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Sucharit Bhakdi vor dem Prozessgebäude am Dienstag

© dpa/Christian Charisius

Exklusiv

„Ich bin bestürzt“: Antisemitismusbeauftragter Klein empört über Freispruch für „Querdenker“ Bhakdi

Die Entscheidung des Gerichts sei ein Beispiel für Verharmlosung von Antisemitismus in der Justiz, erklärt der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung. Auch der Zentralrat der Juden reagierte mit scharfer Kritik.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat den Freispruch für die „Querdenken“-Ikone Sucharit Bhakdi vom Vorwurf der Volksverhetzung mit Bestürzung aufgenommen. „Die Gerichtsentscheidung ist ein trauriges Beispiel dafür, wie Antisemitismus in der Justiz verharmlost und nicht konsequent genug bekämpft wird“, sagte Klein dem Tagesspiegel.

Das sei in diesem Fall besonders unverständlich, weil das Gericht „durchaus den eindeutig antisemitischen Inhalt von Herrn Bhakdis Aussagen erkannt habe“, erklärte Klein. Der Freispruch normalisiere und verselbstständige Antisemitismus laut Klein in „äußerst bedenklicher Weise“. Das hohe Gut der Meinungsfreiheit dürfe kein Schutzschild für jede Form von Hetze sein, heißt es weiter in dem Statement des Antisemitismusbeauftragten, das dem Tagesspiegel vorliegt. Der 55-Jährige rief darüber hinaus auf, das Urteil zum Anlass zu nehmen, die Justiz noch stärker als bisher in Hinblick auf Antisemitismus zu sensibilisieren.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein.

© picture alliance/Jens Krick

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat ebenfalls mit scharfer Kritik auf den Freispruch für den im „Querdenker“-Milieu gefeierten Mikrobiologen Sucharit Bhakdi in einem Strafprozess in Schleswig-Holstein reagiert. Mit der Auslegung des Begriffs „Volk der Juden“ als vermeintliche Kritik an der israelischen Regierung folge das Gericht dem Narrativ, das jeden Juden überall für die Aktivitäten des Staates Israel verantwortlich mache. Die Argumentationsgrundlage des Gerichts sei „nichts weniger als skandalös“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Mittwoch in Berlin. Das Gericht legitimiere so „reinen Antisemitismus“.

Der durch ein vielfach als haltlos und unwissenschaftlich kritisiertes Buch zur Corona-Pandemie bekannt gewordene Wissenschaftler Bhakdi war am Dienstagabend vom Amtsgericht Plön freigesprochen worden.

Die schleswig-holsteinische Generalstaatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, in einem Interview zum Hass gegen Jüdinnen und Juden aufgestachelt sowie bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel im Zusammenhang mit der Zulassung von Corona-Impfstoffen von einem „zweiten Holocaust“ gesprochen zu haben.

Anklage geht gegen Freispruch vor

Die Anklagebehörde kündigte am Mittwoch ihrerseits an, juristisch gegen den Freispruch vorzugehen. „Wir beabsichtigen, Rechtsmittel einzulegen“, sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig. Über Details werde entschieden, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliege.

Die Bhakdi zur Last gelegten beiden Taten hatten sich 2021 ereignet. Laut Anklage soll er in dem im Internet veröffentlichten Interview „im Zusammenhang mit kritischen Äußerungen über die Impfpolitik Israels mit generalisierenden Aussagen auch gegenüber in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden zum Hass angestachelt und diese als religiöse Gruppe böswillig verächtlich“ gemacht haben.

Der Richter hatte in seiner Begründung gesagt, es sei nicht vollständig auszuschließen, dass Bhakdi mit seinen Äußerungen nur die israelische Regierung und nicht das Volk meinte. Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft kündigte Rechtsmittel an.

Bhakdi soll Nazi-Vergleich genutzt haben

Bei der Wahlkampfveranstaltung in Kiel sprach er laut Anklage mit Blick auf die Zulassung von Corona-Impfstoffen zudem auch von einem „Endziel“ - eine Wortwahl, die wie der Begriff „zweiter Holocaust“ Assoziationen mit der von den Nationalsozialisten betriebenen Vernichtung der europäischen Juden weckt. Diese nutzten dafür das Tarnwort „Endlösung“. Die Staatsanwaltschaft wertet dies als Verharmlosung des Holocausts und damit als Volksverhetzung.

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin erfolgte der Freispruch aufgrund des Grundsatzes „Im Zweifel für den Angeklagten“, weil sich die Äußerungen Bhakdis unterschiedlich auslegen ließen. Demnach war das Gericht rechtlich gezwungen, die für den Beschuldigten günstigste Auslegung in Betracht zu ziehen. In der Folge habe es den Angeklagten deshalb freisprechen müssen.

Mit großem Unverständnis reagierte auch die jüdische „Werteinitiative“ auf den Freispruch Bhakdis. Dessen Vorsitzender Elio Adler sagte dem Tagesspiegel, es bestehe aktuell wieder die Gefahr, dass Judenhass „hemmungsloser“ sichtbar wird. Urteile wie diese würden dafür den Weg ebnen, erklärte Adler. „Eindeutig antisemitische Aussagen, egal, ob sie von rechts, links oder aus anderen Bereichen der Gesellschaft kommen, werden nun gerichtlich als legal bezeichnet“, heißt es weiter vom Vorsitzenden der „Werteinitiative“. (mit AFP, dpa)

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