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Will Brücken zur Bundeswehr und der US-Regierung bauen: Der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner. Foto: imago images/Klaus Martin Höfer

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Grüne klopfen bei Bidens Regierung an: „In Washington weiß man schon, wer ich bin“

Was die Reise des Verteidigungsexperten Tobias Lindner über das Interesse von Bundeswehr und US-Regierung an den Grünen erzählt - er will Vorbehalte abbauen.

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Noch bevor die Verteidigungsministerin nach Washington kommt, kommt Tobias Lindner. Und der Besuch des sicherheitspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion erzählt viel über die neue Lage, diesseits und jenseits des Atlantiks. Die Bundeswehr wie die Regierung von Joe Biden wollen die mögliche nächste Regierungspartei besser verstehen lernen, was da an Problemen zu erwarten ist. „Natürlich gibt es in der US-Administration ein gesteigertes Interesse an Kontakten mit den Grünen allgemein - auf allen Politikfeldern“, sagt Lindner im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Er ist am Sonntag mit dem Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz nach Washington gestartet, gemeinsam bestreiten sie mehrere Termine, in der Bundeswehr wird Lindner auch für höhere Aufgaben gehandelt. "Es kommen jetzt relativ einfach, hochrangige Termine zustande. Aber auch über Einladungen zu Videokonferenzen und zu anderen Gesprächen merkt man das. Auch bei anderen Kollegen außerhalb des Verteidigungsbereichs in der Fraktion.“

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Lindner war auch vor Corona regelmäßig hier zu Gast, aber jetzt gibt es eine andere Ausgangslage. Die Leitfrage der Amerikaner sei: Wer sind diese Grünen und was würden Sie machen, wenn Sie Teil einer Regierung wären? „Einige dort denken ja, wir wären extrem links, noch identisch mit der Friedensbewegung 1980.“ Es gehe darum Vorbehalte abzubauen, wie die Grünen über strategische Militärfragen denken. „Und ich erkläre die Beschlusslage unserer Partei, sage aber auch klar, wenn ich persönlich eine andere Meinung habe.“ Er ist natürlich ein wichtiger Multiplikator in die Partei hinein. "Wichtig sind für mich im Pentagon natürlich die Europa- und NATO-Abteilungen."

Comeback der Reisen: Scholz trifft Harris, Merkel Biden

Ohnehin gibt es gerade eine ziemlich intensive Reisediplomatie über den Atlantik, durch die Entspannung der Corona-Lage und die Massenimpfungen. Und nach der Abwahl von Donald Trump sollen rasch die transatlantischen Beziehungen gestärkt werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) war letzte Woche da, am 30. Juni fliegt Vizekanzler Olaf Scholz in die USA, um unter anderem Vizepräsidentin Kamala Harris zu treffen und Finanzministerin Janet Yellen - nach der G7-Einigung soll auch eine G20-Einigung auf Mindestbesteuerung global agierender Konzerne vereinbart werden, damit etwa Amazon und Apple auch in Deutschland, wo sie große Umsätze machen, mehr zahlen.

Ebenfalls am 30. Juni wird auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in Washington erwartet, sie ist zuvor bei den Vereinten Nationen in New York – und spricht mit Generalsekretär António Guterres auch über mögliche Konsequenzen nach dem Anschlag auf die Bundeswehr in Mali, mit dem Amtrak-Zug reist sie dann weiter in die US-Hauptstadt. Für den 15. Juli ist der Abschiedsbesuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Weißen Haus bei Joe Biden geplant.

Reist Baerbock auch noch Washington?

Ob auch noch Grünen-Chefin Annalena Baerbock versuchen wird, einen Termin im Weißen zu Haus zu bekommen, vielleicht bei Kamala Harris, um ihrer Kanzlerkandidatur internationalen Glanz zu verleihen, kann die Grünen-Pressestelle bisher nicht beantworten.

Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck trafen schon 2020 am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu einem mehrstündigen Abendessen. Referenten von Bundestagsabgeordneten berichten, dass es eine so große Nachfrage auch von Lobbyvertretern, Beratungsfirmen und Verbänden gibt, dass deren Vertreter mangels Terminen bei den „Chefs“ sich auch mit Gesprächen mit Referenten zufriedengeben. Gerade in der Außenpolitik drohen den Grünen große Zerreißproben.

Nach Lage der Dinge, gemessen an den Umfragen, könnten die Grünen Partner in einer schwarz-grünen Koalition unter Führung von Armin Laschet werden oder, was wegen der FDP-Widerstände gegen eine grüne Kanzlerin schwieriger werden dürfte, eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP mit Baerbock anführen.

Die Grünen werden umgarnt

Eine Regierungsbeteiligung der Grünen ist also im Bereich des Möglichen, auch deshalb umgarnt die Bundeswehr Leute wie Lindner, einen der einflussreichsten Verteidigungspolitiker seiner Partei, der noch dazu im Haushaltsausschuss des Bundestags sitzt und für Mittelbewilligungen mit zuständig ist. Durch die Reise des Inspekteurs der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, sei das einfach die Gelegenheit, „huckepack damit zu reisen“. Der 39-Jährige ist gelernter Volkswirt und hat Zivil- statt Wehrdienst geleistet. Es gehe natürlich auch um das 2-Prozent-Ziel der NATO für Verteidigungsausgaben – dieses lehnen die Grünen ab und betonen in ihrem Wahlprogramm: „Wir setzen uns für eine neue Zielbestimmung ein, die nicht abstrakt, national und statisch ist, sondern von den gemeinsamen Aufgaben ausgeht, und werden mit den NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen.“

Bewaffnete Drohnen? Ja, aber

Immerhin sind die Grünen nicht per gegen die Anschaffung von bewaffneten Drohnen, die die Bundeswehr gerade zur Verteidigung bei Angriffen in Auslandseinsätzen als essentiell ansieht. Es müsse aber klar gemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen, bevor über die Beschaffung entschieden werden kann. Lindner ist auch anders als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dagegen, sich Hals über Kopf aus der nuklearen Teilhabe im Rahmen der Nato zu verabschieden, das Bereitstellen von Atomwaffenlagerorten und Trägerflugzeugen für Atombomben. Man könne es nicht machen, wie es Teile der SPD fordern, sagt Lindner: „Bomben weg und wir stellen uns keine weiteren Fragen.“ Aber das Ziel behielten die Grünen bei - was die Amerikaner nicht erfreuen dürfte.

Lindner fühlt sich geschmeichelt von dem Interesse

Aber er sei ja nicht zum Verhandeln da, „sondern mir geht es darum, die Biden-Administration zu verstehen und unsere Standpunkte zu erklären.“ Er hatte schon mit zwei Vertretern eine Videokonferenz, „da war schon der Eindruck, dass da ein anderer Tonfall als unter der Trump-Administration angeschlagen wird, auch beim 2-Prozent-Ziel“. Aber das persönliche Gespräch sein immer besser. Ob auch er für sich selbst ein Amt, vielleicht einen Staatssekretärsposten anstrebt?

„Ich würde Machtzuwachs gerne dadurch haben, dass wir regieren und ich brauche dazu keinen weiteren Posten“, sagt Lindner. Er genießt aber auch die erhöhte Aufmerksamkeit, das ist deutlich zu spüren: „Klar reden vermehrt Leute mit mir in der Bundeswehr, es gibt ein erhöhtes Interesse. Und in Washington ist es schon so, dass man weiß, wer ich bin.“

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