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Ukrainische Soldaten vor einer durch russischen Beschuss zerstörten Antonow An-225 Mriya in Hostomel.

© Mikhail Palinchak/REUTERS

Hunderte Zivilisten fliehen aus Mariupol: Russland konzentriert Offensiven stärker auf den Osten der Ukraine

Nach heftigen Kämpfen rücken die russischen Truppen von Kiew ab. Die Ukraine erwartet nun Angriffe im Osten. Tausenden Menschen gelingt derweil die Flucht.

Stand:

In der sechsten Woche des Ukraine-Krieges ziehen sich die russischen Invasionstruppen vom nordwestlichen Rand der Hauptstadt Kiew zurück und verstärken ihre Angriffe im Osten und Süden des Landes.

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Die ukrainische Armee hat nach Regierungsangaben die Region um die Hauptstadt Kiew wieder vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. „Irpin, Butscha, Hostomel und die gesamte Region Kiew wurden vom Feind befreit“, schrieb Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maliar am Samstag auf Facebook.

Es gebe Luftangriffe auf die Städte Mariupol und Charkiw, sagte der Präsidentenberater Olexij Arestowytsch am Samstag im ukrainischen Fernsehen. Auch die Stadt Tschernihiw nordöstlich von Kiew sei angegriffen worden.

Ukrainische Truppen setzten nach britischen Geheimdienstinformationen russischen Verbänden nach, die sich aus den nordwestlich von Kiew gelegenen Vorstädten Irpin, Bucha und Hostomel zurückzogen.

Auch vom Frachtflughafen Hostomel, der seit Beginn des Krieges am 24. Februar umkämpft war, zogen sich die Invasionstruppen demnach zurück.

[Lesen Sie zudem: Er sollte Einfallstor nach Kiew sein – Der Flughafen Hostomel wird zum Sinnbild des russischen Scheiterns (T+)]

Ukrainische Truppen hätten rund um Kiew mehr als 30 Dörfer zurückerobert, sagte Arestowytsch.

Der ukrainische Generalstab teilte mit, dass russische Truppen auch aus der Sperrzone um das ehemalige Atomkraftwerk Tschernobyl und aus den angrenzenden Gebieten in Belarus zurückgezogen würden. Sie sollten augenscheinlich in das russische Gebiet Belgorod verlegt werden, um von dort aus nach Charkiw vorzustoßen.

Mit Blick auf die Truppenbewegungen sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer neuen Videoansprache, er erwarte heftige Angriffe im Osten. „Russische Soldaten werden in den Donbass geholt. Genauso in Richtung Charkiw.“

Tausende Menschen entkommen aus umkämpften Städten

In der stark zerstörten und seit Wochen belagerten Stadt Mariupol hofften viele der schätzungsweise 100.000 verbliebenen Einwohner auf einen neuen Versuch des Roten Kreuzes, mit Bussen evakuiert zu werden.

Ein Team von neun Helfern brach dazu in der Stadt Saporischschja auf, wie ein Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf mitteilte. Zur Rettung von etwa 500 Menschen sollen an diesem Sonntag zehn Busse eingesetzt werden, wie eine Bürgerinitiative bei Telegram mitteilte.

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Tausenden Menschen ist am Samstag bereits nach Angaben der Regierung in Kiew die Flucht aus umkämpften Städten gelungen. 765 Zivilisten hätten mit eigenen Fahrzeugen die Hafenstadt Mariupol im Südosten des Landes verlassen, teilte Vize-Regierungschefin Irina Wereschtschuk mit.

Fast 500 Zivilisten seien aus der Stadt Berdjansk geflohen. Ziel der Menschen aus beiden Städten sei Saporischschja. Zudem seien in Berdjansk zehn Busse gestartet. Am Sonntag solle die Evakuierung dort fortgesetzt werden, sagte Wereschtschuk.

Auch aus Städten wie Sjewjerodonezk und Lyssytschansk im Luhansker Gebiet im Osten des Landes seien Menschen am Samstag gerettet worden. „Wir arbeiten weiter“, schrieb die Vize-Regierungschefin. Russland hatte seinen Krieg gegen die Ukraine am 24. Februar begonnen.

Schwere Explosionen in Region Dnipro

Weiter nördlich, aus der Umgebung von Dnipro, wurden in der Nacht zum Samstag schwere Explosionen gemeldet, wie das Online-Portal „Ukrajinska Prawda“ unter Berufung auf die Gebietsverwaltung berichtete.

In der Nähe von Dnipro wurde nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums ein Militärflugplatz zerstört, ebenso wie ein weiterer bei Poltawa. Insgesamt seien innerhalb eines Tages 67 militärische Objekte zerstört worden, darunter auch Munitionslager, sagte ein Sprecher des Ministeriums.

Wie alle Berichte aus den Kampfzonen waren die Angaben nicht unabhängig überprüfbar. Trotz der Raketenangriffe - zum Teil von Flugzeugen aus - behauptet die ukrainische Luftwaffe nach eigenen Angaben die Kontrolle über den Luftraum.

„Direktes Gespräch der beiden Staatschefs“ laut Kiew möglich

Selenskyj rief die Bevölkerung im russisch besetzten Süden auf, keine Ämter für das Besatzungsregime anzunehmen. „Meine Botschaft an Sie ist einfach: Die Verantwortung für die Kollaboration ist unausweichlich“, sagte der Präsident. Nach ukrainischen Angaben versucht Russland, in den besetzten Gebieten moskautreue Verwaltungen aufzubauen.

Parallel zu den Kämpfen liefen im Hintergrund auch weitere Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien. Aus Sicht der Regierung in Kiew zeichnen sich erste positive Signale ab.

Mit Blick auf den aktuellen Stand sprach der ukrainische Chefunterhändler David Arachamija am Samstagabend im Staatsfernsehen von einem möglicherweise baldigen Treffen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mit Kremlchef Wladimir Putin.

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Die Entwürfe der entsprechenden Dokumente seien bereits so weit fortgeschritten, dass ein „direktes Gespräch der beiden Staatschefs“ möglich sei. Über den aktuellen Stand der Verhandlungen machte Arachamija jedoch keine näheren Angaben.

„Daher ist unsere Aufgabe zurzeit, die endgültige Fassung der Dokumente und noch offener Fragen auszuarbeiten, um ein eventuelles Treffen der Präsidenten zu ermöglichen“, sagte Arachamija. Sollte das Treffen zustandekommen, werde es wohl in der Türkei abgehalten, entweder in Ankara oder Istanbul.

Selenskyj hat in den vergangenen Wochen wiederholt ein direktes Gespräch mit Putin gefordert, um den von Moskau am 24. Februar begonnenen Angriffskrieg zu beenden. Der Kreml lehnt dies bisher mit dem Hinweis darauf ab, dass Putin eine konkrete Grundlage - im Sinne abgeschlossener Vorverhandlungen - für diese Zusammenkunft fordert.

Während sich die polnische Regierung für eine weitere Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland aussprach, drohte Moskau mit einem Ende der Zusammenarbeit auf der Internationalen Raumstation ISS.

Sollten die USA und andere westliche Staaten ihre Sanktionen gegen Russland nicht zurücknehmen, werde die Moskauer Führung in Kürze Fristen für ein Ende der Kooperation vorschlagen, teilte der Chef der Raumfahrtbehörde, Dmitri Rogosin, über Telegram mit. (dpa)

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