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Der Supermarkt in der südfranzösischen Stadt Trèbes, in den der Geiselnehmer eingedrungen ist.

© REUTERS

Update

Geiselnahme in Trèbes beendet: IS reklamiert Terrorakt für sich - Merkel sichert Frankreich Unterstützung zu

Geiselnahme in Südfrankreich: Der Attentäter wurde nach Angaben des Innenministeriums erschossen. Zuvor starben bei dem Anschlag mindestens drei Menschen, zwei weitere wurden verletzt.

Ein bekennender Islamist hat in Südfrankreich mindestens drei Menschen getötet und drei weitere verletzt. Eine Spezialeinheit der Gendarmerie erschoss den Täter am Freitag in einem Supermarkt in der Kleinstadt Trèbes, wie Innenminister Gérard Collomb am Tatort mitteilte. Der 26-jährige Marokkaner hatte sich dort zuletzt mit einer Geisel verschanzt. Die französische Regierung geht von einem Terroranschlag aus. Nach Angaben der französischen Staatsanwaltschaft bekannte sich der Täter zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Auch die IS-Miliz selbst erklärte später über ihr Sprachrohr Amaq, einer ihrer "Soldaten" sei für den Angriff verantwortlich.

Der französische Innenminister Collomb sprach von einem Einzeltäter, der den Sicherheitskräften bekannt gewesen sei. Sie hätten ihn zwar observiert, hätten aber keine Radikalisierung feststellen können. Collomb sagte, der junge Mann sei "unerwartet zur Tat geschritten". Er sei als Dealer und Kleinkrimineller aktenkundig gewesen. Demnach stammte er aus der rund zehn Kilometer von Trèbes entfernten Stadt Carcassonne.

Dort stahl der Marokkaner nach Erkenntnissen der Ermittler am Freitagvormittag zunächst ein Auto. Er tötete einen der Insassen und verletzte den Fahrer. Kurze Zeit später habe er einen Polizisten mit Schüssen verletzt, der mit Kollegen vom Joggen zurückkam. Er fuhr daraufhin in das nahe gelegene Trèbes und überfiel den Supermarkt, wo er zwei weitere Menschen tötete. Ein Augenzeuge sagte aus, der Täter habe "Allahu Akbar" (Gott ist groß) gerufen, als er den Laden der Kette "Super U" gegen 11.15 Uhr überfiel. Er sei mit Messern, einer Schusswaffe und Handgranaten bewaffnet gewesen.

Gendarm ließ sich gegen letzte Geisel austauschen

Aus Ermittlerkreisen hieß es, den meisten Kunden und Angestellten sei die Flucht gelungen. „Ich habe Schüsse gehört, aber ich habe ihn nicht gesehen“, erzählte ein Metzger dem Nachrichtensender BFMTV. Der Handwerker konnte sich über einen Hintereingang des Supermarkts in Sicherheit bringen. Andere Geiseln retteten sich in eine benachbarte Autowerkstatt. Einige Kunden und Mitarbeiter des Supermarkts hätten sich in der Werkstatt versteckt, berichtete eine Angestellte dem Radiosender RTL. Die Leute seien ruhig geblieben, denn sie hätten gewusst, dass sie in Sicherheit waren.

Sicherheitskräfte riegelten die Stadt mit rund 5 500 Einwohnern komplett ab. Viele Bewohner waren unter Schock. „Alles ist blockiert“, sagt eine Frau dem Sender France Inter. „Keiner darf jemanden abholen. Ich muss zuhause bleiben.“

Eltern wurden aufgerufen, ihre Kinder nicht aus der Schule abzuholen. Die Schüler seien in Sicherheit und würden versorgt, versicherten die Behörden. Sie befürchteten, dass der Angreifer Komplizen haben könnten. Letztlich stellte sich heraus: Es war ein Einzeltäter.

Ein Großaufgebot von Polizisten riegelte den 5000-Einwohner-Ort daraufhin ab, Hubschrauber überflogen den Tatort. Ein Gendarm ließ sich nach Angaben des Innenministers gegen eine noch verbliebene Geisel austauschen. Er wurde schwer verletzt. Der Beamte ließ sein Telefon mit einer offenen Verbindung auf einem Tisch liegen. So hätten die Einsatzkräfte hören können, was sich im Supermarkt abspielte. Als Schüsse fielen, seien sie eingeschritten, berichtete Innenminister Gérard Collomb an Ort und Stelle. Er lobte den "Heldenmut" des Beamten.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte nach dem EU-Gipfel in Brüssel: "Alles weist auf einen Terroranschlag hin." Macron sagte weiter, er werde nach Paris zurückreisen und von dort aus alle notwendigen Maßnahmen treffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte dem Nachbarland die Unterstützung Deutschlands zu. "Wo immer wir helfen und unterstützen können, werden wir das tun." Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. "Frankreich wurde erneut von einer feigen und blutigen Tat getroffen", betonte er in Brüssel.

Auch der deutsche Außenminister Heiko Maas gedachte der Opfer und verurteile die Tat in aller Schärfe. „Wir werden weiter entschlossen gegen diese perfide Gewalt kämpfen, die eine gesamte Religion für ihre Zwecke missbraucht und die auf der ganzen Welt Menschen das Leben nimmt.“

Frankreichs Ex-Präsident François Hollande hat sich nach der Geiselnahme im südfranzösischen Örtchen Trèbes an die Angehörigen der Opfer gewandt. „Ich spreche den Familien der Opfer meine Solidarität aus“, erklärte Hollande am Freitag auf Twitter. Die Attacke bestätige, dass die Bedrohung durch den Islamischen Staat in Frankreich weiterhin hoch sei. Die Franzosen rief Hollande zu Wachsamkeit und Zusammenhalt auf.

Gebetswache in Trèbes geplant

Auch die Französische Bischofskonferenz reagierte betroffen auf den Vorfall. „Wieder hat Gewalt unser Land getroffen“, sagte Bischofskonferenz-Sprecher Olivier Ribadeau Dumas. Wo auch immer diese Gewalt herkomme, sie sei inakzeptabel. Das Bistum teilte am Freitagabend mit, dass in der Palmsonntagsmesse der Opfer und ihrer Familienangehörigen gedacht wird. Der Bischof von Carcasonne-Narbonne, Alain Planet, leitet demnach den Gottesdienst in der Kirche Saint Etienne in Trèbes. Dort werde zudem am Donnerstagabend (29. März) eine Gebetswache abhalten. Alain Planet sagte: „Tragische Ereignisse haben unser Departement überschattet.“ Die katholische Gemeinschaft wende sich an die Opfer und ihre Familien und spreche allen ihr Mitgefühl aus. Die Spezialkräfte, die die Geiselnahme beendeten, sind laut dem Bischof ein „perfektes Beispiel“ für selbstlosen Einsatz.

In dem Fall ermittelt die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft in Paris, der leitende Ermittler François Molins begab sich ebenfalls an den Tatort. Frankreich war in den vergangenen Jahren immer wieder Ziel islamistischer Anschläge, dabei kamen insgesamt 241 Menschen ums Leben. Bei der letzten Attacke in Marseille waren am 1. Oktober zwei Menschen getötet worden. Die meisten Toten durch Islamisten gab es bei einer Anschlagsserie im November 2015 in Paris, bei der 130 Menschen starben. (AFP,dpa)

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