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„Haben meine volle Unterstützung“: Arbeitgeberpräsident ruft Junge Gruppe zu Standhaftigkeit auf
Rainer Dulger stellt sich bei der Rente an die Seite der jungen Unionsabgeordneten. Der BDA-Präsident warnt vor einer „Versündigung“ an der nächsten Generation. Vizekanzler Lars Klingbeil verteidigt das Paket.
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Der Arbeitgebertag ist nach Aussage des ausrichtenden Bundesverbands die wichtigste Veranstaltung der gesamten deutschen Wirtschaft. Geht es sonst um bezahlbare Energie, weniger Bürokratie und mehr Innovationen, steht er dieses Jahr in Berlin vorwiegend im Zeichen des schwarz-roten Rentenstreits.
Nach 22 führenden Ökonomen haben sich nun auch die Arbeitgeber an die Seite der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion gestellt. „Wenn jetzt noch das Rentenniveau auf 48 Prozent eingefroren wird, versündigen wir uns an der kommenden Generation“, sagte Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) in Berlin. „Das ist nicht mehr nachvollziehbar.“
Der Heidelberger Unternehmer verwies darauf, dass der Bund schon heute jeden Tag 350 Millionen Euro für Zuschüsse zur Rente aufwende. Durch das von der Bundesregierung geplante Rentenpaket aus unter anderem Haltelinie und Mütterrente kämen in den nächsten 15 Jahren über 200 Milliarden dazu. „Das ist Geld, was für Investitionen, Bildung für junge Menschen und die Zukunft des Landes fehlt“, sagte Dulger: „Wenn das junge Abgeordnete zum Thema machen, haben sie meine volle Unterstützung.“ An sie appellierte er, standhaft zu bleiben.

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Die Mitglieder der Jungen Gruppe um Pascal Reddig und Johannes Winkel (beide CDU) lehnen das schwarz-rote Rentenpaket in seiner aktuellen Form weiter ab. Aus ihrer Sicht geht es über den Koalitionsvertrag hinaus und verursacht Mehrkosten im dreistelligen Milliardenbereich. Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf im Oktober auch mit den Stimmen der Unionsminister beschlossen.
„Kabinettsbeschlüsse können geändert werden“, sagte Dulger: „Wenn sie falsch sind, muss das Parlament sie ändern.“ Die Fraktionschefs von Union und SPD haben am Montag bekräftigt, das Paket noch dieses Jahr zur Abstimmung zu stellen.
Winkel fordert Gesprächsbereitschaft von SPD
Zuspruch erhielt Dulger auch von Winkel selbst. Begleitet von dem bis dahin stärksten und häufigsten Beifall des Tages verteidigte der Junge-Union-Chef seine Ablehnung des Pakets. „Man darf nicht einseitig Lasten in die Zukunft schieben, bei denen jetzt schon klar ist, dass man sie in Zukunft nicht tragen kann und deswegen dann nur noch ganz brutale Einschnitte übrig bleiben“, sagte Winkel am Dienstagmittag auf der Hauptbühne.
Man müsse endlich anfangen, den demografischen Wandel ernst zu nehmen. „Wir haben ihn viel zu lange vor uns hergeschoben.“
Winkel warb für eine andere Reihenfolge in der Rentenpolitik. „Wenn die SPD beteuert, sie will hundertprozentig sicher eine große Rentenreform machen und die schon im Sommer, dann kann man sich die Frage stellen, warum man ein Rentenpaket nicht einfach um ein halbes Jahr verschiebt und zuerst über Reformen spricht und dann verbindliche Kosten beschließt“, sagte der CDU-Politiker. Erneut forderte Winkel die SPD zu Gesprächen auf. „Am Ende müssen sich beide Seiten bewegen.“
Vizekanzler Lars Klingbeil, der auf dem Arbeitgebertag nach Winkel sprach, wies die Forderung zurück. „Ehrlicherweise, ich rede über nichts anderes“, sagte der SPD-Politiker. Doch man habe sich auf ein Rentenpaket geeinigt. „Das haben wir stundenlang in Koalitionsverhandlungen besprochen.“ Auch als Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) den Gesetzesentwurf im Oktober in das Bundeskabinett eingebracht hat, habe es keinen Widerspruch gegeben. Für größere Reformen verwies Klingbeil auf die Arbeit der Rentenkommission. „Da kommt alles auf den Tisch.“
Auch Bas verteidigte die Rentenpläne der Regierung später erneut als Gesamtpaket, zu dem auch die Haltelinie zähle. „Ich erwarte, dass diese Vertragstreue für alle Beteiligten gilt“, sagte die Arbeitsministerin an die Junge Gruppe gerichtet. Wie Klingbeil sicherte auch Bas grundlegende Reformbereitschaft zu. „Wir haben alle den festen Willen, dass wir zu wirklichen Reformen kommen.“
Höheres Renteneintrittsalter ab 2031?
Dazu dürfte auch die Erhöhung des Renteneintrittsalters zählen. Für Winkel ist das nur der zweite Schritt. Arbeitgeberpräsident Dulger sprach sich am Morgen dafür aus. „Wenn die Menschen älter werden, muss die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben werden“, sagte der Arbeitgeberpräsident. Die Möglichkeit, mit 63 abschlagsfrei in Rente zu gehen, müsse abgeschafft werden.
Dem schloss sich auch Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche an. „Wir müssen dafür sorgen, dass die tatsächliche Regelaltersgrenze erreicht wird“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstagvormittag in Berlin. Reiche verwies darauf, dass Menschen aktuell im Schnitt im Alter von 64,7 Jahren in Rente gehen würden, die Regelaltersgrenze dagegen bei 67 Jahren liege. Sie plädierte dafür, das Renteneintrittsalter nach 2031 an die Lebenserwartung zu koppeln. Dänemark und Schweden machten das bereits vor. „Das können wir auch“, sagte Reiche.
Zum Rentenpaket äußerte sie sich nicht direkt, sondern allgemein. „Ich bin mir nicht immer sicher, ob wir bei der Analyse der Situation tatsächlich kein Erkenntnisproblem haben“, sagte Reiche. Ihre Einschätzung sei, dass die Dramatik und Ernsthaftigkeit der aktuellen Lage nicht ausreichend wahrgenommen würden.
In Berlin hat die Bundesvereinigung der Arbeitgeber (BDA) am Dienstag zum alljährlichen Arbeitgebertag geladen. Über 1000 Spitzenvertreter aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nehmen daran teil. Mit entsprechendem Aufgebot tritt auch die Bundesregierung dort auf: Gleich fünf Bundesministerinnen und -minister sowie der Bundeskanzler nehmen an der Veranstaltung im Berliner Kongresszentrum teil.
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