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Frederik Trettin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Konstanz und einer der Verfasser des offenen Briefes an Angela Merkel.

© Promo

Unterschriften gegen Guttenberg: Junge Akademiker proben den Aufstand

Sie sprechen von "Täuschung" und "Verhöhnung". Junge Akademiker wenden sich gegen den Umgang der Bundesregierung mit ihrem Verteidigungsminister, stündlich unterzeichnen Hunderte ihren offenen Brief im Netz. Tagesspiegel Online sprach mit einem der Initiatoren.

Herr Trettin, heute haben Mitglieder Ihrer Initiative 20.000 Unterschriften unter einem offenen Brief im Bundeskanzleramt abgegeben. Der Brief bringt die Betroffenheit junger Akademiker über den bagatellisierenden Umgang mit Karl-Theodor zu Guttenbergs Doktor-Sample durch Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ausdruck. Kommt dieser Vorstoß nicht eigentlich zu spät?

Die Idee zu der Initiative, die wir am vergangenen Donnerstag gestartet haben, kam nicht zu spät. Die Reaktionen haben uns gezeigt, dass wir da einen Nerv getroffen haben. Die bis zu zwei Unterstützer, die sich derzeit sekündlich auf unsere Liste eintragen, zeigen uns, dass zu dieser Debatte eben noch nicht alles gesagt ist. Von Seiten der Wissenschaft kam lange nichts zu diesem Thema. Dass es nun Reaktionen gibt, auch von Seiten der Wissenschaftsministerin, haben wir und unsere Unterstützer sicherlich mit angeregt.

Was ist das Ziel Ihrer Initiative? Ist es der Rücktritt des Bundesverteidigungsministers?

Das lassen wir bewusst offen. Wir wenden uns lediglich dagegen, dass ein Vergehen, für das Fehler deutlich zu kurz greift, als Kavaliersdelikt abgetan wird. Es geht nicht, dass eine promovierte Bundeskanzlerin ein offensichtliches Plagiat derart salopp handhabt. Die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, ist unser vordringliches Ziel. Ein Rücktritt ist definitiv nicht unser Hauptanliegen.

Wo liegt das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung des vermeintlichen Kavaliersdelikts? Es ist ja nicht nur die Bundeskanzlerin, die ihrem Minister den Rücken stärkt, sondern offenbar eine Mehrheit der Deutschen.

Die Bedeutung eines solchen Vergehens für den Wissenschaftsbetrieb ist vielen nicht bewusst. Es geht uns darum, zu verdeutlichen, dass es hier nicht um ein Abschreiben wie in der Schule geht, sondern um einen fundamentalen Angriff auf die Integrität von wissenschaftlichem Arbeiten. Wer nichts mit dem Wissenschaftsbetrieb zu tun hat, kann das, solange es nicht gerade von Wissenschaftlern immer wieder betont wird, sicherlich nicht nachvollziehen. Diesen Missstand zu beheben, ist eines unserer Ziele.

Was sagen Sie Menschen, die angesichts einer plagiierten Promotion auf dringlichere Probleme verweisen, wie etwa den Bürgerkrieg in Libyen?

Dem stimmen wir voll und ganz zu. Das Geschehen in Libyen ist sicher wesentlich wichtiger als das persönliche Vergehen eines deutschen Politikers. Wir glauben aber, dass es neben der Beschäftigung mit diesen dringlicheren Problemen auch Zeit geben muss, in der Debatte um zu Guttenberg, die nun einmal groß ist, bestimmte Dinge klarzustellen. Es geht darum zu verdeutlichen, dass es nicht um Fehler geht, sondern darum, dass systematisch geschummelt wurde. Es geht darum, den Gerechtigkeitssinn der Menschen zu wecken.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass neben Doktoranden auch andere Akteure wie der Bayreuther Rechtswissenschaftler Oliver Lepsius oder Bildungsministerin Annette Schavan Stellung beziehen?

Das ist unheimlich wichtig, gerade die Aussage von Frau Schavan, die sich ja lange Zeit sehr zurückgehalten hat. Es muss klargestellt werden, dass der Umgang mit der Causa zu Guttenberg offen mit dem Selbstbild Deutschlands als „Bildungsrepublik“ kollidiert, das diese Regierung zu vermitteln versucht, und damit eine unserer wichtigsten Ressourcen beschädigt. Wenn sich Frau Schavan öffentlich schämt, ist das ein wichtiges Signal. Am wichtigsten ist jedoch, dass sich auf unseren Listen längst nicht nur Doktoranden und Akademiker eintragen. Offenbar gibt es auch unter Nicht-Akademikern eine Fraktion, die das nicht so einfach durchgehen lassen will.

In Ihrem Schreiben heißt es: „Zu Guttenberg hat große Teile seiner Dissertation – und dies offenbar mit großem Ehrgeiz – zusammenkopiert und Quellen vertuscht, um sich den Doktortitel zu erschleichen, mit dem er dann nicht zuletzt auf Wahlplakaten geworben hat.“ Was empört Sie mehr – die Täuschung oder der spätere Missbrauch des Titels?

Uns geht es primär um die Täuschung. Warum zu Guttenberg offenbar glaubte, für seine Außendarstellung unter allen Umständen noch einen Doktortitel haben zu müssen, weiß nur er allein. Objektiv gesehen hätte er das sicher nicht nötig gehabt, und der ideelle Nutzen einer solchen Promotion dürfte für ihn auch eher gering gewesen sein.

Wie soll es nun weitergehen? Die öffentliche Aufmerksamkeit wird irgendwann nachlassen …

Ja, aber noch tragen sich stündlich Hunderte in unsere Liste ein. Zu Anfang dieses Gesprächs waren es noch 28.000, jetzt sind es schon 29.000 Unterstützer. Dass daraus eine Debatte nach der Debatte entsteht, ist unser größter Erfolg. Unser persönliches Ziel wäre es, die 100.000ste Unterschrift persönlich an die Bundeskanzlerin zu übergeben. Von unserer Seite sollte das noch in dieser Woche zu schaffen sein.

Die Fragen stellte Johannes Schneider.

Frederik Trettin ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Politik und Verwaltungswissenschaft der Uni Konstanz. Gemeinsam mit sechs weiteren Doktoranden und jungen wissenschaftlichen Mitarbeitern hat er in der Vorwoche einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel erarbeitet, in dem sie sich gegen den bagatellisierenden Umgang mit der „Causa Guttenberg“ wenden.

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