
© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur
Haushalt wird festgezurrt : Der mächtigste Ausschuss verteilt ein letztes Mal
Bei der Bereinigungssitzung am Donnerstag geht es um viel Geld – für das Land, aber auch für die Mitglieder des Haushaltsausschusses. Eine Studie zeigt, wie man von einem Posten profitiert.
Stand:
Wenn am Freitagmorgen die Chefhaushälter der fünf Bundestagsfraktionen vor die Hauptstadtpresse treten, haben sie ihre Arbeit getan – und zwar schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. In der gleichen Reihenfolge wie schon vor zwei Monaten (Haushalt 2025) werden sie in der Bundespressekonferenz ihre Sicht auf den Bundeshaushalt für das Jahr 2026 darlegen.
Den Anfang an den Mikrofonen macht Michael Espendiller (AfD), wie schon im September ganz allein. Es folgen gemeinsam Sebastian Schäfer (Grüne) und Dietmar Bartsch (Linke) sowie zum Abschluss Christian Haase (CDU) und Thorsten Rudolph (SPD).
Haushalt von 520 Milliarden Euro
Hinter ihnen wird die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses liegen, die am Donnerstagnachmittag mit drei Stunden Verspätung begann und sich normalerweise bis tief in die Nacht zieht. Denn dann legen die 42 Mitglieder noch einmal letzte Hand an die Etatplanung des kommenden Jahres. Sämtliche Einzelpläne des Bundeshaushalts werden erneut aufgerufen und etwaige Änderungen mit den jeweiligen Ministern beraten sowie abgestimmt. Der Bundestag muss dem Ende November nur noch zustimmen.
Konkret plant Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) mit Ausgaben von über 520 Milliarden Euro. Ein Drittel davon soll über Kredite finanziert werden. Am Montag hat Klingbeils Parlamentarischer Staatssekretär Dennis Rohde dem Ausschuss die über 1000 Seiten lange Bereinigungsvorlage vorgelegt. Sie enthält hunderte Änderungen an Klingbeils Entwurf.
Wie am Donnerstag kurz vor Sitzungsbeginn bekannt wurde, soll die defizitäre Pflegeversicherung ein Darlehen von 1,7 Milliarden Euro erhalten, sodass der Pflegesatz nicht weiter erhöht werden muss. Für die Ukraine soll es drei Milliarden Euro mehr an militärischer Unterstützung geben; für die Beschaffung von Munition 3,6 Milliarden weniger, da die Rüstungshersteller Lieferprobleme haben. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) darf sich über 7,8 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen für eine mögliche staatliche Beteiligung am Stromnetzbetreiber Tennet freuen. Gleichzeitig muss sie auf Milliarden im Bereich Mikroelektronik verzichten, sodass Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) über 475 Millionen zusätzlich mehr für den Straßenbau ausgeben kann. Dieser Deal wurde schon im Koalitionsausschuss im Oktober eingefädelt.
All diese und etliche weitere Verschiebungen werden im Haushaltsausschuss noch einmal diskutiert und final abgenickt. Er ist einer von sechs Ausschüssen, die es qua Gesetz in jeder Legislaturperiode geben muss. Die Fraktionsspitzen nominieren auch hier nach Regionalproporz, Flügelzugehörigkeit und fachliche Expertise. Wer es einmal in den Haushaltsausschuss geschafft hat, bleibt dort in der Regel auch. Bettina Hagedorn (SPD) gehört ihm seit über 22 Jahren an. Weniger als ein Drittel der Sitze werden nach einer Wahl neu besetzt.
Es ist eines der mächtigsten Gremien im Deutschen Bundestag. Denn die Mitglieder können Ausgaben blockieren oder von Bedingungen abhängig machen. Keiner weiß mehr darüber, wofür die Regierung ihr Geld ausgeben will. Zudem entscheiden sie am Ende mit darüber, wohin hunderte Milliarden Bundesmittel fließen und wohin nicht.
Mehr Mittel für den eigenen Wahlkreis
Groß ist offenbar nicht nur der Einfluss auf die Mittelverwendung insgesamt, sondern auch seine regionale Verteilung. So hat die Ökonomin Anina Harter in einer aktuellen Studie herausgefunden, dass sich eine Mitgliedschaft im Haushaltsausschuss positiv auf den Fluss von Fördergeldern auswirkt.
Dafür hat die Wissenschaftlerin der Berliner Hertie School über 4600 Förderprojekte der letzten 24 Jahren untersucht. Konkret handelt es sich dabei um Programme zur Förderung kommunaler Kultur- und Freizeitangebote. Sie belaufen sich auf einen Wert von insgesamt 3,2 Milliarden Euro, also nur einen Bruchteil des gesamten Förderaufkommens. Die Zusagen hat sie den Wahlkreisen zugeordnet.
Dabei zeigte sich: Wahlkreise mit Abgeordnetem im Haushaltsausschuss erhalten doppelt so viel Fördergeld wie solche ohne einen Vertreter in dem Gremium. Unerheblich ist, ob es sich dabei um einen Abgeordneten von Regierung oder Opposition handelt. Unter Schwarz-Gelb galt er auch für SPD- sowie Grünen-Haushaltspolitiker, unter Schwarz-Rot auch für die von FDP und Grünen. Lediglich für AfD- und Linkenpolitiker ließ sich der Zusammenhang nicht statistisch nachweisen.
Im Durchschnitt bringt Harters Berechnungen zufolge ein Sitz im Haushaltsausschuss 337.000 Euro mehr an Fördergeld für den eigenen Wahlkreis pro Jahr. Über eine typische Amtszeit sind es 2,6 Millionen Euro.
Besonders lukrativ scheint ein Posten als Vorsitzende (Lisa Paus, Grüne), Stellvertreter, Berichterstatter oder haushaltspolitischer Sprecher zu sein. Denn bei Mitgliedern in einflussreicher Position ist der Effekt sogar bis zu fünfmal so groß.
Empirisch gesehen dürfte sich die diesmalige Bereinigungssitzung daher insbesondere auch für die Wahlkreise Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf (Lisa Paus), Esslingen (Sebastian Schäfer), Koblenz (Thorsten Rudolph) und Höxter – Gütersloh III – Lippe II (Christian Haase) gelohnt haben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: