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Der griechische Premier Alexis Tsipras ist zurückgetreten.

© Reuters

Griechenland: Alexis Tsipras, der Januskopf

Das Rücktrittsmanöver von Alexis Tsipras hat vor allem ein Ziel: Griechenlands Premier will die Linke in der Syriza-Partei kaltstellen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Alexis Tsipras ist immer wieder für Überraschungen gut. Der griechische Premier ist zurückgetreten und hat den Weg für Neuwahlen freigemacht. Dass es früher oder später nach der Freigabe der ersten Kredittranche der Gläubiger zu Neuwahlen kommen würde, war absehbar. Es ist etwas anderes, das in Athen und im Rest der EU aufhorchen lässt: der Schwenk zum Realpolitiker, den Tsipras auch wieder bei seiner Rücktritts-Rede deutlich werden ließ. Der neue Kreditvertrag mit den Gläubigern sei zwar nicht der gewesen, den er erhofft habe, sagte Tsipras, aber „die beste Vereinbarung, die wir unterzeichnen konnten“. Wer hätte gedacht, dass ein Politiker, der einst angetreten war, das verhasste „Memorandum of Understanding“ zu zerreißen, einmal so sprechen würde?

Die entscheidende Frage, die sich vor den Neuwahlen nun stellt, lautet: Worum geht es Tsipras? Will er die Linke in seiner Partei kaltstellen? Oder möchte er sich doch bei den anstehenden Reformen einen schlanken Fuß machen? Es spricht viel dafür, dass der Syriza-Chef in erster Linie stabile Verhältnisse in seiner Partei herstellen will und die Quertreiber, die die Regierungsmehrheit bei den letzten Abstimmungen zunichte machten, loswerden möchte. Bei der Syriza-Linken ist die Botschaft inzwischen auch schon angekommen. Ihre Protagonisten wollen eine eigene Partei gründen.

Tsipras gibt weiter Rätsel auf

Trotzdem dürfte Tsipras vielen Beobachtern auch in den kommenden Monaten ein Rätsel bleiben. Es wäre nicht überraschend, wenn er auch weiterhin versöhnliche Botschaften in beide Richtungen aussenden würde, ins linke Lager und an die Adresse der Gläubiger. Wie einem Januskopf scheint es Tsipras zu gelingen, gleichzeitig in zwei Richtungen zu schauen. Sein jüngster Vorstoß, künftig das EU-Parlament an den Kontrollen durch die Geldgeber-Institutionen zu beteiligen, liefert einen Vorgeschmack auf die künftigen Kämpfe, die er mit den Geldgebern noch ausfechten möchte.

Gleichzeitig mag man sich wundern, dass Tsipras in der griechischen Bevölkerung immer noch so beliebt ist, obwohl er eine Vereinbarung mit den Kreditgebern ausgehandelt hat, die noch viel weiter geht als alle bisher dagewesenen Reformprogramme. Fast drängt sich der Eindruck auf, dass vielen Wählern der Schein – ein hartes Auftreten gegenüber den Gläubigern – wichtiger ist als das Sein – nämlich Steuererhöhungen und weitere Rentenkürzungen, welche die Bevölkerung erst nach und nach zu spüren bekommen werden.

Entscheidend für Tsipras’ unangefochtene Stellung ist aber wohl, dass die Griechen, nachdem sie im Juli in den Abgrund des „Grexit“ geschaut haben, zu der Einsicht gekommen sind: Die weitere Mitgliedschaft im Euro ist nicht ohne den Preis einer echten Modernisierung ihres Landes zu haben. Und möglicherweise ist Tsipras – trotz aller Verwirrung, die er immer wieder auslöst – der Richtige, um den Umbau Griechenlands so zu gestalten, wie man dies schon von seinen Vorgängern eigentlich hätte erwarten können.

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