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Eine amerikanische Soldatin hilft einer Afghanin auf einem US-Luftwaffenstützpunkt in Italien beim Aussteigen aus einer Evakuierungsmaschine.

© Uncredited/U.S. Naval Forces Europe-Africa/AP/dpa

Frauen in Afghanistan: Holt sie da raus!

Feministische Außenpolitik hat zuletzt Fortschritte gemacht - winzige. Jetzt kann die Bundesregierung zeigen, dass sie es ernst meint. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

An Bekenntnissen fehlt es nicht. „Unsere Gedanken sind bei den vielen Frauen, die in diesen Tagen und Stunden um ihr Leben fürchten müssen, weil sie sich politisch engagiert haben“, sagte etwa Angela Merkel in der vergangenen Woche. Armin Laschet forderte, man müsse engagierten Frauen „eine Möglichkeit geben, sobald wie möglich aus Afghanistan herauszukommen“. Er traf sogar eine geflohene afghanische Frauenrechtlerin. Nach der Machtübernahme der Taliban sind Frauen und besonders Frauenrechtlerinnen in Afghanistan bedroht, an Leib und Leben. Aber werden den Bekenntnissen auch Taten folgen?

Frauenrechte sind für die Außenpolitik faktisch Menschenrechte zweiter Ordnung

Menschenrechte spielen in der deutschen Außenpolitik eine untergeordnete Rolle – und Frauenrechte sind in der internationalen Politik faktisch Menschenrechte zweiter Ordnung. Nach wie vor gilt der Kampf für Frauenrechte als „weiches Thema“. Wo sich die deutsche Außenpolitik und die Kanzlerin zuletzt auf der diplomatischen Ebene für Menschen- und Freiheitsrechte einsetzten, ging es vor allem um die „klassischen“ politischen Kämpfe, um Regimegegner im institutionellen Sinn. Bei ihrem wahrscheinlich letzten persönlichen Treffen mit Wladimir Putin forderte Angela Merkel die Freilassung Alexej Nawalnys. Auch die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja hat die Kanzlerin empfangen.

Frauen sind aus der Sicht internationaler Politik immer noch oft "Frauen und Kinder" - also keine Akteurinnen, sondern besonders Schutzbedürftige

Die Anliegen von Frauenrechtlerinnen gelten hingegen eher als eine Sache für die Entwicklungshilfe. Frauen kämen auf der Agenda der internationalen Politik nach wie vor meist als „Frauen und Kinder“ vor, als besonders schutzbedürftige Personen, nicht als Akteurinnen, sagt Sarah Bressan, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der außenpolitischen Denkfabrik „Global Public Policy Institute“.

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Richtig ist, dass der Stellenwert von Frauenrechten in der Außenpolitik in den vergangenen Jahren gewachsen ist, wenn auch auf niedrigem Niveau. „Feministische Außenpolitik“ ist ein eigener Forschungsbereich geworden und wird von aktiven Thinktankerinnen in Regierungen getragen. Auch das Auswärtige Amt arbeitet mit dem „Centre for Feminist Foreign Policy“ dem Zentrum für Feministische Außenpolitik zusammen. Frauen wie dessen Gründerin Kristina Lunz fordern, Frauenrechte und Frauen als Gruppe bei allen außenpolitischen Entscheidungen mitzudenken. Wirklich handlungsleitend aber ist die Verletzung von Frauenrechten bislang nicht geworden. „Das Auswärtige Amt hat sich in ausgewählten Flaggschiffprojekten für Frauenrechte engagiert, institutionell ist das Thema aber weiterhin nicht sehr hoch aufgehängt“, so Sarah Bressan. Undenkbar, dass die Kanzlerin bei einem Gipfeltreffen die Anliegen von Frauenrechtlerinnen öffentlich thematisieren würde.

Für Frauenrechtlerinnen in Afghanistan haben westliche Länder eine ethische und politische Verantwortung

Der Fall Afghanistans an die Taliban wäre die Chance für die jetzige (denn die Zeit drängt) und für die nächste Bundesregierung zu zeigen, dass man es ernst meint. Auch für die Sicherheit von Frauenrechtlerinnen trägt Deutschland ethische und politische Verantwortung. Erst das westliche Engagement machte ihre politische Arbeit möglich, sie wurden von westlichen NGOs unterstützt.

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Zudem sympathisiert die deutsche Öffentlichkeit mit den afghanischen Frauen. Die Bilder von in blaue Burkas gekleideten Frauen waren ein wirkmächtiges Symbol für das gern als „mittelalterlich“ bezeichnete Regime der Taliban und ein willkommenes Argument für die Sinnhaftigkeit des Einsatzes. Man könnte, etwas überspitzt, die These aufstellen: Sowohl in Deutschland als auch in den USA wäre der Rückhalt für diesen „Endless War“, den endlosen Krieg, ohne die Sympathien für die Anliegen der Frauen viel schneller geschwunden.

Was die Bundesregierung jetzt für Frauen in Afghanistan tun kann

Eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit, ihnen zu helfen, wäre ein Sondervisaprogramm. Deutschland könnte sich verpflichten, eine Anzahl von Frauen aufzunehmen, besonders gefährdete Frauen, etwa Regierungsmitarbeiterinnen und Frauenrechtlerinnen, mithilfe von NGOs, Stiftungen und Diplomaten identifizieren und sie evakuieren, solange das möglich ist. Frauen sind aber nicht nur Opfer der Taliban, die humanitäre Hilfe brauchen. Unter einem Regime, das sich ideologisch auf eine misogyne Auslegung der Scharia stützt, sind Frauenrechtlerinnen Regimegegnerinnen. Sie haben ein Recht auf politisches Asyl.

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