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Vor und nach TV-Debatten erhalten Präsidentschaftskandidaten besonders viele Spenden.

© REUTERS

Fundraising im US-Wahlkampf: Trump bettelt aggressiv, Biden höflich

Beim Spendeneinwerben unterscheiden sie sich in Stil und Ton - mit wechselhaftem Erfolg über das Jahr. Trump kassierte am Geburtstag groß, Biden im September.

Was macht Menschen eher Beine und öffnet ihre Portemonnaies? Wenn man sie höflich bittet oder wenn man offensiv bettelt und an ihr schlechtes Gewissen appelliert?

Auch in dieser Hinsicht ist der US-Wahlkampf 2020 ein millionenfacher Praxistest. Donald Trump und Joe Biden unterscheiden sich deutlich in Tonlage und Stil ihres Fundraisings. Wie ja auch sonst im Auftreten. Der Eine ein offensiver Bully. Der Andere ein sich verständnisvoll gebender Großvatertyp.

Und ebenso im Grad des Erfolgs über das Jahr. Wobei es allerdings ein Fehlschluss sein könnte, einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Einen und dem Anderen zu vermuten.

Im Oktober bekam Biden drei Mal so viel Geld wie Trump

Trump hat seit Jahresbeginn 1,53 Milliarden Dollar Spenden erhalten, Biden 1,51 Milliarden Dollar. Trump hatte den größeren Erfolg in der ersten Jahreshälfte, Biden seit Anfang September. In der ersten Oktoberhälfte hat der Demokrat (130 Millionen Dollar) drei Mal so viel Geld eingeworben wie der Republikaner (43,5 Millionen Dollar).

Die typische Bitte Donald Trumps um eine Geldspende, in der Regel als SMS auf dem Smartphone, ist fordernd. Die Mobilfunknummer hat die Kampagne, weil man sich nur so für einen Wahlkampfauftritt Trumps anmelden und eine Teilnahmebestätigung bekommen kann.

Trump schmeichelt, Trump macht ein schlechtes Gewissen

Die erste SMS ist einschmeichelnd: Freust du dich auf den Event mit Präsident Trump heute?

Wenig später kommt die Bitte um eine Spende unter der Headline „FOUR MORE YEARS“. Hast du die vorige Email gesehen? Hast du dich für das Early Voting angemeldet?

Tags drauf kommt die SMS von einem der Trump-Söhne, Donald Junior oder Eric. Wie war die Rally gestern? Mein Vater kämpft für deine Zukunft. Wieder die Bitte um Geld.

Die nächste SMS klingt schon ärgerlicher. Mein Sohn hat dir geschrieben, und jetzt schreibe ich dir, ERNEUT. Wir haben keinen Spendeneingang gesehen.

Häufige Anrede in den Bettel-SMS: "Patriot!"

So geht es täglich weiter. Häufig lautet die Anrede: „Patriot!“ Mal geht es weiter mit Anreizen: Jede Summe, die du spendest, wird Präsident Trump mit 800% des Betrags als Co-Spende vergrößern. Handle jetzt! Mal mit Schmeicheleien: „Wo bleibt unser Top-Anhänger?“ Oder: „Willst du zu den 1% Top-Spendern gehören?“ Dann locke eine Überraschung.

Zwischendurch machen andere SMS ein schlechtes Gewissen. „Eric und Donald Junior haben nach dir gefragt. Lässt Du uns etwa im Stich?“

Biden entschuldigt sich für die Bitte um Spenden

Bei Joe Biden klingt es etwas anders. „Meine Frage und Bitte: Kannst du 5, 10 oder 15 Dollar beisteuern?“ Oft beginnt die Ansprache mit einer Entschuldigung: „Ich weiß, wir fragen oft und viel. Aber könntest du ….“

Auch Bidens Kampagne versucht sich in die jeweilige Situation einzufühlen, in der der mutmaßliche Anhänger die SMS oder Email bekommt. „Unter den vielen Nachrichten im Eingangsordner solltest du vielleicht diese eine heute noch lesen: Wir sind kurz vor der Deadline für die Oktoberspenden. Und wenn du nicht hilfst, laufen wir Gefahr zu unterliegen.“

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Zu welchen Ergebnissen führt das unter dem Strich? Joe Biden hat inzwischen deutlich mehr Erfolg. Er hat Donald Trump beim Spendenaufkommen nach der Sommerpause weit hinter sich gelassen. Von Jahresbeginn bis Mitte Oktober haben nach Angaben der Federal Election Commission 5,9 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner Geld für Biden gespendet. Und 3,7 Millionen Bürger für Trump.

Beleg für Enthusiasmus: Wer Geld spendet, investiert - und wählt

Die „Washington Post“ sieht darin einen beachtlichen Unterschied an Enthusiasmus, den Biden im Vergleich zu Trump auslöst. Spendenaufkommen gilt in den USA generell als ein Maßstab, wie groß die Unterstützung für einen politischen Kandidaten ist.

Der Zweck des Spendeneinwerbens liegt nicht nur darin, Geld für teure Wahlwerbung in Fernsehen und Radio zu bekommen. Es hat daneben einen hohen Mobilisierungseffekt. Wer Geld spendet, hat nach amerikanischem Verständnis in den Kandidaten und seine Partei investiert. Und es ist umso sicherer davon auszugehen, dass diese Personen dann auch zur Wahl gehen, damit ihr Investment nicht verloren geht.

Von Biden-Enthusiasmus konnte zu Jahresbeginn keine Rede sein. Damals war noch nicht einmal klar, wer Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden würde. Biden löste wenig Begeisterung aus. Das Hauptargument für ihn lautete „Electability“. Er war wählbar. Man traute ihm zu, Trump zu schlagen, weil er ein national bekannter Name war und zugleich ein moderater Politiker, der bei Wechselwählern keine Ängste vor einem Linksruck auslöste.

In Pennsylvania hat Biden doppelt so viel Spender wie Trump

Beim Spendenaufkommen lag Biden bis in den Spätsommer hinter Trump. Im Juli gaben die Spender in 36 der 50 Bundesstaaten mehr Geld für Trump. Im September hatte sich die Lage gedreht. Nun lag Biden in 41 der 50 Bundesstaaten vor Trump.

In Pennsylvania zum Beispiel, einem der am härtesten umkämpften Swing States, konnte Biden die Zahl seiner Spender von Juli (37.000) zu September (91.200) fast verdreifachen. Die Zahl der Trump-Spender dort wuchs moderat von 39.000 auf 43.600.

Trumps beste Fundraising-Tage waren sein Geburtstag am 14. Juni und der Nationalfeiertag am 4. Juli. Für Biden war der September der Rekordmonat, in dem er mehr Spenden einnahm als je zuvor ein Präsidentschaftskandidat in einem Monat. Drei Ereignisse kamen zusammen: der Tod der liberalen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg samt dem Streit um ihre Nachfolge, die erste Fernsehdebatte gegen Trump und die Deadline für die Zählung der jeweiligen Spendensummen im dritten Quartal.

Aus Sicht von Experten ist der unterschiedliche Erfolg nicht in erster Linie auf die Tonlage der Bettel-SMS und -Emails zurückzuführen. Auch das mag eine Rolle spielen. Mehr noch spiegelt Bidens Vorsprung den generellen Trend der vergangenen Wochen: Biden führt in den Umfragen. Und die Möglichkeit, Trump abzuwählen – „Dump Trump!“ -, ist eine mächtigere Botschaft und Motivation für viele Wähler als der Ruf nach einer zweiten Amtszeit für Trump, „Four more years“.

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