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Die Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt am Freitag auf ihrer Pressekonferenz zur Fraktionsklausur "Zukunftswerkstatt".

© dpa

Fraktionsklausur "Zukunftswerkstatt": Grüne suchen Harmonie und finden Streit

Eigentlich sollte die Fraktionsklausur der Grünen unter dem Titel "Zukunftswerkstatt" in Weimar harmonisch werden. Aber dann machte der linke Flügel ihnen einen Strich durch die Rechnung. Er will nicht, dass die Partei in die Mitte rückt.

Der gemeinsame Ausflug nach Weimar sollte möglichst harmonisch werden. Unter dem Motto „Zukunftswerkstatt“ hatten die Grünen sich vorgenommen, bei ihrer Fraktionsklausur in Weimar Visionen für Deutschland im Jahr 2030 zu entwickeln. Nach dem anstrengenden Jahr 2014, bei dem die Flügel über Lehren aus der Bundestagswahl gestritten hatten und die neue Führungsspitze Tritt fassen musste, war den Abgeordneten offenbar nicht nach großer Kontroverse zumute.
Doch ausgerechnet am letzten Klausurtag sorgten zwei Vertreter des linken Parteiflügels für eine kleine Provokation: Die verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion, Agnieszka Brugger veröffentlichte zusammen mit NRW-Landeschef Sven Lehmann ein Positionspapier, in dem sie ihre Partei davor warnen, sich zu stark in die Mitte zu bewegen. „Wir Grüne können und wollen es nicht allen recht machen, wir wollen uns nicht an alle und jeden ohne Mut und eigene Ideen ankuscheln“, fordern sie ihre Parteifreunde auf. Die Frage des „sozialen Ausgleichs“ gehöre ins Zentrum der politischen Diskussion. Vom letzten Grünen-Parteitag sei der Eindruck geblieben, dass „wesentliche Teile des programmatischen Grundkonsenses“ der letzten Jahre nach und nach in Frage gestellt würden, kritisieren die beiden Parteilinken.

Linke und Rechte streiten über die Schuld an der Wahlniederlage

Die Thesen, die auf einem Kongress des linken Parteiflügels im März diskutiert werden sollen, sind an sich nicht überraschend. Seit der Bundestagswahl streiten Realos und Linke darüber, welchen Anteil die Steuer- und Sozialpolitik an der Niederlage hatten. Pikant ist der Zeitpunkt: Die Autoren veröffentlichen ihren Beitrag ausgerechnet an dem Tag, an dem die Fraktionsspitze später ihre „Weimarer Erklärung“ vorstellte. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter gibt sich unbeeindruckt: In der Partei gebe es „viele Blogbeiträge“, dieser sei zudem „etwas veraltet“, sagt er. Doch auf den Fluren in der Weimar-Halle äußern einige Abgeordnete ihren Unmut über die Aktion. Schließlich waren Grundsatzstreitigkeiten in den letzten Tagen außen vor geblieben. Selbst das Lockangebot von Gregor Gysi an SPD und Grüne, an einer Koalition mit der Linkspartei für 2017 zu arbeiten, hatte nicht zu größeren Auseinandersetzungen geführt, auch wenn es unterschiedlich bewertet wird.
Einig sind sich die Abgeordneten in ihrer Kritik an der großen Koalition: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lege „Mehltau“ über die Gesellschaft, nach mehr als neun Jahren Kanzlerschaft diskutiere die Gesellschaft nicht mehr kontrovers über die Zukunft des Landes, heißt es in dem Beschluss der Fraktion. Die Abgeordneten versprechen stattdessen einen „Aufbruch in ein grünes 2030“, sowie „Handwerk mit Vision“.
Zu den Schwerpunkten, die sich die Fraktion für dieses Jahr vorgenommen hat, gehören der Klimaschutz, der ökologische Umbau der Wirtschaft, sowie Zukunftsinvestitionen. Zur Agrarwende beschlossen die Abgeordneten ein Sofortprogramm. „Die industrielle Landwirtschaft zerstört nicht nur die Artenvielfalt und verschwendet und verschmutzt Wasser, quält Tiere in Massenställen, sondern sie bringt zudem für Menschen gefährliche antibiotika-resistente Keime hervor“, heißt es dort. Außerdem spricht sich die Fraktion für ein „modernes Einwanderungsland“ aus. Mit Blick auf die Terroranschläge in Paris mahnt Hofreiter:  „Wir dürfen nicht zulassen, dass Terroristen unsere gemeinsamen europäischen Werte der offenen Gesellschaft verändern.“

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