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Einen Schritt weiter. Hillary Clinton hat kaum noch ernstzunehmende Gegenkandidaten in der eigenen Partei.

© Frederic J. Brown/AFP

Präsidentschaftswahlkampf in den USA: Joe Biden kandidiert nicht gegen Hillary Clinton - jetzt liegt's an ihr

Sie ist die Favoritin für die Kandidatur der Demokraten. Nachdem nun Vizepräsident Joe Biden angekündigt hat, dass er nicht kandidieren wird, sind ihre Chancen größer denn je. Fragen und Antworten zum Thema.

US-Vizepräsident Joe Biden wird sich nicht für die Nachfolge von Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten bewerben. Die Entscheidung des 72jährigen Demokraten zu einer möglichen Kandidatur für die Wahl im November 2016 war mit Spannung erwartet worden. Am Mittwoch dann trat Joe Biden im Rosengarten des Weißen Hauses vor die Kameras. Eingerahmt von Präsident Barack Obama zu seiner Rechten und seiner Frau Jill Biden zu seiner Linken ließ er die Nation wissen, worauf seit Monaten gewartet wurde: „Ich werde mich einmischen“, sagte Biden, „ich werde nicht still sein“ – aber nicht als Kandidat.

Was bedeutet die Absage Joe Bidens für Hillary Clinton?

Anfang der Woche bereits hat Jim Webb, ehemaliger Senator aus Virginia sein Ausscheiden aus dem Rennen bekannt gegeben. Zu blamabel war sein Auftritt bei der Kandidatendebatte. Auch Lincoln Chafee, früherer Republikaner, Ex-Senator und Ex-Gouverneur von Rhode Island, hat das Ereignis mehr geschadet als genützt. Im Rennen sind realistisch gesehen nur noch der frühere Gouverneur von Maryland, Martin O‘Malley, der eher als chancenlos einzuschätzen ist, Bernie Sanders, der Senator aus Vermont, und Hillary Clinton.

Aus der TV-Debatte der vergangenen Woche ist Hillary Clinton als klare Siegerin hervorgegangen. Ihre Umfragewerte bei den Demokraten stiegen von 42 auf 54 Prozent. Ihr bislang einziger realer Rivale, Senator Bernie Sanders, ist bei seinen 23 Prozent geblieben. Sanders hat vermutlich seinen Höhepunkt schon erreicht, oder bereits überschritten. Die Absage Bidens im Rosengarten war deshalb fast schon eine vorzeitige Kür der Kandidatin. Außer Biden hat keiner der anderen Kandidaten das Format einer Hillary Clinton.

Verzicht. Joe Biden tritt im Kampf um die Kandidatur der Demokraten im US-Präsidentschaftswahlkampf nicht gegen Hillary Clinton an _ das zu verkünden, begleitete ihn der scheidende Präsident Barack Obama.

© Jim Watson/AFP

Clinton ist derzeit die stärkste Kraft im demokratischen Lager neben Barack Obama. Ihre außenpolitische Kompetenz überstrahlt die jedes anderen Kandidaten. Ihr ökonomisches Verständnis wird Clinton schon qua Sippenhaft attestiert. Und dass sie das innenpolitische Ein-malEins der Demokraten von der sozialen Frage bis zu den Waffengesetzen beherrscht, stellt niemand in Frage. Hinzu kommt der große Wahlkampf-Apparat, den das Haus Clinton in den vergangenen Monaten aufgestellt hat, die Spendenmillionen und ein White-House-erprobtes Team.

War ihr die Kandidatur nicht ohnehin schon sicher?

Hillary Clinton ist als Favoritin in den demokratische Wettbewerb eingestiegen. Sie galt schon vorher als gesetzt. Zwei Faktoren allerdings haben das Rennen zwischenzeitlich beeinflusst: Der überraschende Aufstieg von Bernie Sanders, eines Vertreters der linken Demokraten. Und je näher eine Nominierung Clintons rückte, umso stärker hofften innerparteiliche Clinton-Gegner auf den Einsatz von Joe Biden. Denn ein Problem hat Clinton.

Weit mehr als die Hälfte aller Wähler sagen ohne Zögern: Man kann Clinton nicht vertrauen. 64 Prozent waren es zeitweise, die ihr nicht trauen. Biden dagegen bekam in dieser Frage durchweg positive Zahlen. Zwischen 52 und 66 Prozent lagen bislang seine Vertrauenswerte bei den Wählern. Für Clinton-Hasser, und davon gibt es viele, wäre Biden die Alternative gewesen. Dessen Unterstützer aber, das sagen die Umfragen, wandern nun mehrheitlich ins Clinton-Lager. Bernie Sandes profitiert dagegen nur wenig. Er gilt nicht als echte Option, wenn es im kommenden Jahr dann um den Wahlkampf jenseits der Parteigrenze geht.

Woran könnte Hillary Clinton noch scheitern?

Die E-Mail-Affäre, der Bengasi-Überfall und sie selbst sind ihre größten Probleme. Clintons Konkurrent Bernie Sanders war so nett und hat die E-Mail-Affäre Hillarys im demokratischen Lager aus der Welt geräumt. Bei der Debatte der Kandidaten in der vergangenen Woche sagte er: „Das amerikanische Volk ist müde, von Ihren verdammten E-Mails zu hören!“ Tausende amtliche E-Mails hatte Clinton als Außenministerin auf ihren privaten Rechnern gespeichert. Auch solche mit Vertraulichkeitsstempel. Diese Tatsache und insbesondere Clintons kühler Umgang mit einem solchen gravierenden Fehler, haben ihr Image als kaltblütige und berechnende Politikerin verstärkt. Aber Sanders hat offenbar Recht, die permanente Wiederholung der Vorwürfe wird der Öffentlichkeit zu viel.

Bengasi ist das zweite Thema. Am 11. September 2012 starben in Libyen vier US-Amerikaner. Beim Sturm der US-Botschaft in Bengasi wurden damals Botschafter Christopher Stevens und der diplomatische Mitarbeiter Sean Smith sowie zwei CIA-Männer getötet. Der Vorwurf, sie habe anschließend die Öffentlichkeit ungenügend informiert, nutzt sich ebenfalls durch die ständige Wiederholung ab.

Aber es sind nicht nur die Skandalthemen, die Clintons Kandidatur erschweren. Die soziale Empathie ihres Wahlkampfs wirkt auf viele Wähler nicht authentisch. Ihr Name wird vielmehr mit der Wall Street in Verbindung gebracht, wo auch viele Spenden herkommen.

Zu welchem Zeitpunkt kommt Bidens Entscheidung?

Was für Clinton ein strahlender Moment hätte sein können, kommt ausgerechnet in einer Woche, in der der Fokus einmal mehr auf Clintons größtes Problem gerichtet ist. Sie hat wieder einmal einen ihrer Momente, in denen es um die Glaubwürdigkeit geht. Vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses muss Clinton, die damalige US-Außenministerin, heute als Zeugin zum Geschehen in Bengasi Antworten geben. Was in dieser Nacht 2012 passiert ist und welche Sicherheitsvorkehrungen getroffen oder nicht getroffen wurden, ist längst nicht mehr Gegenstand dieses Ausschusses. Vielmehr wird hier politisch ausgefochten, ob und wie es den Republikanern gelingt, Clintons Vertrauenswürdigkeit zu beschädigen.

Und ausgerechnet ihre viel diskutierten E-Mails sind auch in der Bengasi-Untersuchung ein Faktor. Der republikanische Abgeordnete Peter King sagte in einem Radio-Interview, die übergeordnete Frage sei: „Warum hat das Außenministerium nicht die Sicherheit bereit gestellt, auf der Botschafter Stevens bestanden hat?“ King bezieht sich auf eine E-Mail aus dem Clinton-Bestand. „Bernie Sanders“, fügte er hinzu, „mag sagen, dass es ihn nicht mehr interessiert, aber das amerikanische Volk interessiert es sicher.“ Clinton steht ein schwieriger Auftritt bevor.

Hat Biden mit seiner Kandidatur gespielt?

Familienfragen richteten sich nicht immer nach Deadlines, sagte Biden am Mittwoch im Rosengarten. Nach dem Tod seines Sohnes Beau im Frühjahr hätten er und seine Familie Zeit gebraucht. Zeit zum Trauern und Zeit, sich wieder zu sammeln. Erst dann sei es möglich gewesen, ernsthaft die Kandidatur zu wägen und für sie bereit zu sein. „Jetzt hat unsere Familie den Punkt erreicht“, sagte Biden. „Leider“ aber habe er zuviel Zeit vergehen lassen, um eine Kampagne zu entwickeln. Biden, das sollte die Botschaft sein, ist bereit für die Kandidatur, doch es ist zu spät. Barack Obama neben ihm nickte.

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