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„In Abstimmung mit EU-Partnern“: Klingbeil erwartet mehr Zurückweisungen an den Grenzen
Die Migrationswende ist im Koalitionsvertrag verankert. Die SPD hatte sich vor allem gegen Zurückweisungen gesträubt. Hier sieht der Parteichef Merz in der Pflicht. Die Polizei ist skeptisch.
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Eine Wende in der Migrationspolitik ist eines der zentralen Versprechen der Union und des vermutlich nächsten Kanzler Friedrich Merz (CDU). Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erwartet nun, dass es unter der geplanten schwarz-roten Bundesregierung mehr Zurückweisungen an den Grenzen geben wird als unter der Ampel-Koalition.
„Wir sind uns einig: Es gibt mehr Grenzkontrollen, damit gibt es auch mehr Zurückweisungen“, sagte er der „Bild“. „Aber (CDU-Chef) Friedrich Merz und ich sind uns einig, dass es in Abstimmung mit den europäischen Partnern passiert“, fügte Klingbeil hinzu.
Eine Asylwende, wie die Union sie versprochen hat, wird so leicht nicht umzusetzen sein, selbst wenn einige Kompetenzen der Bundespolizei erweitert werden.
Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)
So haben es CDU, CSU und SPD auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Die dort getroffene Formulierung „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ definierte er so: „Wenn ich mich mit jemandem abstimme, dann treffe ich mit dem Gegenüber Verabredungen. Und das ist doch das, worum es geht.“
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Er sei sich sicher, dass Merz als Kanzler aufgrund seiner Kontakte zu den handelnden Personen „gemeinsame Lösungen finden wird“. In der Union war „Abstimmung“ aber auch schon definiert worden als reine Information der Nachbarländer.
Die Polizei-Gewerkschaften sind deutlich skeptischer. Die im Koalitionsvertrag mit der SPD vereinbarte Fortsetzung der Grenzkontrollen werde vorerst „nicht verhindern können, dass weiterhin an den Grenzkontrollmaßnahmen vorbei mehrheitlich Asylanträge im Inland gestellt und auch entschieden werden“, sagte der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sven Hüber, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Dies werde so bleiben, bis es einen funktionierenden europäischen Grenzschutz gebe. „Insofern ist auch nicht zu erwarten, dass die vereinbarte Zurückweisung von Asylantragstellern an der Grenze – so sie europarechtlich und völkerrechtlich überhaupt zulässig ist – objektiv eine überdeutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen bewirken kann.“
Er beklagte auch, dass die langfristige Fortsetzung der Grenzkontrollen zusätzliches Geld und Personal voraussetze, für das die Koalitionsunterhändler keine Zusage getroffen hätten.
Zuvor hatte bereits die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) in einer Erklärung Skepsis erkennen lassen. „Eine Asylwende, wie die Union sie versprochen hat, wird so leicht nicht umzusetzen sein, selbst wenn einige Kompetenzen der Bundespolizei erweitert werden“, sagte der Vorsitzende Rainer Wendt demnach einem Bericht der dpa zufolge.
„Ausreisepflichtige Personen können auch künftig nicht in Ausreisegewahrsam genommen werden, wenn keine Gewahrsamsplätze da sind. Daran ändert sich nichts, solange die Bundesländer allein für deren Schaffung zuständig bleiben“, so Wendt.
Unionspolitiker wie CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) geben sich dagegen zuversichtlich für eine Migrationswende.
Merz hatte „RTL Direkt“ mit Blick auf die vereinbarte Abstimmung mit den Nachbarländern über Grenzkontrollen gesagt: „Diese Abstimmung läuft.“ Ob das bedeute, dass künftig alle Asylsuchenden an den Grenzen abgelehnt werden, wollte er nicht sagen. (lem)
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