
© Christoph Soeder/dpa
Parteispitze verteidigt Vorgehen: FDP spielte offenbar in internem „D-Day“-Papier den Ampel-Ausstieg durch
Ein nun von der FDP veröffentlichtes Dokument legt nahe, dass die Liberalen den Bruch mit den Koalitionspartnern akribisch geplant haben. Die Parteispitze sieht darin kein Problem.
Stand:
Neue Details zum Ampelende bringen die FDP weiter unter Druck. Ein nun bekannt gewordenes internes Strategiepapier der FDP-Spitze wirft neues Licht auf die Vorbereitung des Ausstiegs aus der Ampel-Koalition. Die Partei veröffentlichte das achtseitige Dokument selbst, nachdem zuerst das Portal „Table.Briefings“ berichtet hatte. In dem Dokument spielen die Verfasser den idealen Zeitpunkt des Ausstiegs sowie begleitende Medienstrategien durch.
Zugleich spielte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai die Bedeutung des Papiers herunter. Der „Welt“ sagte er, es sei auf „Ebene der Mitarbeiter entstanden“ und „niemand aus der Führung kannte das Papier.“ Dies scheint allerdings der Darstellung auf der Website der FDP zu widersprechen, wo zu lesen ist, das Dokument sei „in Verantwortung des Bundesgeschäftsführers erstellt worden“.
Allerdings sagte Djir-Sarai auch am 18. November „N-Tv“ noch seine Partei haben nie von einem „D-Day“ gesprochen: „Dieser Begriff ist nicht benutzt worden“. Nach Veröffentlichung des Dokuments ist hingegen klar, dass das Arbeitspapier tatsächlich den Titel „D-Day Ablaufszenarien und Maßnahmen“ trägt.
„D-Day“ bezeichnet im englischen Militärjargon den Angriffstag einer Offensive. Der bekannteste D-Day der Geschichte ist wohl der Beginn der Rückeroberung Europas durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg.
In dem Papier entwerfen die Liberalen in ähnlich martialischer Sprache eine vierstufige Strategie, die vom Impuls, über das Setzen und Verbreiten des Narratives bis zur Stufe der „offenen Feldschlacht“ führt.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
In dem Papier heißt es weiter: „Es könnte ein Ausstieg zu Beginn der KW 45 erfolgen.“ Unter dem Stichwort „idealer Zeitpunkt“ wurde demnach außerdem erwogen, den Ausstieg zur Mitte der Kalenderwoche 45 erfolgen zu lassen, allerdings sprach dagegen der „ungewisse Ausgang der US-Wahl“.
Bundesregierung sei selbst „größtes Standortrisiko“
Nach der internen Analyse wäre eine Verschiebung nach hinten aber problematisch gewesen, da der Zeitpunkt des Ausstiegs dann mit den Haushaltsverhandlungen und dem Parteitag der Grünen kollidiert hätte. Kalenderwoche 45 begann am 4. November. Der Koalitionsbruch erfolgte dann am Abend des 6. November, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den FDP-Vorsitzenden Christian Lindner als Finanzminister entließ.
Das FDP-Papier enthält dem Bericht zufolge Angaben zu einem „Kernnarrativ“, das nach einem Ausstieg verbreitet werden müsste. Die FDP argumentiert darin mit einer „notwendigen Richtungsentscheidung“. Aufgrund der fundamentalen Gegensätze zwischen Rot-Grün und FDP sei die Bundesregierung selbst „zum größten Standortrisiko“ geworden.
Die Liberalen argumentierten in dem Papier weiter, dass der Stillstand nur durch Neuwahlen zu lösen sei. So wollten sie den Bruch der Ampel begründen. „Neben den Worten sind die Bilder der Verkündung entscheidend. Diese müssen eine Position der Stärke, Entschlossenheit und Überzeugung ausdrücken“.
„Stillstand der Ampel längst zu einer Belastung für das Land geworden“
Bereits nach dem Koalitionsbruch waren Berichte laut geworden, wonach die FDP konkrete Vorbereitungen für den Ausstieg aus der Koalition mit SPD und Grünen getroffen habe. Die FDP hatte diese Berichte nicht dementiert - aber darauf hingewiesen, dass es letztlich Kanzler Scholz gewesen sei, der mit Lindners Entlassung den Bruch der Koalition bewirkt habe.
Nach den ersten Berichten über das Strategiepapier gingen die Liberalen zunächst in die mediale Offensive und teilten es selbst. Man habe nichts zu verbergen, hieß es in einem Post auf dem X-Account der Partei. Angefügt war ein Statement des Generalsekretärs Bijan Djir-Sarai.
Dort schreibt der FDP-General: „Wir haben niemals ein Geheimnis daraus gemacht, dass ohne eine Wirtschaftswende ein Ende der Ampel ein möglicher Ausgang des von uns selbst genannten Herbstes der Entscheidungen sein könnte.“
FDP-Politiker sehen kein Problem
Fraktionschef-Christian Dürr verteidigte das Vorgehen seiner Partei. „Wir haben keinen Fehler gemacht. Wir haben uns auf Szenarien vorbereitet“, sagte Dürr am 19. November im „Deutschlandfunk“. Dass die FDP bewusst einen Koalitionsbruch herbeigeführt habe, sei „nicht richtig“.
Der Parteivize der Liberalen, Wolfgang Kubicki, wurde noch deutlicher. Danach gefragt, ob seine Partei ein Drehbuch zum Ende der Koalition geschrieben habe, sagte Kubicki am Mittwoch im Podcast von „The Pioneer“: „Ich halte das für eine glatte Lüge. Ich kann definitiv ausschließen, dass die Information stimmt.“ Derartige Berichte seien „Märchen“.
Auch die EU-Abgeordnete Strack-Zimmermann spielte die Bedeutung des Dokuments herunter: „Ich finde es logisch, dass die FDP-Spitze alle Szenarien professionell skizziert hat“, sagte sie der „Bild“-Zeitung: „Wo ist der Skandal?“. Einzig die Formulierung, dass die Regierung „gestürzt“ werden solle, kritisierte sie scharf. (Mit Agenturen)
Korrekturhinweis: Die zitierte Aussage von Djir-Sarai gegenüber „N-tv“ fiel am 18. November, nicht am 18. Oktober. Wir haben die Stelle korrigiert.
- Ampelkoalition
- Christian Lindner
- Die Grünen
- FDP
- Olaf Scholz
- SPD
- US-Wahl
- Zweiter Weltkrieg und Kriegsende
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: