
© AFP/Kay Nietfeld
Industriestrompreis, Deutschlandfonds, Schuldenbremse: Merz macht Habecks Wünsche wahr
Als Oppositionsführer übte Merz an Wirtschaftsminister Habeck scharfe Kritik. Im Kanzleramt übernimmt er nun seine Ideen. Ein Überblick nach dem Koalitionsausschuss.
Stand:
Elf Monate ist es her, da rechnete Oppositionsführer Friedrich Merz im Bundestag mit dem Wirtschaftsminister ab. Robert Habeck sei „das Gesicht der Wirtschaftskrise“, sagte der CDU-Politiker. Es war nicht das erste Mal, dass Merz Fundamentalkritik am Grünen-Minister übte. „Was Sie in der Wirtschaftspolitik machen, ist ein einziges Desaster“, sagte er im Juni 2024 im ZDF-Talk „Maybrit Illner“.
Die Rollen der beiden Männer haben sich längst geändert. Merz hat es bekanntlich ins Kanzleramt geschafft, der abgewählte Habeck zog den Lehrstuhl in den USA der Oppositionsbank im Bundestag vor. Und doch wirkte der Grünen-Politiker in dieser Woche im politischen Berlin wieder sehr präsent, schließlich einigten sich die Spitzen von Union und SPD im Koalitionsausschuss auf Vorhaben, für die schon Habeck geworben hatte.
So hatte der Grünen-Politiker bereits im Mai 2023 ein Arbeitspapier für einen Industriestrompreis vorgelegt. Nicht nur innerhalb der Ampel-Koalition fand der Wirtschaftsminister damals keine Mehrheit, auch CDU-Chef Merz kritisierte den Vorschlag: „Bevor wir über Subventionen für den Strompreis nachdenken, müssen zunächst staatliche Auflagen und Kosten wie Netzentgelte, Mehrwertsteuer und Stromsteuer runter“, sagte er im RND-Interview im Herbst 2023.
Zwei Jahre später lobte Merz am Donnerstag die Einigung von Schwarz-Rot für einen Industriestrompreis für energieintensive Unternehmen bis 2028. „Das stärkt unseren Industriestandort im internationalen Wettbewerb und sichert gute Arbeitsplätze“, teilte er via X mit.
Habeck wollte Gaskraftwerke, die Union lehnte ab
Bei dem Koalitionsausschuss hatten sich Union und SPD aber auch auf einen Deutschlandfonds verständigt. So einen hatte erstmals Habeck im Herbst des vergangenen Jahres in einem Strategiepapier gefordert. Das hatte die Union damals ebenfalls abgelehnt. Nun die Kehrtwende.
Franziska Brantner, Parteivorsitzende der Grünen und früher parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium unter Habeck, kritisiert den Kanzler trotzdem. „Zu Recht führt Herr Merz den Industriestrompreis ein – aber senkt leider nicht die Stromsteuer für alle. Zu Recht investiert er mit dem Deutschlandsfonds in die kommunale Energieinfrastruktur, aber verprasst leider fast die Hälfte des Sondervermögens in Wahlgeschenken“, sagte Brantner dem Tagesspiegel.
Wenn Herr Merz sich schon bei grüner Wirtschaftspolitik inspiriert, sollte er die marktwirtschaftlichen Aspekte nicht vergessen.
Grünen-Chefin Franziska Brantner über den Bundeskanzler
Etwas süffisant ergänzte die Grünen-Chefin: „Wenn Herr Merz sich schon bei grüner Wirtschaftspolitik inspiriert, sollte er die marktwirtschaftlichen Aspekte nicht vergessen.“
Tatsächlich ist es nicht das erste Mal, dass Merz seine frühere Kritik an Habeck zu vergessen scheint und dessen Vorschläge aufgreift. Noch vor seiner Wahl zum Bundeskanzler hatte er mit den Stimmen des alten Bundestags die Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben ausgesetzt – ein Vorschlag, der von Habeck gekommen war.
Selbst in der Energiepolitik hatte Habeck Vorschläge gemacht, etwa den Bau von Gaskraftwerken oder die Einführung der CCS-Technologie zur Abscheidung von CO₂, die nun von Union und SPD umgesetzt werden.
Den Gesetzbeschluss für den Bau der Gaskraftwerke, die das Stromnetz beim Ausfall der Erneuerbaren stabilisieren sollen, hatte die Unions-Fraktion von Merz kurz vor der Bundestagswahl demonstrativ verweigert. „Eine Zustimmung zu Habecks Gesetz wird es von uns sicher nicht geben“, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn damals der „Rheinischen Post“.
Habeck selbst hatte in seinem Abschieds-Interview beklagt, Merz habe seine politischen Ideen kopiert. „Als Friedrich Merz seine Regierungserklärung vor den Sommerferien gehalten hat, da hat er quasi meine Wahlkampfrede gehalten“, sagte er Ende August der „taz“. Er habe geklatscht und gelacht – ein Auslachen.
Auch der „Welt“-Journalist Robin Alexander hatte nach den Beschlüssen des Koalitionsausschusses am Donnerstag Parallelen zu den alten Habeck-Forderungen bemerkt. „Wenn die fair wären im Kanzleramt, würden sie noch eine Kiste Wein bestellen und dem Habeck schicken“, sagte er im ZDF-Talk „Maybrit Illner“. Über eine Weinbestellung ist jedoch nichts bekannt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: