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Der russische Präsident: Wladimir Putin.

© dpa/AP/Pool Sputnik Kremlin/ Sergey Guneev

Interview im Staatsfernsehen: Putin wirft Ukraine und dem Westen fehlende Gesprächsbereitschaft vor

Der Kreml-Chef wiederholt das Narrativ eines bedrohlichen Westens. Er sei bereit, zu verhandeln. Aber die Unterstützer der Ukraine wollten Russland zerreißen.

Stand:

Russland ist nach den Worten seines Präsidenten Wladimir Putin zu Verhandlungen mit allen im Ukraine-Konflikt beteiligten Parteien bereit. Allerdings hätten die Führung in Kiew und ihre westlichen Unterstützer Gespräche verweigert, sagte Putin in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des staatlichen Fernsehsenders Rossija 1. „Wir sind bereit, mit allen Beteiligten über akzeptable Lösungen zu verhandeln, aber das liegt an ihnen – nicht wir sind diejenigen, die sich weigern zu verhandeln, sondern sie.“ Dem widersprach die Ukraine umgehend.

Die am 24. Februar von Russland begonnene Invasion der Ukraine ist der schwerste Konflikt in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist auch die größte Konfrontation zwischen Russland und dem Westen seit der Kuba-Krise im Jahr 1962, in der es um die Stationierung von Mittelstreckenraketen der USA in der Türkei und der Sowjetunion auf Kuba ging.

Ein Ende des Krieges in der Ukraine, den die russische Führung als militärischen Sondereinsatz bezeichnet, ist nicht in Sicht. Die russische Führung hat erklärt, sie werde kämpfen, bis all ihre Ziele erreicht seien – darunter die Demilitarisierung der Ukraine. Deren Regierung hat angekündigt, nicht zu ruhen, bis der letzte russische Soldat das Territorium verlassen hat – einschließlich der 2014 von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim.

Russland will keine Verhandlungen, sondern versucht, sich der Verantwortung zu entziehen.

Mychailo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj

Die ukrainische Regierung widersprach der Darstellung Putins in dem Interview. „Russland hat die Ukraine im Alleingang angegriffen und tötet Bürger“, schrieb Mychailo Podoljak, der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, auf Twitter. „Russland will keine Verhandlungen, sondern versucht, sich der Verantwortung zu entziehen.“ Putin müsse zur Realität zurückkehren.

Auch der Direktor des US-Geheimdienstes CIA, William Burns, hatte sich unlängst in einem Interview skeptisch über die russische Gesprächsbereitschaft geäußert. Obwohl die meisten Konflikte durch Verhandlungen beendet würden, sei man in der CIA überzeugt, dass Russland wirkliche Gespräche zur Beendigung des Krieges noch nicht ernst meine.

Der russische Präsident zeigte sich von seinem Kurs überzeugt. „Ich glaube, dass unser Handeln in die richtige Richtung geht.“ Der Westen, angeführt von den USA, versuche, Russland zu spalten. „Wir verteidigen unsere nationalen Interessen, die Interessen unserer Bürger, unseres Volkes“, sagte Putin. „Und wir haben keine andere Wahl, als unsere Bürger zu schützen.“ Putin äußerte sich überzeugt, das die überwiegende Mehrheit der russischen Bevölkerung – 99,9 Prozent – bereit sei, ihr Land zu verteidigen und alles für das Vaterland zu geben.

Die US-Regierung bestreitet, den Zusammenbruch Russlands zu planen. Die Ukraine und der Westen werfen Russland einen imperialen Besatzungskrieg gegen sein Nachbarland vor, zu dem es keinerlei Recht habe. Auf die Frage, ob sich der geopolitische Konflikt mit dem Westen einem gefährlichen Ausmaß nähere, antwortete der russische Präsident: „Ich glaube nicht, dass es so gefährlich ist.“

Putin bekräftigte zudem, das der Ukraine von den USA versprochene moderne Luftabwehrsystem vom Typ Patriot zu vernichten. „Natürlich werden wir es zerstören, 100 Prozent!“, sagte Putin in Bezug auf das System, dessen Lieferung dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei dessen Besuch Mitte der Woche in Washington von US-Präsident Joe Biden zugesagt worden war.

Ukrainische Soldaten feuern in der Region Bachmut mit einer Kanonenhaubitze auf russische Stellungen.

© dpa/Libkos

Putin sagte, der Westen habe den Konflikt in der Ukraine 2014 mit dem Sturz eines prorussischen Präsidenten bei den Protesten auf dem Maidan in Kiew begonnen. „Eigentlich geht es hier um die Politik unserer geopolitischen Gegner, die darauf abzielt, Russland, das historische Russland, auseinanderzureißen.“ Sie hätten „immer versucht, ‘zu teilen und zu erobern’“. Sein Ziel sei „etwas anderes – das russische Volk zu vereinen“.

Putin rechtfertigt die seit zehn Monaten andauernde Offensive in der Ukraine mit dem Konzept des „historischen Russlands“, wonach Ukrainer und Russen ein Volk seien. „Wir handeln in die richtige Richtung, wir schützen unsere nationalen Interessen, die Interessen unserer Bürger, unseres Volkes“, sagte Putin.

Wir werden nicht auf ein Wunder warten, sondern es selbst schaffen.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

Putin spielt auf den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowytsch an. Dieser hatte ein weitgehend ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt und damit massiven Protest in der Bevölkerung ausgelöst, vor denen er gen Russland floh. Daraufhin stimmte im Februar 2014 das Parlament in Kiew für Janukowytschs Absetzung. Kurz nach dieser Revolution annektierte Russland die Krim, und von Russland unterstützte Separatisten begannen, die ukrainischen Streitkräfte in der Ostukraine zu bekämpfen.

Nach neuen russischen Angriffen hat Selenskyj in einer emotionalen Videobotschaft zu Weihnachten die Menschen zum Durchhalten aufgerufen. „Wir haben Angriffe, Drohungen, atomare Erpressung, Terror und Raketenschläge ausgehalten. Lasst uns diesen Winter überstehen, weil wir wissen, wofür wir kämpfen“, sagte Selenskyj in einem am Heiligabend verbreiteten Video. Er stand dabei im Dunkeln auf der Straße mit einem Weihnachtsbaum und spärlichem Licht im Hintergrund.

„Wir glauben, dass Tränen der Freude weichen werden, dass Hoffnung nach Verzweiflung kommt und Tod durch Leben besiegt wird“, sagte Selenskyj. Millionen Menschen in der Ukraine und in der Welt feierten in diesen Tagen Weihnachten, sagte er. Der Präsident erinnerte an die Ukrainer, die ins Ausland geflohen sind oder Weihnachten in russischer Gefangenschaft verbringen müssen. „Wir werden allen ukrainischen Frauen und Männern ihre Freiheit zurückbringen.“

Nach den russischen Angriffen auf die Energieinfrastruktur des Landes könnten in diesem Jahr die Straßen und Häuser nicht so hell erstrahlen wie sonst, sagte Selenskyj. Doch könne keine russische Drohne und keine Rakete den Geist von Weihnachten brechen. „Und auch in totaler Finsternis werden wir einander finden, um uns fest zu umarmen. Und wenn es keine Heizung gibt, werden wir uns mit einer großen Umarmung wärmen“, sagte Selenskyj. „Wir werden nicht auf ein Wunder warten, sondern es selbst schaffen.“ In der Ukraine ist sowohl der 25. Dezember ein offizieller Weihnachtstag als auch der 7. Januar, an dem die orthodoxen Christen feiern.

Auch der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko schickte im Nachrichtenkanal Weihnachtsgrüße. Das Fest stärke den Glauben in den Herzen, sagte er. „Wir danken besonders den Verteidigern, die weit weg sind von ihren Heimatorten und ihren Verwandten.“ Sie seien dabei, der Ukraine den Sieg immer näher zu bringen. (Reuters, dpa, AFP)

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