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Abenddämmerung im „Haus Hannover“: Was an den Gerüchten über einen Rückzug Stephan Weils dran ist
Wie lange bleibt Stephan Weil (SPD) noch Ministerpräsident von Niedersachsen? Parteifreunde rechnen mit einem Rückzug auf Raten. Möglicher Nachfolger ist Wirtschaftsminister Olaf Lies.
Stand:
„Nö!“ – Norddeutsch knapp antwortete Stephan Weil im Januar, auf die Frage im Tagesspiegel-Interview, ob er einen verfrühten Abschied aus dem Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten plane.
Ein paar mehr Worte fand der sozialdemokratische Regierungschef damals mit Blick auf Rheinland-Pfalz, wo ja Weils Parteifreundin Malu Dreyer 2024 ihr Amt als Ministerpräsidentin aufgegeben hatte, um klar vor der Wahl für ihren Nachfolger Alexander Schweitzer Platz zu machen.
„Ist das auch ein Modell für Sie, vor der Landtagswahl 2027?“, fragten wir damals, und Weil sagte: „Meine Planungen haben sich nicht geändert. Ich bin viel in Niedersachsen unterwegs, fühle mich wohl und anerkannt. Meine Arbeit macht mir Spaß und sie erscheint mir sinnvoll.“
Spannung vor SPD-Parteitag im Mai
In der SPD hingegen ist sich längst nicht mehr jeder sicher, ob Stephan Weil wirklich bis zur Landtagswahl 2027 im Amt bleiben wird. Mit Spannung schauen die Genossen auf den niedersächsischen SPD-Landesparteitag, der am 24. Mai in Wolfenbüttel stattfinden wird.
Speziell auf den Tagesordnungspunkt 15, „Wahl des/der Landesvorsitzenden“. Hier könnte eine Vorentscheidung fallen. Oder sogar schon in den nächsten Tagen, um eine Klausurtagung des SPD-Landesvorstandes?
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Weil, 66, Ministerpräsident seit 2013, führt Niedersachsens SPD seit 2012. Drei Landtagswahlen in Folge hat Weil gewonnen. Zuerst regierte er mit dem Juniorpartner CDU, nun mit den Grünen.
Bisher hat Weil nur erklärt, 2027 nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten. Ob er abermals für den Parteivorsitz kandidieren wird, lässt er offen. Weil weiß genau, dass ein angekündigter Rückzug vom SPD-Vorsitz in Niedersachsen die Frage mit sich bringt, wie er es denn mit seinem Amt als Ministerpräsident halte.
Erst die Partei, dann die Staatskanzlei?
Weil werde wohl nicht erneut für den SPD-Landesvorsitz kandidieren, heißt es in niedersächsischen SPD-Kreisen. Die SPD reagierte auf eine Tagesspiegel-Anfrage nach möglichen Bewerbungen nicht. Favorit für die Nachfolge ist Wirtschaftsminister Olaf Lies, 57 Jahre alt. Sollte es so kommen, wäre es ein Hinweis darauf, dass Lies Weil in der Staatskanzlei beerben und SPD-Spitzenkandidat wird.
Auch Lies schweigt zu diesen Fragen. Eine Tagesspiegel-Anfrage vom Freitag, ob er um den SPD-Landesvorsitz bewerben werde, ließ er unbeantwortet.

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Selbst niedersächsische Sozialdemokraten, die Weil wohlgesonnen sind, rechnen damit, dass er im Mai seinen Parteivorsitz und deutlich vor der Landtagswahl im Herbst 2027 die Staatskanzlei an einen Nachfolger abgeben wird.
Auch wenn er in internen Runden oft gesagt haben soll, er wolle die Legislaturperiode vollenden. „Stephan Weil will immer alles im Griff haben“, heißt es in der SPD. Sollte ihm jetzt der selbstbestimmte Auszug aus der Politik entgleiten?
Dienstältester SPD-Ministerpräsident
Weil ist der dienstälteste sozialdemokratische Ministerpräsident. Seit 2024, seit dem Rückzug Malu Dreyers, koordiniert er seine „roten“ Amtskollegen. Unter allen 16 Regierungschefs sind nur Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg, Grüne) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt, CDU) länger als Weil im Amt.
„Weil ist hoch strategisch“, antwortet ein niedersächsischer SPD-Politiker auf die Frage, ob Weil bis 2027 Ministerpräsident bleiben werde. Weil weiß wohl, dass ein Amtsbonus helfen kann, die Landtagswahl 2027 zu gewinnen. In der letzten Umfrage lag die SPD mit 25 Prozent hinter der CDU (30 Prozent). Weil und die SPD hatten 2022 respektable 33,4 Prozent geholt.
In Weils Umfeld wird auf die zahlreichen Aktivitäten des Ministerpräsidenten verwiesen. Gerade erst sei er zurück von einer Delegationsreise nach Südamerika, demnächst reise er nach Polen und im Herbst in die USA. Über „Spekulationen“ äußere sich Weil nicht. Der Hinweis, er werde in jedem Falle während der gesamten Legislaturperiode regieren, ist aber ebenso wenig zu hören.
Die Forderung der CDU nach Neuwahlen, sollte Weil vorzeitig gehen, will Weil nicht einmal kommentieren, so abwegig sei sie. CDU-Fraktionschef Sebastian Lechner, 44, sieht seine Chance, den „Swing State“ Niedersachsen zurückzuerobern. Er rief Weil jüngst mit einem hämischen Unterton zu: „Dass Sie nun nach 13 Jahren so von Ihrer Partei aus dem Amt gedrängt werden sollen, da hätte ich mir ehrlicherweise für Sie etwas Besseres gewünscht.“
Berliner Ambitionen zeigte Weil nie
Wer Weil erlebt, ob im jüngsten Wahlkampf oder zum Interview, kann Lustlosigkeit bei ihm nicht erkennen. Weil legt Wert auf Fitness und Sport, steht, wie er selbst sagt, jeden Morgen um 5.30 Uhr auf.
Dass aber nicht etwa Weil, sondern die Ministerpräsidentinnen Anke Rehlinger (Saarland) und Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) gerade über die schwarz-rote Koalition im Bund verhandeln, ist in der SPD aufmerksam registriert worden. Auch wenn Weil nie Berliner Ambitionen gezeigt hat. Mehrmals hätte er SPD-Chef werden können, Kanzlerkandidat wohl auch.
Und Olaf Lies, sein möglicher Nachfolger? Der war sogar schon einmal SPD-Landesvorsitzender, vor Weil. Damals bemühte er sich bereits um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl, unterlag in einem Mitgliederentscheid knapp Weil. Weil übernahm den Landesvorsitz und holte nach der gewonnenen Wahl 2013 Lies als Wirtschaftsminister in sein Kabinett. Das Verhältnis der beiden zueinander gilt als intakt.
Lies kommt aus dem Friesland, er gilt als „Kümmerer“, ist beliebt. Einst kämpften die Bezirke innerhalb der niedersächsischen SPD gegeneinander. Der kleine Bezirk Weser-Ems, aus dem Lies stammt, hatte oft das Nachsehen gegenüber den mächtigen Hannoveranern.
Womöglich gebe es in Hannover Ressentiments gegen Lies, sagt ein altgedienter Sozialdemokrat, der beide Männer gut kennt. Der Jurist, Ex-Staatsanwalt und Ex-Kämmerer Weil hat den Ruf, Ordnung zu lieben, stets auf Nummer Sicher zu gehen.
Lies hingegen, sagt dieser Kenner der Niedersachsen-SPD, sei spontaner als Weil, risikobereit, zuweilen unstrukturiert. Sympathien bei der Basis haben beide.
Sollte Weil sein Amt als „MP“ abgeben, müsste sich der Nachfolgekandidat im Landtag der Wahl stellen. Ohne die Grünen, den kleinen Koalitionspartner der SPD, geht dort nichts. Bisher hat Stephan Weil wenig dem Zufall überlassen.
Die Unruhe in Niedersachsens SPD rüttelt an den Grundfesten der ganzen Sozialdemokratie. Wenn ihr größter funktionierender Landesverband schwächelt, muss das Parteichef Lars Klingbeil und Generalsekretär Matthias Miersch umtreiben. Die beiden sind übrigens: Niedersachsen.
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