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Abschied vom Leben ist ein Grundrecht, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

© dpa/Rainer Jensen

Grundrecht auf Suizidhilfe: Wer den Tod will, braucht keine Regeln

Vor drei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht Suizidhilfe zum Grundrecht erklärt. Daraus ein Gesetz zu machen, ist schwierig – um nicht zu sagen: überflüssig.

Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen, meinte der französische Staatstheoretiker Montesquieu. Der Mann hat recht, hatte aber wohl noch keine Idee davon, was in der Zukunft alles als „notwendig“ erachtet werden könnte.

Zum Beispiel, wie wir sterben. Am Sonntag ist es drei Jahre her, dass einer der natürlichsten Vorgänge der Welt auf höchstem Niveau verrechtlicht wurde.

Da entschied das Bundesverfassungsgericht: Erstens, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein Recht auf selbst bestimmtes Sterben umfasse. Zweitens, dass dieses Recht auch die Freiheit umfasse, sich das Leben zu nehmen. Drittens, dass die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, auch die Freiheit umfasse, sich dabei helfen zu lassen. Der Bundestag hält es für notwendig, dazu ein Gesetz zu machen.

Das Karlsruher Diktum hört sich revolutionär an, ist es aber nicht. Denn klar, es kann – außer nach religiösen Vorschriften – niemandem verboten werden, sich zu töten. Ein letzter Akt der Selbstbestimmung liegt darin ebenfalls – wenngleich man darüber nachdenken kann, wie selbst bestimmt etwas sein kann, das unausweichlich ist. Und wer selbst Hand an sich legt, kann auch andere Leute Hände an sich legen lassen. Man kennt das aus dem Prinzip einvernehmlicher Sexualität.

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Gesetzentwürfe zur Regelung der Sterbehilfe liegen dem Bundestag vor.

Mit drei Gesetzentwürfen müht sich das Parlament, seit das Verfassungsgericht das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt hat. Der schärfste der drei Entwürfe will das Verbot erneuern und mit Ausnahmen versehen, ein bisschen so wie bei der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Die beiden anderen suchen mildere Mittel und Wege, Suizidprävention mit dem Recht zu versöhnen, Suizid zu begehen.

Alle drei Entwürfe sind kompliziert. Sterben wird mit Gesetzen schwieriger als ohne. Ohne Gesetze ist Sterbehilfe auch möglich, wie sich an den Tätigkeiten aktiver Sterbehelfender zeigt. Skandale oder Missstände, die dieses Wort verdient hätten, sind keine bekannt geworden. Suizid ist auch nicht „normal“ geworden, wie mancher befürchtete.

Was ist notwendig? Suizidhilfe zu verbieten, ist unmöglich geworden. Um Suizidhilfe zu ermöglichen, braucht es kein Gesetz. Beim Sterben gibt es keine Dringlichkeit, und kein Gesetz ist besser als ein schlechtes.

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