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Muslime beten nach dem Anschlag in Hanau während des Freitaggebets in der Hanauer Ditib Moschee.

© AFP/Odd Andersen

Internationaler Tag gegen Islamophobie: Muslime werden oft doppelt diskriminiert

Lamya Kaddor ist Islamwissenschaftlerin und innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. Sie fordert einen Bundesbeauftragten für muslimisches Leben

Es geht um erhöhte Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Etwas anderes können Gedenk- und Jahrestage nicht leisten. Sie schärfen die Sinne, bringen Vorurteile und Missstände ins Bewusstsein.

Vor genau einem Jahr, am 15. März 2022, verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig eine Resolution, die von Pakistan eingebracht worden war. In ihr wird der 15. März als Internationaler Tag gegen Islamophobie festgelegt (International Day to Combat Islamophobia).

Warum dieses Datum? Am 15. März 2019 erstürmte ein Rechtsradikaler in der neuseeländischen Stadt Christchurch zwei Moscheen und tötete 50 Gläubige. Das Verbrechen hatte Vorläufer. Im Sommer 2011 ermordete der Norweger Anders Breivik als Akt gegen eine vermeintliche „islamische Kolonisation“ 77 Menschen. Im Januar 2017 wurden bei einem Terroranschlag auf eine Moschee im kanadischen Quebec sechs Menschen getötet.

 Schändungen von Moscheen, das Abreißen von Kopftüchern

In Deutschland muss in diesem Zusammenhang erinnert werden an den rassistischen Anschlag eines Rechtsextremisten in Hanau, der im Februar 2020 neun Menschen in und vor zwei Shishabars erschoss. Zu den extremen Fällen kommen die alltäglichen:  Schändungen von Moscheen, Drohungen gegen Muslime, Körperverletzungen, Beleidigungen, das Abreißen von Kopftüchern.

Im Jahr 2017, als die Behörden zum ersten Mal Daten zu islamfeindlichen Übergriffen auswerteten, wurden bundesweit 950 Straftaten gegen Muslime gemeldet. Im Jahr 2018 waren es 824, 2019 waren es 884, 2020 stieg die Zahl auf 929, 2021 ging sie auf 662 zurück. Die Täter seien überwiegend Rechtsextremisten gewesen.

Als Reaktion auf den Anschlag in Hanau hatte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer im Herbst 2020 einen „Unabhängigen Expertenkreis Muslimfeindlichkeit“ (UEM) ins Leben gerufen. Nach diversen Sitzungen und Hearings mit Vertretern aus Politik und Bundeskriminalamt will der UEM im Sommer seinen Bericht vorlegen. Muslime seien oft doppelt von Diskriminierung betroffen, wird beklagt - zum einen als Mitglieder ihrer Religionsgemeinschaft, zum anderen aufgrund ihres Migrationshintergrundes.

Lamya Kaddor ist innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag und Berichterstatterin für Religion. Sie fordert zum ersten Internationalen Tag gegen Islamophobie die Einsetzung eines Bundesbeauftragten für muslimisches Leben.

„Zu Recht haben wir einen Beauftragten für jüdisches Leben und für den Kampf gegen Antisemitismus“, schreibt Islamwissenschaftlerin Kaddor in einer Erklärung. Außerdem habe die Ampelregierung einen Beauftragten gegen Atiziganismus eingesetzt. Nun müssten auch Muslime eine solche Vertretung bekommen. „Die Zeit ist reif für die Einsetzung eines Beauftragten für muslimisches Leben.“

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