
© Marie Staggat für den Tagesspiegel/Archiv
Grünen-Politiker mahnt „sensible“ Strategie an: Özdemir nimmt Merz nach „Stadtbild“-Aussagen in die Pflicht
Der Grünen-Politiker räumt mancherorts „unerträgliche Zustände“ ein. Die pauschalen Aussagen des Kanzlers lehnt er allerdings ab. Deutlichere Kritik kommt von Özdemirs Parteichefin.
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Knapp eine Woche nach den aufsehenerregenden Aussagen von Bundeskanzler Friedrich Merz zu „Problemen im Stadtbild“ wird weiter über die migrationspolitischen Äußerungen des CDU-Chefs debattiert. Vor allem von Linken und Grünen kommt heftiger Widerspruch.
Der Spitzenkandidat der Grünen für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, Cem Özdemir, schlägt indes moderatere Töne an – allerdings kritisiert er Merz für die pauschale Wortwahl und erinnert den Kanzler an dessen besondere Verantwortung.
„Er ist ja nicht teilnehmender Beobachter, sondern ist der Kanzler des Landes“, sagte Özdemir am Sonntagabend in der ARD im „Bericht aus Berlin“. Als solcher könne Merz „einen Beitrag dazu leisten, dass irreguläre Migration runtergeht“.
Zudem hätte Merz „besser auf beide Sicherheitsprobleme hingewiesen“, mahnt Özdemir. Demnach sei es einerseits im Osten ein Problem, „wenn Sie nicht aussehen wie Nachfahren von den Wikingern“. Zum anderen gebe es im Westen „offensichtlich ein Problem mit irregulärer Migration“.
Viele Menschen scheuen öffentliche Verkehrsmittel nachts (...) Das sind einfach unerträgliche Zustände, damit haben wir uns zu beschäftigen.
Cem Özdemir, Grünen-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg
Überdies monierte Özdemir, dass Merz’ Aussagen die Falschen adressierten. „Er hätte besser davon gesprochen, dass wir das Problem der irregulären Migration lösen müssen“, sagte der Grünen-Politiker.
Özdemir mahnt „sensible“ Herangehensweise an
Zugleich befürwortete Özdemir grundsätzlich die sicherheitspolitische Debatte. Das Thema müsse aber „unglaublich sensibel“ angegangen werden, denn „man redet über Menschen“. Daher sollte nicht pauschalisiert werden.
Allerdings sei „völlig klar“, dass es nicht sein könne, dass man „so ein Problem nicht adressiert“ – schließlich herrsche Umfragen zufolge eine große Verunsicherung im öffentlichen Raum.
„Viele Menschen scheuen öffentliche Verkehrsmittel nachts, insbesondere Frauen haben spätabends Angst, in Bahnhöfe zu gehen. Das sind einfach unerträgliche Zustände, damit haben wir uns zu beschäftigen“, sagte der ehemalige Bundesminister. „Wenn wir es nicht machen, dann ist es quasi ein Wahlaufruf, AfD zu wählen.“
Grünen-Chefin kritisiert Merz scharf
Deutlich schärfere Worte kamen sodann am Montag von Özdemirs Parteivorsitzender Franziska Brantner. Es sei nicht akzeptabel und unverantwortlich für einen Kanzler, „einfach mal pauschal Millionen Deutsche unter Generalverdacht zu stellen“, sagte die Grünen-Chefin.
„Wir brauchen einen Kanzler, der verbindet und nicht einen Kanzler, der in rätselhaften Sätzen spricht, die alle unter Verdacht stellen und dann auf irgendwelche Töchter verweist“, sagte Brantner.
Zuvor hatte Merz seine „Stadtbild“-Äußerung vehement verteidigt. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. „Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal: Wir müssen daran etwas ändern und der Bundesinnenminister ist dabei, daran etwas zu ändern und wir werden diese Politik fortsetzen.“
Wer seine Töchter frage, werde auf die Frage, was er mit seinen Äußerungen gemeint habe, vermutlich „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ bekommen, sagte Merz nach einer zweitägigen Strategietagung des CDU-Präsidiums in Berlin. (Tsp)
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