Wahlcomputer: Game over
In der Welt der Bits und Bytes hat ein Kreuz auf einem Zettel etwas unerhört Antiquiertes. Doch auch wenn man bald alles vollelektronisch erledigen kann, vielleicht sogar den Arztbesuch: Elektronisch wählen wird so einfach nicht. Das zeigt das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Berlin - Die Karlsruher Richter brandmarkten den Einsatz von Wahlcomputern bei der Bundestagswahl 2005 als verfassungswidrig. Ein „Wahlfehler“, hieß es, aber keiner, dessentwegen man das Parlament wieder auflösen müsste. Es gäbe keine Hinweise, dass die Geräte falsche Ergebnisse geliefert hätten oder manipuliert worden seien. Es gehe vielmehr um Prinzipielles: ob die Wahl mit der Maschine für die Bürger noch transparent und nachvollziehbar ist.
Die Antwort der Karlsruher darauf ist ein klares „Jein“. Nein, weil die seit den Europawahlen 1999 verwendeten Geräte der holländischen Firma Nedap die Stimmen speichern und lediglich ein Ergebnisprotokoll drucken, ohne dass der Wähler die Wahl kontrollieren könnte. Und Ja, weil die Richter sich explizit bemüht haben, technikfreundlich zu sein: Es könnte verfassungsgemäß konstruierte Maschinen geben, ja sogar Internetwahlen seien möglich, betonte der Senatsvorsitzende Andreas Voßkuhle.
Wie die schöne neue Wahlwelt aussehen soll, weiß einstweilen noch niemand genau. Fest steht nur: nicht wie Nedap sie sich vorgestellt hat. Wahlen müssen öffentlich sein, verlangt das Grundgesetz. Die gebotene Öffentlichkeit im Wahlverfahren umfasst das Wahlvorschlagsverfahren, die Wahlhandlung – soweit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt – und die Ermittlung des Wahlergebnisses. „Jeder Bürger muss die zentralen Schritte der Wahl ohne besondere technische Vorkenntnisse zuverlässig nachvollziehen und verstehen können“, postuliert das Urteil wörtlich.
Die Nedap-Kästen standen in über 1800 Wahllokalen. Sie waren als Helfer willkommen. Die Geräte verfügen über ein Tastenfeld im Wahlzettel-Look und einen LCD-Bildschirm, an dem der Wähler seine Eingaben überprüfen kann. Rund zwei Millionen Wähler hatten bundesweit in 39 der 299 Wahlkreise ihre Stimme auf diese Weise abgegeben. Theoretisch konnten sie den komplizierten Wahlvorgängen und Verrechnungen gut gerecht werden. Nur wie sie das machen, bleibt für den Normalbürger ihr digitales Geheimnis. Deshalb favorisieren viele Politiker wieder Zettel und Stift. Gültige sind so von ungültigen Stimmen gut zu unterscheiden, und wenn es Zweifel gibt, kann nachgezählt werden.
Wer mehr Technik fordert, muss das Urteil beachten: „Denkbar sind insbesondere Wahlgeräte, in denen die Stimmen neben der elektronischen Speicherung anderweitig erfasst werden“, heißt es, und vorgeschlagen wird ein „Papierprotokoll“. Auch einen „Stimmzettel-Scanner“ oder einen „digitalen Wahlstift“ können sich die Verfassungshüter vorstellen. Technisch müssten die Anlagen ausgereift sein, Fehler dürften sie sich keine erlauben. Mit dem Urteil ist der gute Glaube an die Technik zerstört, den man 2005 noch haben durfte. Wenn es jetzt nicht den perfekten Rechner gibt, werden die Richter das nächste Mal wenig Toleranz zeigen. Für das Wahljahr 2009 sind die Maschinen wohl gestorben.