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Der Iran brennt.

© dpa/AP/Uncredited

Hunderte Opfer im Iran: Wenn das Regime Verluste zugibt

Die Herrscher im Iran setzen weiter auf Gewalt, um die Proteste niederzuschlagen. Doch der Machtapparat ist nicht so mächtig, wie er es gerne hätte.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Es ist ein vielsagendes Eingeständnis. Durch die seit zweieinhalb Monaten anhaltenden Unruhen im Iran seien mindestens 300 Menschen ums Leben gekommen. Das erklärte jetzt ein hochrangiger Kommandeur der Revolutionsgarden. Das ist die Elitetruppe des Regimes.

General Amir-Ali Hadschisadeh gab sogar überraschend freimütig zu, dass auch Einsatzkräfte und Polizisten getötet wurden. Mit anderen Worten: Der Machtapparat der Mullahs ist doch nicht so mächtig, wie er sich gerne gibt.

Mal abgesehen davon, dass mit Sicherheit sehr viel mehr Menschen getötet wurden – Menschenrechtler sprechen von weit mehr als 400 Toten –, macht das Bekenntnis des Offiziers hinreichend deutlich: Die Menschen, die sich gegen die Repression erheben, lassen sich nicht von der massiven Gewalt ihrer Gegner abschrecken und einschüchtern. Sie wehren sich, tragen ihre Wut und ihren Frust ebenso unbeirrt wie mutig auf die Straßen, geben so ihrem Drang nach Freiheit Ausdruck.

Die paramilitärische Revolutionsgarde ist eine Stütze des Regimes.
Die paramilitärische Revolutionsgarde ist eine Stütze des Regimes.

© dpa/AP/Vahid Salemi

Es ist diese Hartnäckigkeit, von der die Mullahs überrascht wurden. Die sie in Bedrängnis bringt. Die sie glauben lässt, nur mit noch massiverer Gewalt könnten sie der Lage wieder Herr werden. Die sie auf „ausländische Kräfte“ wie Deutschland, die USA oder Frankreich schimpfen lässt, weil sie angeblich für die landesweiten Proteste nach dem Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini verantwortlich sind.

Trotzdem wäre es blauäugig, schon das Ende des islamistischen Gottesstaates auszurufen, so sehr man sich das auch wünschen mag.

Denn wenn es um die Mittel geht, den Aufstand niederzuschlagen, überbieten sich die Hardliner um den greisen Revolutionsführer Ali Chamenei mit ihren Vorschlägen.

Vermutlich wird es in den kommenden Wochen und Monaten also noch mehr staatliche Gewalt geben. Doch die Brutalität kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Islamische Republik ist in ihren Grundfesten erschüttert, ihr Überleben keineswegs ausgemachte Sache.

Denn die Herrscher haben bei einem Großteil der Bevölkerung den Rückhalt verloren. Das gilt vor allem für die junge Generation, die nach der Revolution von 1979 geboren wurde. Auf ihre Forderungen nach einem selbstbestimmten Leben und Mitsprache reagieren die Mächtigen mit schroffer Ablehnung. Darauf lässt sich kein Staat aufbauen.

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