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Die Netflix-Serie „The Crown“ wurde auch in Deutschland zum Publikumsrenner.

© Des Willie/Netflix

Britische Serien bei Netflix und Co.: Gefahr für „kulturelle Vielfalt“ in Europa?  

Die Briten gehören auf dem Filmsektor weiter zu Europa – Brexit hin oder her. Doch es gibt Bestrebungen in Brüssel, dies zu ändern.

Britische Netflix-Serien wie „The Crown“ haben sich auch bei EU-Bürgern im vergangenen Corona-Winter großer Beliebtheit erfreut. Das ist kein Wunder – denn die EU ist für britische Filmproduktionen nach den USA der zweitwichtigste Markt. Allerdings wird nach dem Brexit in Brüssel darüber nachgedacht, ob der hohe Anteil britischer Produktionen im Rahmen der Quoten für europäische Werke im Fernsehen und den Streaming-Plattformen weiterhin gerechtfertigt ist.

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Laut der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste müssen europäische Produktionen den Großteil bei der Sendezeit der TV-Sender und mindestens 30 Prozent bei Plattformen wie Netflix und Amazon ausmachen. Dabei werden auch britische Publikumsrenner wie „The Crown“ oder „Downton Abbey“ in die Europa-Quote einberechnet. Denn obwohl das Vereinigte Königreich nach dem Brexit für die EU inzwischen ein Drittland ist, gelten die audiovisuellen Inhalte von der Insel gemäß der EU-Richtlinie immer noch als „europäische Werke“.

Der Grund für Einbeziehung britischer Filmproduktionen in die Europa-Quote: Großbritannien gehört zwar nicht mehr zur EU, wohl aber zum Europarat – einer Organisation, die neben den EU-Ländern auch Staaten wie Bosnien-Herzegowina oder die Ukraine umfasst. Auch Großbritannien unterstützt nach wie vor eine Vereinbarung des Europarats über das grenzüberschreitende Fernsehen aus dem Jahr 1989.

Englisch gilt weiter als „Lingua franca“

Die britische Mitgliedschaft beim grenzüberschreitenden Fernsehen in Europa ist durchaus im wirtschaftlichen Interesse des Vereinigten Königreichs. Denn gerade bei den Video-on-Demand-Diensten wie Netflix und Amazon finden britische Produktionen in der EU einen leichten Zugang zum Publikum, weil die englische Sprache in der Gemeinschaft nach wie vor als „Lingua franca“ gilt – Brexit hin oder her. Umgekehrt lohnen sich britische TV-Serien in der Regel erst dann richtig für die Produzenten, wenn sie anschließend innerhalb der EU vermarktet werden können.

Auf Streaming-Diensten wie Netflix sind britische Produktionen gut vertreten.
Auf Streaming-Diensten wie Netflix sind britische Produktionen gut vertreten.

© Dado Ruvic/REUTERS

Allerdings stößt diese Win-win-Situation nicht überall in der EU auf Gegenliebe. In einem Arbeitspapier des portugiesischen EU-Vorsitzes, das dem Tagesspiegel vorliegt, wird vor einem „disproportionalen Anteil von Inhalten aus dem Vereinigten Königreich an der europäischen Quote bei den Video-on-Demand-Diensten“ gewarnt.

In dem Papier, das bei einer Sitzung der Botschafter der 27 EU-Staaten am 8. Juni auf dem Tisch lag, wurde auf Angaben der audiovisuellen Informationsstelle des Europarates verwiesen, denen zufolge die Hälfte der auf den Streaming-Diensten verfügbaren TV-Produktionen aus Großbritannien stammen. Dies könne laut dem Papier des EU-Vorsitzes die „kulturelle Vielfalt“ gefährden, die in der EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste festgeschrieben ist.

Ob sich unter EU-Mitgliedstaaten tatsächlich eine Mehrheit für eine Neubewertung des britischen Anteils an den europäischen Filmproduktionen findet, ist fraglich. Allerdings machen nach dem Brexit in Brüssel vor allem Vertreter Frankreichs mobil, um die britische Medienpräsenz zurückzudrängen.

Aktionsplan der Kommission könnte als Hebel dienen

Als Hebel könnte dabei ein Aktionsplan dienen, den die EU-Kommission im vergangenen Dezember vorstellte. Die Brüsseler Behörde möchte nach der Pandemie Medien EU-weit wirtschaftlich wieder auf die Beine helfen. Jüngst brachte die französische Europaabgeordnete Laurence Farreng einen Änderungsantrag zum Aktionsplan ein. Darin regte sie an, noch einmal an der Definition „europäischer Werke“ zu arbeiten.

Aus französischer Sicht dürfte eine Neudefinition „europäischer Werke“ vor allem ein Stoßrichtung haben: zu Lasten britischer Produktionen, die bislang auf diesem Sektor weiter zu Europa gehören.

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