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Eine Frau lässt sich in Rom mit einem Corona-Impfstoff impfen.

© Guglielmo Mangiapane/Reuters

Politischer Kompromiss: Italien führt Impfpflicht für über 50-Jährige ein

Die neue Maßnahme soll Druck von den Krankenhäusern nehmen. Premier Mario Draghi hatte sich mehr erhofft - stieß aber auf Widerstand einiger Koalitionspartner.

Angesichts explodierender Fallzahlen hat die italienische Regierung die sofortige Einführung einer Impfpflicht für über 50-Jährige beschlossen. 2,3 Millionen Ungeimpfte sind von der Maßnahme betroffen. Das sind zwar weniger als zehn Prozent dieser Altersklasse, aber sie sind es, die hauptsächlich für den zunehmenden Druck auf die Krankenhäuser verantwortlich sind.

„Wir schreiten in den Altersklassen ein, die im Fall einer Ansteckung mit dem Coronavirus mehr vom Risiko eines Krankenhausaufenthaltes betroffen sind, um den Druck von den Kliniken zu nehmen“, begründete Ministerpräsident Mario Draghi die Maßnahme.

Trotz hoher Impfquote - fast 90 Prozent der über Zwölfjährigen sind geimpft - steigen die Fallzahlen auch in Italien wieder explosionsartig an: Am Mittwoch wurden 189.000 Neuinfektionen registriert - der höchste Wert seit Beginn der Pandemie. Die Zahl der an oder mit Covid verstorbenen Menschen stieg um 231 auf über 138.000 Tote. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 1492 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner.

Laut dem Regierungsbeschluss tritt die Impfpflicht sofort in Kraft - gebüßt wird aber erst ab dem 1. Februar. Erwerbslose, die dann ohne „Super-Green-Pass“ für Geimpfte und Genesene erwischt werden, müssen ein Bußgeld von 100 Euro bezahlen.

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Arbeitnehmer, die ab Mitte Februar ohne das 2G-Zertifikat am Arbeitsplatz erscheinen, müssen mit bis zu 1500 Euro Strafe rechnen. Eine altersunabhängige Impfpflicht besteht in Italien seit längerem für bestimmte Berufe.

„Wir hätten eine Impfpflicht für alle, auch für die Studenten, benötigt“

Die Regierung beschloss zudem für weitere Bereiche 3G- und 2G-Regeln. Ob die neuen Maßnahmen geeignet sein werden, die Fallzahlen wieder zu senken, ist umstritten: „Die Impfpflicht für die über 50-Jährigen reicht bei weitem nicht aus. Wir hätten eine Impfpflicht für alle, auch für die Studenten, benötigt“, kritisierte Luigi Sbarra, Führer der großen Gewerkschaft CISL, am Mittwoch.

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In der Tat hätten Premier Mario Draghi und drei der Regierungsparteien - der sozialdemokratische PD, Silvio Berlusconis Forza Italia und die Kleinpartei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi - noch einschneidendere Maßnahmen einführen wollen.

Die beiden populistischen Regierungsparteien - insbesondere die rechtsnationale Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini, aber auch die Fünf-Sterne-Protestbewegung - schafften es aber in der Kabinettssitzung, die geplanten Maßnahmen abzuschwächen.

Wahl des neuen Staatspräsidenten wirft Schatten voraus

Dass sich Draghi von seinen populistischen Koalitionspartnern bremsen lässt, ist neu. Im vergangenen Oktober hatte Draghi gegen den Widerstand von Lega-Chef Salvini in Italien als europaweit erstes Land die 3G-Pflicht am Arbeitsplatz eingeführt.

Denkt an die nächste Wahl: Italiens Ministerpräsident Mario Draghi.
Denkt an die nächste Wahl: Italiens Ministerpräsident Mario Draghi.

© Oliver Weiken/dpa

Doch von der früheren Entschlossenheit Draghis ist nicht mehr allzu viel zu spüren. Für seine neue Kompromissbereitschaft gibt es eine konkrete Erklärung: Am 24. Januar beginnt in den vereinigten Parlamentskammern die Wahl des neuen Staatspräsidenten.

Der 74-jährige Draghi gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge des abtretenden Sergio Mattarella. Böse Zungen unterstellen dem Regierungschef nun, dass er sich mit Blick auf die Wahl nicht die Unterstützung der Lega und der Fünf Sterne verscherzen wolle. Wohlwollendere Beobachter wenden ein, dass alle Parteien wegen der Wahl seit Monaten in Aufruhr seien: Draghi wolle kein weiteres Öl ins Feuer gießen und sicherstellen, dass das Land regierbar bleibe - unabhängig vom Ausgang der Wahl.

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