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Der Stadt Gutes tun - dem widmen sich seit Jahren die Freiwilligen von "serve the city" und arbeiten ehrenamtlich in Obdachlosenunterkünften und Flüchtlingsheimen oder säubern Parks.

© privat

Gemeinsame Sache 2019: Ohne uns ist alles nichts

Demokratie lebt davon, dass Menschen sich für sie verantwortlich fühlen - das wissen hunderttausende Berliner, die sich für ihre Stadt engagieren.

Der Bewusstseinswandel ist eine Schnecke. Das gilt für die Klimadebatte. Das gilt auch für die Hauptstadt des Mülls und der Zigarettenkippen, des abgekippten Bauschuttes oder am Bordstein rottenden Fernsehern. Bei der Unlust, Sperrmüll kostenlos bei der Stadtreinigung abzuliefern, nimmt sich Neukölln nicht viel mit Pankows Hipster-Kiezen - dort wird nur die abgeranzte Couch mit einem „zu verschenken“-Schild drapiert, als tue man damit Gutes.

So einhellig sich Berliner über die dreckige Stadt ärgern, so wenig hat sich lange Jahre getan. Das soll anders werden. Wer Sperrmüll illegal entsorgt oder den Grill samt Unrat im Park zurücklässt, muss künftig mit deutlich strengeren Strafen rechnen, hat der Senat jetzt beschlossen. Die Kippe soll bis zu 120 Euro kosten, die entsorgte Matratze 500 Euro, für Hundekot auf dem Gehweg werden 300 Euro fällig. Auch soll das Bußgeld in allen Bezirken endlich gleich hoch sein.

Hört sich gut an. Entscheidend ist aber, ob es durchgesetzt wird. Es wäre fatal, wenn es bloße Ankündigung bleibt. Denn gegenwärtig bietet sich die Gelegenheit, die Stadtgesellschaft mitzunehmen.

Manches spricht dafür, dass in Berlin ein Klimawandel der besseren Art in Gang gekommen ist. Immerhin haben die Ordnungsämter der Bezirke 102 zusätzliche Stellen erhalten und die Arbeitszeit wurde bis 24 Uhr verlängert. Und seit die BSR die meisten größeren Parkanlagen reinigt, sind diese sichtbar sauberer geworden.

Natürlich dürfen Steuerzahler erwarten, dass die Verantwortlichen im Senat alles tun für eine saubere und gepflegte Stadt. Aber auch hier gilt, dass das Bewusstsein das Sein bestimmt. Ohne die Berliner ist alles nichts.

Solange die Menschen es nicht zu ihrer eigenen Sache machen und akzeptieren, dass es ihre Stadt ist, mit der sie pfleglich umgehen müssen, wird sich wenig ändern. Staatliches Handeln und eine engagierte Bürgerschaft bedingen einander. Wenn die Stadtbewohner dazu nicht bereit sind, bleiben alle Anstrengungen vergebens, eine dauerhafte Verbesserung zu erreichen.

Ein Klimawandel der besseren Art

Dafür gibt es durchaus Hoffnung - trotz immer wieder empörender Fälle von Vermüllung. Es hat Jahre gebraucht, inzwischen ist jedoch unübersehbar, dass es für eine Mehrheit der Hundebesitzer selbstverständlich ist, die Hinterlassenschaft ihrer Lieblinge einzusammeln.

[Wer noch mehr über ehrenamtliches Engagement in Berlin erfahren will: Der neue Tagesspiegel-Newsletter Ehrensache erscheint monatlich, immer am zweiten Mittwoch. Hier kostenlos anmelden: ehrensache.tagesspiegel.de]

Auch die Zahl der Initiativen wächst, die sich ihrer Nachbarschaft annehmen: Sie pflegen lange vernachlässigte Grünanlagen und Plätze, sie kümmern sich um Spielplätze oder verbessern das soziale Kiezklima mit Urban-Gardening-Projekten. Es sind dabei in vielen Fällen gerade die Neu-Berliner, die sich hier hervortun - weil sie es aus ihrer alten Heimat gewohnt sind, sich bürgerschaftlich zu engagieren, oder weil sie als Geflüchtete der neuen Heimat Berlin etwas zurückgeben wollen.

Bei den Freiwilligentagen „Gemeinsame Sache“, die der Tagesspiegel und der Paritätische Wohlfahrtsverband organisieren, ist diese Vielfalt in allen Bezirken zu erleben.

Die Stadt der Freiheit zu sein, das feiert Berlin anlässlich des Mauerfall-Jubiläums. Gefallen ist die Mauer, weil Menschen für diese Freiheit eintraten. Dass Demokratie davon lebt, dass Menschen sich für sie verantwortlich fühlen, wissen auch Hunderttausende Berliner, die sich ehrenamtlich engagieren für eine Stadt der Lebensfreude und der Hilfsbereitschaft. Mit langem Atem einen Bewusstseinswandel wachsen zu lassen - sie machen vor, wie es gehen kann.

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