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Auch Katja Suding von der FDP berichtet von Anfeindungen unter der Gürtellinie.

© Fabian Sommer/dpa

Abgeordnete machen AfD verantwortlich: Hass, Sexismus, Drohungen – Alltag für Frauen im Bundestag

„Geh doch zurück an den Herd“, zählt einer Umfrage zufolge zu den harmloseren Anfeindungen weiblicher Abgeordneter. Migrantinnen sind besonders betroffen.

Viele Parlamentarierinnen des Bundestags erleben alltäglich Frauenfeindlichkeit. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung auf eine eigene Umfrage. Befragt wurden demnach alle 222 weiblichen Bundestagsabgeordneten. Sie sollten berichten, ob und wie sie Frauenfeindlichkeit erleben, wie sie die gesellschaftliche Situation einschätzen und ob sie Handlungsbedarf sehen. 64 Abgeordnete, also ein gutes Viertel, haben nach Angaben des Blattes Fragen beantwortet. Sie stammen aus allen Fraktionen, nur AfD-Frauen antworteten demnach nicht.

Die meisten Frauen verwiesen bei der zunehmend frauenfeindlichen Atmosphäre im Parlament auf die AfD, so das Magazin. Wenn eine Frau rede, werde der Lärmpegel höher, es werde gequatscht, laut und derb dazwischengerufen, so eine Beobachtung der Betroffenen. Die weibliche Sitzungsleitung werde nicht begrüßt, Parlamentarierinnen würden ungefragt geduzt.

Im Plenum und selbst in den kleineren Ausschüssen habe Sexismus und Antifeminismus eine neue Qualität erreicht, seit die extrem Rechten im Bundestag vertreten seien. „Aus der AfD gibt es sowohl von Männern als auch von Frauen respektlose Kommentare zur Kleidung weiblicher Abgeordneter wie zum Beispiel ,Was hat die denn heute noch vor?' oder ,Die will es aber wissen'“, berichtet Katja Suding von der FDP.

Eine Unionsabgeordnete, die anonym bleiben möchte, schreibt: „Auch die längst vergessen geglaubten ,lustigen Frauenwitze' werden wieder sorgloser zum Besten gegeben, ebenso die Infragestellung der fachlichen Qualität von Frauen in der Politik.“

Tabea Rößner von den Grünen berichtet von „persönlichen Angriffen, die unter die Gürtellinie gehen“, von Sätzen wie ,Die gehört in die Geschlossene' oder ,Geh doch zurück an den Herd'.“

Frauen sehen Rückschritt für Gleichberechtigung

61 Prozent der Parlamentarierinnen betrachten der Umfrage zufolge „die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen als Rückschritt für die Stellung und Freiheit von Frauen“. Die Corona-Krise habe das noch verstärkt, betonten mehrere Abgeordnete.

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Eine CSU-Frau, die anonym bleiben möchte, hält die Berichte über die Zunahme von Sexismus und Gewalt gegen Frauen „für eine enorm beunruhigende Entwicklung“. „Mit dem Rechtsruck kam auch ein Rückschritt in der Gleichberechtigung“, urteilt Anke Domscheidt-Berg (Linke).

Das Klima sei durch die Rechten vergiftet, so viele weibliche Abgeordnete.
Das Klima sei durch die Rechten vergiftet, so viele weibliche Abgeordnete.

© Imago Images/Political-Moments

69 Prozent der Politikerinnen sagen der Umfrage zufolge, sie erlebten „frauenfeindlichen Hass als Bundestagsabgeordnete“. 64 Prozent bekommen demnach entsprechende Nachrichten, meist online, einige aber auch per Post. 36 Prozent haben „Angriffe auf sich, ihre Büros oder ihren Wohnsitz“ erlebt. Genau die Hälfte musste die Bundestagsverwaltung oder die Polizei einschalten. Fast ein Drittel, 30 Prozent, erhöhte der Umfrage zufolge die Sicherheitsmaßnahmen bei Veranstaltungen.

Hassnachrichten werden nicht mal anonym geschickt

Eine Unionsabgeordnete, die anonym bleiben möchte, berichtet beispielsweise von „Beleidigungen wie ,Hure‘, Verwünschungen, von Flüchtlingen vergewaltigt zu werden, und Androhungen, dass ‚9 mm‘ im Wahlkreis auf mich warten würden“. Inzwischen verzichtet sie auf „auffällige Werbung am Wahlkreisbüro“, bei ihren Veranstaltungen muss man sich persönlich anmelden, ein Sicherheitsdienst kontrolliert den Einlass.

Ute Vogt von der SPD schreibt, dass Hassnachrichten nicht anonym geschickt würden: „Erst kürzlich wurde ich unter Nennung von Namen und Postanschrift als ‚dreckige Flüchtlingshure‘ und ‚widerliches Stück Scheiße‘ beschimpft.“ Außerdem habe sie zuletzt eine „Schmiererei am Stromkasten vor dem Haus“ entdeckt, und ein Stalker sei in ihren Garten eingedrungen.

Parlamentarierinnen mit Migrationshintergrund sind demnach besonders betroffen: Żaklin Nastić von der Linken berichtet etwa, dass sie ständig Kommentare zu ihrer Herkunft bekomme: „Polnische Haushaltskraft zum Mindestlohn gesucht!“ Auch werde ihr häufig die Intelligenz abgesprochen: „Warum wurde das Mädel bei der Hirnvergabe so gnadenlos beschissen?“ (Tsp, epd)

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