
© dpa/Soeren Stache
Frontalangriff auf Habecks Vorschläge: Lindner fordert SPD und Grüne mit Grundsatzpapier heraus
Sofortige Abschaffung des Soli, ein Moratorium für neue Bürokratie, weniger Klimaschutz. In einem Grundsatzpapier stellt Finanzminister Lindner seine Forderungen für die Wirtschaft auf.
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Das Papier trägt den Briefkopf des Bundesministerium der Finanzen, ist gespickt mit Grafiken und Fußnoten und hat einen bemerkenswerten Autor: Finanzminister Christian Lindner selbst. „Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“, lautet der Titel des 18-seitigen Grundsatzpapiers, das dem Tagesspiegel vorliegt und über das zuerst der Stern berichtete. Die angeschlagene Ampel-Koalition könnte es weiter in Bedrängnis bringen.
Denn der FDP-Vorsitzende fordert darin einen entschiedenen Kurswechsel der Ampel-Politik: „Deutschland braucht eine Neuausrichtung seiner Wirtschaftspolitik, die quantitativ bedeutsam und grundsätzlicher Art ist“, schreibt Lindner. Dies schaffe Spielräume für den Haushalt, „ohne die Solidität der Staatsfinanzen zu gefährden“.
Denn an die Schuldenbremse, das macht Lindner an mehreren Stellen deutlich, will der Finanzminister definitiv nicht ran: „Die Schuldenbremse ist Garant von Generationengerechtigkeit“, schreibt er. Auch neuen Sondervermögen erteilt der Minister eine Absage, sie seien nicht mit den europäischen Regeln vereinbar.
Laden Sie hier das Konzeptpapier von Christian Lindner herunter.
Stattdessen schlägt der Finanzminister mehrere Handlungsfelder vor, auf denen man „neue Dynamik entfesseln“ könne. Dazu zähle ein sofortiges Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen. Dieses Moratorium solle drei Jahre gelten. In dieser Zeit solle Bürokratie abgebaut werden, neue Gesetze notfalls ganz entfallen.
Darunter würden insbesondere Gesetzesvorhaben aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales fallen, schrieb Lindner. Etwa die vorgelegte Fassung des Tariftreuegesetzes, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das Entgelttransparenzgesetz, das Beschäftigtendatengesetz und die arbeitgeberfinanzierte Familienstartzeit. „Sie alle passen in der aktuell diskutierten Form nicht zu den Herausforderungen des aktuellen wirtschaftlichen Umfelds.“
Besonders strittig mit SPD und Grünen dürfte vor allem Lindners Forderung nach einer sofortigen Abschaffung des Solidaritätszuschlags sein. „Er sollte in einem ersten Schritt im Jahr 2025 um 2,5 Prozentpunkte auf 3 Prozent abgesenkt werden. In einem zweiten Schritt könnte er im Jahr 2027 dann vollständig entfallen“, schreibt der FDP-Politiker, der auch eine Absenkung der Körperschaftssteuer ins Spiel bringt.
Lindner geht auf Konfrontation mit den Grünen
Lindner sieht aber noch weitere Handlungsfelder und kritisiert einen „deutschen Sonderweg“ in der Klimapolitik. Der Finanzminister fordert stattdessen eine europäische Klimapolitik und geht damit auf Konfrontationskurs mit den Grünen: „Es hilft dem Klimaschutz nicht, wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen“, schreibt der Minister.
Ohne ihn beim Namen zu nennen, greift Lindner auch die Politik von Wirtschaftsminister Robert Habeck, der mit Subventionen für einzelne Unternehmen eine klimaneutrale Transformation erreichen will, frontal an. Diese Politik konzentriere sich „traditionell auf größere Unternehmen meist auch mit den stärksten Interessenvertretungen (wie Intel oder Thyssen-Krupp), vernachlässigt hingegen den Mittelstand, das Handwerk und insbesondere neue und junge Unternehmen“, schreibt Lindner und beklagt zudem Bürokratiekosten und wirtschaftliche Unsicherheit.
Seinen eigenen Politikansatz überschreibt Lindner dagegen als „marktbasierte, diskriminierungsfreie und somit technologieoffene Angebotspolitik durch umfassende Verbesserungen des Ordnungsrahmens“ und ergänzt in Klammer „= soziale Marktwirtschaft“
In der Ampel, die in der Wirtschaftspolitik seit Monaten im Streit liegt, erinnert das Schreiben viele Beobachter bereits an ein historisches Dokument. 1982 unterbreitete der damalige FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff der sozialliberalen Koalition seine Vorschläge für eine Wirtschaftswende. Das „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ führte schließlich zu einem Bruch der Koalition von SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Ein Szenario, das in diesen Tagen nun Kanzler Olaf Scholz droht.
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