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Erste Frau an der Bahnspitze: Evelyn Palla hat bewiesen, dass sie es kann
Evelyn Palla übernimmt die Führung der Deutschen Bahn. Die politischen Versäumnisse der Vergangenheit lasten schwer auf ihr, doch ihre bisherige Bilanz macht Hoffnung.

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Wenn es um kompetente Verkehrspolitiker geht, war Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade verwöhnt. Doch nun hat es der aktuelle Minister Patrick Schnieder geschafft, mit Evelyn Palla eine überzeugende Chefin für die Deutsche Bahn (DB) vorzuschlagen und eine Strategie für das größte deutsche Staatsunternehmen zu erarbeiten, die zwar etwas oberflächlich wirkt, aber viele richtige Punkte enthält.
Dabei ist auch richtig, dass Schnieder die unrealistischen Pünktlichkeitsziele des scheidenden Bahnchefs Richard Lutz kassiert hat. Sie waren mit dieser Infrastruktur, die trotz Sanierungen noch auf Jahre hinaus marode sein wird, nicht zu erreichen – so dramatisch das aus Kundensicht ist.
Ausgerechnet am Montagvormittag lag einmal mehr der Bahnverkehr in Norddeutschland lahm. Oberleitungsschaden. Nur ein Schlaglicht auf die mehr als mangelhafte Zuverlässigkeit des Staatskonzerns. Die Hoffnung auf die neue Bahnchefin ist jedoch berechtigt: Als Chefin von DB Regio drückte sie die Zahl der Zugausfälle um 40 Prozent – und das auch noch nahezu geräuschlos, indem sie alle Beteiligten einbezog.
Die 51-jährige Palla hat bei renommierten Konzernen und den Österreichischen Bundesbahnen gearbeitet. 2019 wechselte sie zur DB. Man kann ihr vorwerfen, dass sie die ewigen Versprechen ihres Chefs Lutz auf Besserung der Lage mitgetragen hat. Aber erstens ist es fast schon ein Kündigungsgrund, dem eigenen CEO in den Rücken zu fallen. Und zweitens hat sie ab 2022 als Chefin von DB Regio bewiesen, dass sie es besser kann als ihr bisheriger Chef, nicht nur in Sachen Verspätung. Aus einem Verlust von 126 Millionen Euro machte sie innerhalb von zwei Jahren einen Gewinn von 97 Millionen Euro.
Management verschlanken
Nebenbei ist die erste Frau an der Spitze nach 190 Jahren Bahngeschichte ein gutes Signal. Prominente Männer waren gehandelt worden, doch Schnieder sagte, Palla habe von allen Kandidaten mit Abstand den besten Eindruck gemacht. In der Tat spricht viel dafür, dass die Südtirolerin an der Spitze der Bahn mehr Veränderungen durchsetzen kann als es unter der ersten deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in 16 Jahren Regierungszeit der Fall war.
Mehr als zehn Management-Ebenen müssen bei der DB heute durchdrungen werden, bis ein Problem von den Beschäftigten, die den Fahrbetrieb aufrechterhalten, bis zum Vorstand vordringt. Klare Verantwortlichkeiten und weniger Entscheidungsstufen sind seit Jahren überfällig. Palla will sie nun endlich umsetzen.
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Auch dass Palla Gemeinwohl und gewinnorientiertes Geschäft im Konzern stärker entflechten will, ist überfällig. Eine saubere Trennung von Infrastruktur in eine DB-unabhängige Gesellschaft und konkurrierende Eisenbahnverkehrsunternehmen wäre die beste Lösung. Aber die konnte die Union gegen die SPD und die Eisenbahnergewerkschaft EVG nicht durchsetzen.
Bis 2035 mindestens 1000 Bahnhöfe sanieren
Zumindest hat Minister Schnieder jetzt in seine Strategie geschrieben, dass Gewinne der DB-Tochter InfraGO in Zukunft ausschließlich der Infrastruktur zugutekommen. Die Quersubventionierung innerhalb des Konzerns könnte damit ein Ende haben. Nur folgerichtig ist auch, dass der Vorstand für Infrastruktur auf DB-Konzernebene abgeschafft wird.
Auch weitere Punkte lassen hoffen: Wenn der Minister ankündigt, dass die Bahn bis 2035 mindestens 1000 Bahnhöfe sanieren, widerspruchsfreie Kundeninformationen und 5G-Mobilfunk an den Strecken anbieten wird, kann man ihm kaum widersprechen.
Bei wichtigen Themen wie dem Steuerungsinstrument Infraplan, dem Eisenbahninfrastrukturfonds, der Planungsbeschleunigung und dem neuen Trassenpreissystem hat Schnieder dagegen Verspätung.
Das Konzept für die Trassenpreise, die den Schienenverkehr enorm verteuern, soll zum Beispiel erst Anfang 2027 in Kraft treten. Die Digitalisierung der Infrastruktur ist Schnieder wichtig, sagt er, doch dass die Bahn auf der wichtigen Strecke Berlin-Hamburg alte Technik verbaut und nicht das moderne Leitsystem ETCS, hat er hingenommen. Bis Deutschland wieder stolz sein kann auf seine Bahn, haben Schnieder und Palla noch viel zu tun.
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