zum Hauptinhalt
Der Abbau klimaschädlicher Subventionen kostet den Staat pro Jahr Milliarden und das Klima Millionen Tonnen CO2.

© imago/Hans Blossey

Gutachten zu klimaschädlichen Subventionen: Umwelthilfe wirft Wirtschaftsministerium monatelange Geheimhaltung vor

Subventionen wie das Dienstwagen- oder Dieselprivileg sind politisch stark umstritten. Ein Bericht über mögliches Einsparpotenzial soll schon seit Monaten fertig sein, so der Vorwurf der Umweltorganisation.

Stand:

Die steuerliche Begünstigung von Dieselfahrzeugen, Dienstwagen, tierischen Produkten und Co. schaden Deutschland finanziell wie ökologisch massiv. Einem am Montag auf der Website des Öko-Instituts veröffentlichten und vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Bericht zufolge belaufen sich jährliche klimaschädliche Subventionen auf mehr als 35 Milliarden Euro.

Bis 2030 dürften hierzulande dadurch etwa 156 Millionen Tonnen mehr CO₂-Äquivalente ausgestoßen werden als ohne diese Vergünstigungen, und zwar vor allem im Verkehrssektor.

In dem über 150 Seiten langen Bericht mit dem Titel „Quantifizierung der Treibhausgaswirkung von staatlichen Begünstigungen in Deutschland“ und deutlich detaillierter als im Subventionsbericht haben die Forschenden den Effekt klimaschädlicher (und klimafreundlicher) Subventionen auf den Treibhausgasausstoß ermittelt und so Fakten für eine politische Diskussion um den weiteren Umgang damit geschaffen. Fakten, die gerade in Zeiten klammer Kassen und langwieriger Haushaltsdebatten von Bedeutung sind – und schon früher vorlagen?

Umwelthilfe spricht von Geheimhaltung

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warf dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am Montag vor, dass die Arbeit an dem Gutachten schon im November abgeschlossen gewesen sein soll. Erst nach Einleitung rechtlicher Schritte durch die DUH sei der Bericht durch das BMWK freigegeben und auf der Webseite des Auftragnehmers „still und heimlich“ hochgeladen worden, so der Vorwurf.

156
Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zusätzlich würden bis 2030 ausgestoßen.

Das Ministerium erklärte Mitte Juli, das Gutachten sei bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gewesen. Dem Nachrichtenportal „Table Media“ zufolge soll ein Mitautor dagegen bestätigt haben, dass im November wesentliche inhaltliche Arbeiten bereits abgeschlossen gewesen seien. Das soll auch das BMWK daraufhin eingeräumt haben. Dort hieß es, es sei danach lediglich um Begrifflichkeiten gegangen. Auch vom Öko-Institut wird als Datum des Abschlusses der Untersuchung der 10. November 2023 angegeben, für den „Abschluss der fachlichen Bearbeitung“ der 31. Juli 2024.

„Es macht sprachlos, dass ein Bericht zum Abbau klimaschädlicher Subventionen nicht nur geheim gehalten wurde, sondern dazu auch auf unseren Informationsantrag die falsche Aussage erfolgte, der Bericht liege noch nicht in einer finalen Fassung vor“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Montag. Anstatt Geld und Treibhausgasemissionen einzusparen, täusche die Bundesregierung die Öffentlichkeit. Die Umweltorganisation hat zuletzt mehrfach gegen die Klimapolitik der Bundesregierung geklagt. Neben der DUH sprachen sich am Montag auch Greenpeace und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) für ein Ende der milliardenschwerer Subventionen aus.

Verkehrsbereich verschlingt am meisten

Deutschland hat sich im Rahmen der G7-Staaten verpflichtet, bis 2025 alle für die Senkung der Treibhausgasemissionen ineffizienten Subventionen auf fossile Energieträger abzubauen. Die Ampelkoalition hatte sich im Koalitionsvertrag selbst vorgenommen, „umwelt- und klimaschädliche Subventionen“ abzubauen und so „zusätzliche Haushaltsspielräume“ gewinnen zu wollen. Unabhängig davon, ob bewusst zurückgehalten oder nicht: Das am Montag veröffentliche, über 150 Seiten lange Gutachten von Öko-Institut, Fraunhofer ISI und weiteren Forschungseinrichtungen, stellt den quantitativen Zusammenhang zwischen Subventionen und ökologischen Folgen klar heraus.

Dem Bericht zufolge subventioniert Deutschland klimaschädliche Technologien mit 35,8 Milliarden Euro pro Jahr. Der mit Abstand größte Anteil entfällt mit 24,8 Milliarden Euro auf den Verkehrssektor. Danach folgen Landwirtschaft (4,7 Milliarden Euro), Industrie (4,1 Milliarden Euro) und der Energiesektor (2,1 Milliarden Euro). Werde diese Vergünstigung aufrechterhalten, so der Bericht, würden bis 2030 etwa 156 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente zusätzlich ausgestoßen.

14.08.2024

Dazu trägt vor allem der Verkehrssektor bei. Durch die Abschaffung der Steuervergünstigung für Diesel-Kraftstoff ließen sich bis 2030 25,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen und jährlich 9,6 Milliarden Euro mehr einnehmen. Auch die Entfernungspauschale (16,4 Millionen Tonnen CO2-Äq und 5,3 Milliarden Euro Mehreinnahmen) sowie die Pauschalbesteuerung privat genutzter Dienstwagen (7,9 Millionen Tonnen CO2-Äq und 6,1 Milliarden Euro Mehreinnahmen) fallen ins Gewicht.

Weiteres Einsparpotenzial gäbe es dem Bericht zufolge durch die Abschaffung der Vergünstigungen für Unternehmen bei den Energiesteuern (26,8 Millionen Tonnen) und der Stromsteuer (25,2 Millionen Tonnen) sowie die Streichung des vergünstigten Mehrwertsteuersatzes auf tierische Produkte wie Fleisch (17 Millionen Tonnen).

Den klimaschädlichen stehen aber auch klimafreundliche Subventionen gegenüber, etwa die Förderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft. Dadurch sollen bis 2030 insgesamt 40,4 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente eingespart werden. Auch die Bundesförderung für effiziente Gebäude soll die Emissionen um insgesamt 53,6 Millionen Tonnen reduzieren.

Der Abbau klimaschädlicher Subventionen, wie ihn vor allem die Grünen fordern, ist in der Ampel-Koalition umstritten. Die Bundesregierung erklärte am Montag keine unmittelbaren Schlüsse aus dem Gutachten ziehen zu wollen. Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Habeck erklärte, es handle sich um eine Bestandsaufnahme und eine Diskussionsgrundlage – nicht um ein Reformpapier. Ähnlich äußerten sich das Verkehr- sowie Finanzministerium, in dessen Zuständigkeit Subventionen des Bundes fallen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })