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Kanzler Friedrich Merz am Einheitstag in Saarbrücken

© REUTERS/Heiko Becker

Kanzler-Rede zur Einheit: Die fünf wichtigsten Botschaften von Merz

Friedrich Merz redet am 3. Oktober zu 35 Jahren Deutscher Einheit – erstmals als Kanzler. Wir suchen die fünf wichtigsten Botschaften heraus und analysieren, was dahintersteckt.

Stand:

Friedrich Merz hat zum ersten Mal als Kanzler zum Tag der Deutschen Einheit geredet. Das waren seine fünf wichtigsten Botschaften.

1 „Die Anziehungskraft des Westens nimmt beständig ab.“

Friedrich Merz redet am Freitagmittag in Saarbrücken, der Hauptstadt des westlichsten deutschen Bundeslandes, dem Saarland, das erst 1957 Teil der Bundesrepublik Deutschland wurde.

Und der Kanzler redet als überzeugter Anhänger der politischen Idee des Westens.

Doch Merz macht sich eben keine Illusionen, weiß um den Aufstieg autoritär geführter Staaten wie China, „neue Allianzen von Autokratien“, wie er sagt. Und er spricht den steigenden Zuspruch des Autoritarismus innerhalb des traditionellen Westens an.

Gewissermaßen läuft Donald Trump über die Bühne der Kongresshalle Saarbrücken, auch wenn Merz weder den Namen Trump noch die USA erwähnt. Wen aber sollte er meinen, wenn er von „Zollschranken“ und zunehmendem „Egoismus“ spricht?

„Die freiheitliche Lebensweise wird attackiert, nicht nur von außen, auch von innen“, sagt Merz. Damit deutet er, indirekt, etwa auf die AfD oder das russlandfreundliche Bündnis Sahra Wagenknecht.

2 „Vieles muss sich ändern, wenn vieles so gut bleiben oder gar besser werden soll, wie es in unserem Land bisher ist.“

In seiner Funktion als Kanzler spricht Merz. Aber er ist ja nun auch Vorsitzender der CDU, die mal das Etikett „konservativ“ trug. Nun aber gibt Merz schon lange den Reformer, der verändern, eben nicht nur bewahren will.

Den Appell zur Veränderung darf man auf den Sozialstaat beziehen, aber nicht nur. Bei einer Rede zum 35. Jahrestag der Deutschen Einheit kann der Kanzler nicht zu operativ, konkret werden. Der Begriff Bürgergeld etwa fällt so in der knapp 30-minütigen Rede nicht einmal.

„Auf das wirklich Wichtige besinnen“ müsse sich der Staat, sagt Merz. Deutschland ist, so sieht es der Kanzler, in den letzten Jahrzehnten immer etatistischer geworden, der Staat hat immer neue Aufgaben übernommen. Damit muss aus seiner Sicht Schluss sein. Die Bundesregierung sei sich „der Dramatik der Aufgabe bewusst“, sagt er.

3 „Wir wollen ein freiheitliches Land sein, das über sich selbst entscheidet.“

Ein Staat brauche Streitkräfte, damit er nicht „herumgeschubst“ werde, sagte einst der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Dieser Satz schwingt bei Merz etwas mit. Er bezieht den Anspruch der Souveränität aber auf zweierlei: die Fähigkeit, sich zu verteidigen (über die er natürlich noch mehr sagen wird), aber eben auch die Macht Deutschlands, sich im Innern als rechtsstaatlich, weltoffen, europäisch, innovativ und wettbewerbsfähig zu organisieren.

Aus dem „Gespräch der Gesellschaft mit sich selbst erwächst eine gemeinsame Zukunft“, sagt Merz und bekommt dafür den ersten Applaus.

„Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung“, leitet Merz eine Passage seiner Rede ein, in der er über seine Zeit als zweitjüngster deutscher Europaabgeordneter (1989 bis 1994) berichtet. Er wendet sich an den anwesenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron, beschwört die Freundschaft mit Frankreich. Kein Wort zu den transatlantischen Beziehungen, für die Merz zeit seines Lebens gekämpft hat. „Deutschland denkt und handelt europäisch“, sagt der Kanzler. Langer Beifall.

4 „Die Verantwortung für die Freiheit liegt nicht allein bei den politischen Institutionen.“

Merz schildert seine Verantwortungsphilosophie und kommt hier gleich auf den Wehrdienst zu sprechen, über den es zwischen Union und SPD abermals Unmut gibt. Man mache den Wehrdienst attraktiver und schulde den Soldatinnen und Soldaten Dank, sagt der Kanzler, „für ihren Dienst am Land“.

Eine Bringschuld also sieht der Kanzler nicht nur beim Staat, „der Politik“, sondern auch bei den Bürgerinnen und Bürgern selbst. An die EU appelliert er, sich vor allem der Wettbewerbsfähigkeit zu widmen, Europa zum Platz „modernster Technologien auf der Welt“ zu machen. Wohlstand und Klimaschutz müsse die EU zusammendenken, sagt Merz – als Hinweis an seine Parteifreundin Ursula von der Leyen, auch wenn er die EU-Kommissionspräsidentin natürlich namentlich nicht erwähnt.

5 „Erinnern wir uns an die Zuversicht von 1989!“

Tief im Westen der Republik beschwört Merz den Mut und den Freiheitswillen der Ostdeutschen. Doch er tut dies nicht historisch, sondern versucht, die Zuversicht, die Kraft von 1989 in den Herbst 2025 zu übertragen. Dem Westen sei von Amerikanern, Briten und Franzosen nach 1945 geholfen worden, während sich die Ostdeutschen selbst von der „zweiten Diktatur“, der DDR, befreit hätten, sagt er.

Die Kraft und Zuversicht vom Herbst 1989, von der friedlichen Revolution, habe so viel freigesetzt, sagt Merz. Heute gelte: „Für Pessimismus und Larmoyanz haben wir keine Zeit.“ Merz versucht also, den Deutschen Selbstbewusstsein, Optimismus, Tatkraft zuzusprechen.

„Wir dürfen uns mehr zutrauen als Land, als Gesellschaft“, sagt der Bundeskanzler zum Ende seiner Festrede und appelliert an seine Zuhörer: „Lassen wir uns nicht von Angst lähmen!“

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