
© Getty Images/E+
Hohe Inflation ein Grund: 13 Millionen Menschen in Deutschland leben unterhalb der Armutsgrenze
Arme werden immer ärmer. Das geht aus dem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands hervor. Besonders betroffen: Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit.
Stand:
Die Armen im Land seien in den vergangenen Jahren spürbar ärmer geworden: Das ist die zentrale Botschaft der neuen Ausgabe des Armutsberichts des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Sie wird am Dienstag veröffentlicht und lag dem Tagesspiegel vorab vor.
Die Zahlen basieren auf Erhebungen des Statistischen Bundesamts. Im Bericht heißt es, zwar sei seit 2020 das mittlere Einkommen von Armutsbetroffenen nominal von 981 auf 1099 Euro gestiegen. Doch wegen der hohen Inflation sei das Einkommen preisbereinigt von 981 auf 921 Euro gesunken.
Im Ergebnis zählt der Paritätische um die 13 Millionen Menschen zu den von Armut Betroffenen. Das sind rund 15,5 Prozent der Bevölkerung und damit 1,1 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit liegt die Quote bei 12,8 Prozent, bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit hingegen bei 30 Prozent.
Die Armutsschwelle liegt bei 1381 Euro im Monat
Am höchsten ist die Quote in Bremen (25,9 Prozent) und in Sachsen-Anhalt (22,3 Prozent), am niedrigsten in Baden-Württemberg (13,2 Prozent) und Bayern (11,8 Prozent).
Die Armutsschwelle liegt demnach für Alleinlebende bei 1381 Euro im Monat, für eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2900 Euro. Dabei geht es jeweils um Nettobeträge.
Im Bericht wird festgehalten, gut 12 Prozent der Armutsbetroffenen könnten sich nicht leisten, ihre Wohnung warmzuhalten. In der nicht-armen Bevölkerung seien es dagegen gut fünf Prozent. Einen einwöchigen Urlaub einmal pro Jahr können sich demnach 49 Prozent der Armen nicht leisten, im Vergleich zu knapp 16 Prozent in der nicht-armen Bevölkerung.
Zugrunde liegt dem Bericht eine Definition, wonach als arm oder armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens zur Verfügung hat, berechnet je nach Haushaltszusammensetzung. Das Median-Einkommen liegt genau in der Mitte zwischen hohen und niedrigen Einkommen und wird, anders als der Durchschnitt, nicht von Ausreißern nach oben oder unten beeinflusst.
Allerdings ist in der Fachwelt umstritten, ob die Messung relativer Armut zielführend ist. Sie sagt wenig über den tatsächlichen Lebensstandard aus oder darüber, ob materielle Grundbedürfnisse befriedigt werden können oder nicht. Wenn alle Menschen gleichermaßen an Wohlstand gewinnen, ändert sich an der Zahl der relativ Armen nichts. Der Paritätische verteidigt das Konzept aber.
Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Verbands, fordert, den Bürgergeld-Regelsatz für eine alleinstehende Person von 563 Euro auf mehr als 800 Euro anzuheben. „Aus den Regelsätzen wird viel zu viel herausgekürzt und weggerechnet; damit ist noch nicht einmal eine gesunde Ernährung möglich“, sagte er dem Tagesspiegel.
Nur elf Prozent der Armutsbetroffenen seien arbeitslos. „Wer das Thema Armut auf eine Debatte um angebliche Arbeitsverweigerer reduziert, verkürzt das Problem und lenkt ab.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: