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Im Schatten des Streiks. Reisende am Berliner Hauptbahnhof.

© Paul Zinken / dpa

Update

GDL-Chef Weselsky zum Streiken eingeladen: Andreas Scheuers letzter großer Fehler

Das Arbeitsgericht Frankfurt lehnt ein Verbot ab. Dennoch geht es beim GDL-Streik um mehr als Tariffragen. Minister Scheuer muss nun eingreifen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caspar Schwietering

Nun ist der Streik der Lokführer also vor Gericht gelandet. Der Schritt dürfte zum Kalkül von Bahn-Personalvorstand Martin Seiler gehört haben. Als er der GDL am späten Mittwochnachmittag eine Corona-Prämie bis zu 600 Euro anbot und eine kürzere Vertragslaufzeit von 36 statt 40 Monaten, lief der Streik im Güterverkehr bereits. Etwas mehr als acht Stunden später sollte auch der Streik im Personenverkehr beginnen.

GDL-Chef Claus Weselsky konnte deshalb kaum noch zurück. Wer so agiert, erwartet nicht wirklich, dass sein Gegenüber auf das Angebot eingeht. Am Donnerstagmorgen schickte Seiler dann die vorbereitete Klage ans Arbeitsgericht in Frankfurt am Main.

Dennoch überzeugt Weselskys Begründung nicht, warum er das Angebot ablehnt. Er wolle nicht verhandeln, weil die Deutsche Bahn ihm (wie bei der letzten Tarifrunde) nur Tarifverträge für das Fahrpersonal angeboten habe, erklärte der GDL-Chef am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin.

Weselsky sieht seine Koalitionsfreiheit verletzt, weil die GDL inzwischen auch Stellwerker und Werkstattmitarbeiter und andere Berufsgruppen im DB-Konzern vertreten will. Das Argument klingt plausibel, bis man sich ansieht, wer sich am GDL-Streik beteiligt hat.

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Bei der GDL streiken fast nur Lokführer

Laut einer internen Statistik der Deutschen Bahn nahmen an der zweiten Streikrunde gerade einmal 40 Fahrdienstleister, 40 Disponenten und 21 Signaltechniker teil. Von einer wirksamen Organisation ist die GDL in diesen Berufsgruppen also weit entfernt. Die Konkurrenzgewerkschaft EVG ist hier viel stärker. Aufgrund des Tarifeinheitsgesetzes würde in den entsprechenden DB-Betrieben ihr Tarifvertrag gelten.

Bei der Deutschen Bahn hält man Weselskys jüngste Äußerung deshalb auch für eine „Nebelkerze“. Martin Seiler will die Streiks vor Gericht nun verbieten lassen, weil es „bei diesem Arbeitskampf mehr um rechtliche und politische Themen“ gehe. Weselskys Interview lieferte zusätzliche Argumente.

Doch das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main lehnte den Eilantrag am Donnerstagabend ab. Abgeschlossen ist der Rechtsstreit damit noch nicht - die Deutsche Bahn kann beim Landesarbeitsgericht Revision einlegen.

Unabhängig von der juristischen Bewertung: Natürlich geht es Weselsky auch um politische Fragen. Er sieht seine GDL im „Existenzkampf“ gegen das verhasste Tarifeinheitsgesetz, das den Einfluss von Spartengewerkschafen zurückdrängen soll. Die entscheidende Vorlage hat ihm dabei ausgerechnet Verkehrsminister Andreas Scheuer gegeben. Im Frühjahr 2020 schloss der CSU-Politiker mit der Deutschen Bahn und der EVG das „Bündnis für unsere Bahn“.

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Nullrunde bei der EVG

Der Deal dabei: Die EVG erklärte sich für 2021 zu einer Nullrunde beim Gehalt bereit. Der DB-Konzern wiederum verkaufte dies der Bundesregierung als Beitrag zur Konsolidierung nach der Coronakrise und bekam im Gegenzug frisches Eigenkapital.

Allen Beteiligten hätte klar sein müssen, dass dieser Deal ohne GDL-Beteiligung fatale Folgen haben würde. Weselsky bot das „Bündnis“ die perfekte Gelegenheit, die EVG als „Hausgewerkschaft“ zu diffamieren und mit einem heftigen Arbeitskampf und einem besseren Abschluss um neue Mitglieder zu werben. Trotz Tarifautonomie sollte Scheuer deshalb als Vertreter des Eigentümers in den Konflikt eingreifen.

Der Bahnvorstand braucht ein Signal, dass er sich nicht an die im Bündnis vereinbarte Nullrunde für 2021 halten muss. Damit wären zwar alle Bündnispartner und insbesondere die EVG maximal düpiert, aber gut schaut in diesem Konflikt schon lange niemand mehr aus.

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