige, internationale und weltoffene Stadt. Das wird sich immer auch im Stadtbild abbilden.“ Anschließend soll Wegner dem Kanzler auch im CDU-Präsidium klargemacht haben, dass er sich im Zweifel immer verteidigend vor seine Stadt und deren Eigenarten stellen werde. Für den Berliner steht dahinter auch eine strategische Frage: Wie kann die CDU in Großstädten noch Wahlen gewinnen? Wegners Antwort darauf ist ein liberaler, moderner Mitte-Kurs.

Schon im Herbst 2026 muss er beweisen, dass dieser Weg erfolgreich ist und sein Wahlsieg 2023 mehr als ein Glückstreffer nach der historischen Berliner Pannen-Wahl war. Nicht ausgeschlossen, dass es auf dem Weg dahin weitere verbale Spitzen gegen den Kanzler geben wird. Merz ist im tendenziell links-liberalen Berlin unbeliebt, das weiß auch Wegner.

Vielleicht ist das Programm für den Kanzler-Besuch am Mittwoch dennoch als Friedensangebot zu werten. Nach dem Termin im Roten Rathaus besichtigen die beiden CDU-Politiker zusammen ein Raumfahrt-Start-up in Adlershof. Kreuzberg muss Friedrich Merz dabei maximal aus dem Autofenster sehen.

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