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Kanzlerkandidat Robert Habeck (Grüne) wirft in der Bundestagsdebatte der Union Wortbruch vor.

© Kay Nietfeld/dpa

Habeck fordert eine „Vollstreckungsoffensive“: Nun wollen auch die Grünen migrationspolitisch punkten

Je grüner eine Position, desto unverfänglicher klingt sie. Diesen Effekt versucht Robert Habeck für sich zu nutzen. Mit seinem Zehn-Punkte-Plan hält er die Themen Asyl und Migration in der Debatte.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Wer die Themen der Rechten übernimmt, stärkt die Rechten: Dieser Satz ging Grünen bislang schnell über die Lippen, wenn es gegen Konservative zu wettern galt, die bei Asyl und Migration zu punkten versuchten. Ihm folgte die Mahnung, dass der Wähler das Original bevorzugt, nicht die Kopie.

Der Fachbegriff dafür heißt „issue ownership“. Wenn sich die mediale Aufmerksamkeit auf Themen richtet, die mit einer Partei wie der AfD assoziiert werden, profitieren von dieser Aufmerksamkeit die Themenbesitzer.

Nun hat Robert Habeck – Vizekanzler, Grünen-Kanzlerkandidat, Klimaschutz- und Wirtschaftsminister – einen Zehn-Punkte-Plan zur Bekämpfung der Migrationskrise und Stärkung der inneren Sicherheit vorgelegt. Das Papier enthält wenig Neues. Behörden und Polizei sollen mehr Befugnisse bekommen, Asylbewerber bei Ankunft auf „psychische Erkrankungen“ untersucht werden.

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Details erläuterte Habeck via „Bild“

Grenzschließungen oder Zurückweisungen an den Grenzen lehnt Habeck ab. Stattdessen fordert er: „Wir brauchen eine Vollstreckungsoffensive mit Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten.“ Details erläuterte er via „Bild“.

Das mit den „Islamisten“, die von Habeck nicht näher definiert werden, erinnert in seiner Unausgegorenheit ein wenig an die Forderung der Union, kriminellen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen. CSU-Chef Markus Söder sagte dazu als Beispiel: Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitze, zugleich aber ein Kalifat einrichten wolle, „dem muss sie wieder entzogen werden“.

Was Söder verschwieg oder nicht wusste: Die Forderung nach einem Kalifat ist zwar verfassungsfeindlich, aber von der Meinungsfreiheit gedeckt. Strafrechtliche Relevanz können entsprechende Rufe oder Plakate nur erlangen, wenn konkrete Umsetzungspläne vorliegen und aktiv verfolgt werden. 

Positionen, die einst als „rechts“ galten, werden gesellschaftskonform

Nun geht Habeck der Ruf voraus, ein Guter zu sein. Wenn er von einer „Vollstreckungsoffensive“ spricht, wird das weniger kritisch aufgenommen, als wenn dieselbe Forderung von Friedrich Merz oder gar Alice Weidel erhoben würde. Je grüner eine Position, desto unverfänglicher klingt sie.

Doch genau dieser Effekt führt zu einer größeren Akzeptanz gegenüber migrationsverschärfenden Initiativen, nach dem Motto: Wenn schon einer wie Habeck so etwas fordert, ist es wohl wirklich höchste Zeit. Auf diese Weise werden Positionen, die einst als „rechts“ galten, gesellschaftskonform.

Aber stimmt der Satz, dass wer Themen der Rechten übernimmt, nur die Rechten stärkt? Die Studien ergeben kein einheitliches Bild. Als Prototyp der Gegenposition gilt Dänemark.

Dort war die rechtspopulistische „Dänische Volkspartei“ einst stark, bis die Sozialdemokraten sich ebenfalls für eine strikte Begrenzung des Zuzugs von Flüchtlingen und Migranten aussprachen. Daraufhin ebbte die Zustimmung für die „Dänische Volkspartei“ ab.

Na klar, erwidern die Kritiker, wenn sich das gesamte politische Spektrum nach rechts verschiebt, braucht es keine Rechtspopulisten mehr. Und in Frankreich etwa hat es den Mitte-Rechts-Parteien gar nichts genützt, auf Themen wie Migration und nationale Identität zu setzen. Marine Le Pen wurde trotzdem immer stärker.

Den Grünen galt bislang die Entwicklung in Frankreich als Mahnung. Nun preist Habeck das dänische Modell als Verheißung an. Vielleicht hofft er auch nur auf eine schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass er seinen Zehn-Punkte-Plan ins zeitliche Umfeld des CDU-Parteitages platzierte.

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