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Papst Franziskus und der damalige Vizepräsident Joe Biden 2015 in Washington.

© Andrew CABALLERO-REYNOLDS/AFP

Joe Bidens Treffen mit dem Papst: Amerikas Abtreibungsdebatte erreicht den Vatikan

Der Papst empfängt Joe Biden am Freitag zu einer Audienz. Der Zeitpunkt ist kritisch: Der US-Präsident wird zuhause von der eigenen Kirche unter Druck gesetzt.

Zum Auftakt seiner Europareise wird US-Präsident Joe Biden von Papst Franziskus empfangen – zu einer Zeit, in der die katholische Kirche in Amerika gespaltener denn je wirkt. Vor allem das Thema Abtreibung trennt Konservative und Liberale, ähnlich, wie es in der Gesellschaft generell der Fall ist.

Ob Papst und Präsident bei der Privataudienz im Vatikan über dieses heikle Thema reden werden, ist unklar. Und wenn sie es tun, wird es die Öffentlichkeit womöglich nicht erfahren. Offiziell heißt es, es werde um die Menschenwürde sowie den Kampf gegen Covid-19, den Klimawandel und die Armut gehen.

Die Kontroverse wird schon bald auch wieder den Supreme Court beschäftigen. Die Republikaner versuchen in mehreren Bundesstaaten, das Recht der Frauen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, einzuschränken. Für sie ist es eines der wichtigsten Mobilisierungsthemen für künftige Wahlen.

Dabei ist Biden überhaupt erst der zweite katholische US-Präsident nach John F. Kennedy. Und er ist ganz offensichtlich ein ernsthafter Gläubiger. Die Gottesdienstbesuche in Washington und an seinem Wohnort Wilmington gehören zum festen Bestandteil seiner Woche.

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Der ihn stets begleitende Presse-Pool besucht Kirchen ungefähr so häufig wie Golfplätze zu Zeiten Donald Trumps. In der Hauptstadt taucht Biden meist unangekündigt in der von Jesuiten geführten Holy Trinity Catholic Church in Georgetown auf – nicht selten mit anschließendem Stopp in Bagel-Läden oder Eisdielen.

Der US-Präsident gilt eigentlich als Vorzeige-Katholik

Zuhause in Wilmington besucht er regelmäßig St. Joseph on the Brandywine und schaut im Anschluss am Grab seines vor sechs Jahren verstorbenen Sohnes Beau Biden vorbei. Dessen Rosenkranz trägt er häufig am Handgelenk, er zitiert bei seinen Reden Psalme und Stellen aus der Bibel.

Und er spricht immer wieder darüber, wie sehr ihm sein Glaube bei Schicksalsschlägen wie dem Tod Beaus geholfen habe. Ein Vorzeige-Katholik, sollte man meinen.

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Das Treffen mit Franziskus findet aber inmitten des Groß-Konflikts statt, den Biden mit strenggläubigen Katholiken in seinem Land austrägt. Die amerikanische Bischofskonferenz erwägt, Politiker, die sich für ein liberales Abtreibungsrecht aussprechen, von der Kommunion auszuschließen. Dazu würde auch der Präsident zählen.

Der Papst warnt vor einer Politisierung der Debatte

Der hat erklärt, persönlich Abtreibungen abzulehnen, aber seine Sicht nicht dem Rest der Gesellschaft aufzwingen zu wollen. 2019 wurde dem Demokraten tatsächlich schon einmal die Eucharistie verwehrt.

Traditionell entscheidet Theologen zufolge eigentlich alleine der Papst, wenn ein Staatsoberhaupt oder ein Regierungschef von einem solch drastischen Schritt betroffen wäre. Papst Franziskus hat sich bisher dazu eher vage geäußert und behauptet, er kenne die amerikanische Debatte nicht gut genug.

Generell, so sagte er Mitte September vor Journalisten, töte, wer eine Abtreibung vornehme. Aber er warnte gleichzeitig davor, die Debatte zu politisieren.

[Lesen Sie zudem eine Analyse zu den Republikanern: Machthungrig, konservativ, weiblich – Die Zukunft der Republikaner liegt in der Hand von Frauen (T+)]

Dass viele Verantwortungsträger in der Katholischen Kirche Amerikas sich so stark mit der Republikanischen Partei identifizieren, stellt für den Papst ganz offensichtlich ein Dilemma dar. Die Bischöfe, so sagt er, sollten eine solche Entscheidung nicht anhand von politischen, sondern „pastoralen“ Erwägungen treffen und sich dabei „mitfühlend“ zeigen.

Joe Biden ist liberaler geworden

Er persönlich habe bisher noch niemanden von der Kommunion ausgeschlossen. Er habe sie aber auch noch nie wissentlich einem Politiker gegeben, der sich für Abtreibungen ausspreche.

Biden hat sich relativ spät der Mehrheitsmeinung seiner Partei angeschlossen. Erst während des Vorwahlkampfs Anfang 2020 rückte er davon ab, das „Hyde Amendment“ zu unterstützen, das verhindern soll, dass Bundesmittel für Abtreibungen verwendet werden – und begründete das mit dem Vorgehen der Republikaner auf Bundesstaatenebene.

Inzwischen hat sich seine Haltung verfestigt: Nachdem Texas vor wenigen Wochen ein besonders rigides Gesetz verabschiedet hatte, das die meisten Abtreibungen nach der sechsten Woche unterbinden soll, nannte er dieses „fast unamerikanisch“ und einen „Anschlag“ auf die durch die Verfassung geschützten Rechte der Frauen.

Über eine Audienz im Vatikan war auch schon vor Bidens erster Europa-Reise im Juni spekuliert worden. Aber da passte dieser Termin nicht mehr in den vollen Kalender rund um G7- und Nato-Gipfel sowie Bidens Treffen mit Kremlchef Wladimir Putin.

Die beiden trafen sich bereits drei Mai, unter anderem 2015, als Biden noch Vizepräsident von Barack Obama war.

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