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Politik: Iran: Härte, die die Harten schwächt (Kommentar)

Iran sei auf Reformkurs, und den müsse der Westen unterstützen, hatte die Bundesregierung die umstrittene Einladung an Präsident Chatami vor wenigen Wochen begründet. "Chatami, zeig deine Kraft oder tritt zurück", skandierten wütende Exil-Oppositionelle, als der Staatsgast im Juli Berlin besuchte.

Iran sei auf Reformkurs, und den müsse der Westen unterstützen, hatte die Bundesregierung die umstrittene Einladung an Präsident Chatami vor wenigen Wochen begründet. "Chatami, zeig deine Kraft oder tritt zurück", skandierten wütende Exil-Oppositionelle, als der Staatsgast im Juli Berlin besuchte. Die Gegner der "Islamischen Republik" machen keinen großen Unterschied zwischen den Reformkräften um den Philosophen im Präsidentenamt und dem autoritären klerikalen Establishment, das sich mit Zähnen und Klauen an seine abbröckelnde Macht klammert.

Nun wachsen wieder die Zweifel an Chatamis Durchsetzungsfähigkeit. Der "Geistliche Führer", Ayatollah Chamenei, hat der Parlamentsmehrheit der Reformer in einem scharfen Brief die Debatte über eine Liberalisierung des restriktiven Pressegesetzes untersagt. Doch dieser Anschein trügt. Die Aktion gegen die Reformpresse ist zentraler Teil einer Offensive, die Chatamis konservative Gegner nach dem überwältigenden Sieg der Reformer bei den Parlamentswahlen im Februar begannen. Durch den Einsatz der von ihnen kontrollierten Justiz versuchen die Ultrakonservativen führende Reformer, Publizisten, Journalisten, Intellektuelle auszuschalten und die Studentenbewegungen, die wichtigste Hausmacht Chatamis, zu unterdrücken. Mit beträchtlichem Erfolg. Freunde und Kollegen des Präsidenten sind mit Gefängnis bedroht. Zugleich versuchen die Konservativen, Chatami durch scharfe Kritik an den katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Lande den Rückhalt in der Bevölkerung zu entziehen.

Doch das Kalkül wird so nicht aufgehen, die Härte dürfte sich am Ende gegen ihre Urheber wenden. Die fortgesetzte Knebelung dieser Medien durch Chamenei wird sich in der politischen Szene des Iran nicht als Katastrophe erweisen. Im Parlament ist vielmehr eine Diskussion entbrannt, ob Chameneis Brief überhaupt als "Befehl mit Exekutivgewalt" zu werten sei. Zudem stehen diesem Volk der Händler und Feilscher noch andere Wege offen. In Teheran kursieren Gerüchte über eine Absprache hinter den Kulissen. Chatamis Anhänger haben im Parlament noch andere entscheidende Reformen auf die Tagesordnung gesetzt: etwa ein neues Parteiengesetz und ein neues (demokratischeres) Wahlgesetz, dazu eine Reform der Justiz, um dieses wichtigste Machtinstrument der Konservativen zu neutralisieren. Es heißt, für den Verzicht auf die Pressereform hätten die Konservativen Zugeständnisse in den anderen wichtigen Bereichen gemacht.

Chatami, aber auch Chamenei, sind entschlossen, dem Iran ein Blutbad zu ersparen. Das droht dem Land, wenn es nicht gelingt, die Konservativen in den Reformprozeß einzubinden. Ungeduld ist der größte Feind des friedlichen Wandels im "Gottesstaat", den Präsident Chatami und seine Verbündeten anstreben. Das sollte auch der Westen begreifen und den weisen Reformer auf seinem steinigen Weg nach Kräften unterstützen.

Birgit Cerha

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