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Gestapelte Tische und Stühle eines Eiscafés in Freiburg.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Verwaltungsgericht erklärt Lockdowns für rechtens: Die Regierung hatte viel „Spielraum“ in der Pandemie

In der Corona-Aufarbeitung räumt das Bundesverwaltungsgericht einen wichtigen Streitpunkt ab: Die frühere Maßnahmen-Generalklausel reichte für Schließungen aus.

Stand:

Im juristischen Streit um Corona-Maßnahmen hat das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag weitere Grundsatzurteile gefällt: Die Schließung von Gastronomiebetrieben und Sportstätten, die im Oktober 2020 zur Bekämpfung der zweiten Welle der Corona-Pandemie angeordnet wurde, durfte demnach auf eine damals geltende Generalklausel im Infektionsschutzgesetz gestützt werden (Az.: 3 CN 5.22, 3 CN 4.22). 

Das Gericht hob anderslautende Entscheidungen des saarländischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) auf und verwies sie zurück. Ob der Gastro-Lockdown rechtmäßig war und den Anforderungen an das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Artikel drei Grundgesetz) genügte, muss nun dort entschieden werden.

Im Fall eines Fitnessstudios aus Sachsen änderte das Gericht eine Entscheidung der Vorinstanz und erklärte die entsprechende Vorschrift für rechtswidrig, weil sie gegen das Gleichheitsgebot verstoße (Az. CN 6.22).

Dass Individualsport allein, zu zweit oder mit dem eigenen Hausstand in Einrichtungen des Freizeit- und Amateursportbetriebs, nicht aber in Fitnessstudios zulässig blieb, war unvereinbar mit dem Gleichheitssatz.

Das Bundesverwaltungsgericht zu einer Klage eines Betreibers aus Sachsen

Im Saarland hatten die Inhaber einer Tapas-Bar sowie eines Gourmetlokals geklagt. Sie wandten sich mit sogenannten Normenkontrollanträgen gegen eine saarländische Rechtsverordnung zur Corona-Bekämpfung aus dem Herbst 2020, die in ähnlicher Form auch in anderen Bundesländern erlassen wurde. Mit der Vorschrift wurde der Betrieb von Gaststätten landesweit verboten.

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Das wesentliche Problem war die Rechtsgrundlage, die für eine solche Verordnung auf Landesebene nötig ist. Zum Zeitpunkt des Erlasses gab es nur eine Generalklausel im Infektionsschutzgesetz, die den Verordnungsgeber ermächtigte, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sei.

Die Klausel sei zu unbestimmt, lautet die Kritik

Kritiker sahen dies als zu unbestimmt an, um drastische Beschränkungen wie derartige Lockdowns zu verhängen. Es hätte dafür eines ausdrücklichen Parlamentsgesetzes bedurft, wie es erst später in einer Reform des Infektionsschutzgesetzes festgeschrieben wurde.

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Auch das saarländische OVG schloss sich dieser Kritik an. Die Übergangszeit, in der aus Gründen des Gemeinwohls noch ein Rückgriff auf diese Generalklausel möglich gewesen sei, sei damals schon abgelaufen und eine neuerliche Corona-Welle längst vorhersehbar gewesen; der Bundesgesetzgeber sei also vom Pandemieverlauf im Herbst nicht mehr überrascht worden wie noch im Frühjahr 2020. Er hätte früher handeln müssen.

Dem widersprach jetzt das Bundesverwaltungsgericht in der Revision des Verfahrens. Der Rückgriff auf die Klausel habe auch im genannten Zeitraum noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots entsprochen, hieß es.

Lockdown-Zeiten in der City von Essen im Frühjahr 2020

© imago images/Rupert Oberhäuser/Rupert Oberhäuser via www.imago-images.de

Die Erfahrungen mit der ersten Welle hätten zwar Anlass geben können, die Schließung ausdrücklich zu regeln. Dass der Gesetzgeber dies jedoch noch nicht für erforderlich hielt, habe aber „den ihm zukommenden Spielraum“ nicht überschritten.

Ähnlich hatte das Gericht schon in einem früheren Urteil argumentiert: Der Gesetzgeber habe zunächst mangels Erfahrungen mit dem Virus einen „tatsächlichen Einschätzungsspielraum“ gehabt, wie er Maßnahmen auswählt und bewertet.

Auch im Fall des sächsischen Fitnessstudios bestätigte das Gericht die Klausel als taugliche Rechtsgrundlage. Geklagt hatte hier der Inhaber ein Sport- und Freizeitcenters mit angeschlossenem Restaurant- und Hotelbetrieb, zu dem auch ein Fitness- und ein Ballsportbereich gehörten.

Hier sah das Gericht aber einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, weil die sächsische Verordnung zwar Ausnahmen beim Amateur- und Freizeitsport berücksichtigte – etwa beim Sport allein oder mit dem eigenen Hausstand – dies aber nicht für Fitnessstudios vorsah.

„Einen tragfähigen Grund, der die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt“, hieß es.  Die Schließung von Gastronomiebetrieben und das Verbot von Übernachtungsangeboten für touristische Zwecke seien dagegen nicht zu beanstanden.

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