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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den 1995 eingeführten Solidaritätszuschlag für rechtmäßig erklärt.

© dpa/Uwe Anspach

Klage von sechs FDP-Politikern gescheitert : Karlsruhe erklärt Solidaritätszuschlag für verfassungsgemäß

Der Soli darf auch weiter erhoben werden. Der Druck auf die Koalitionäre von Union und SPD weitere Milliarden aufzutreiben sinkt dadurch. Manche fordern trotzdem eine freiwillige Abschaffung.

Stand:

Im Streit um die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags sind sechs FDP-Politiker in Karlsruhe gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Verfassungsbeschwerde gegen die umstrittene Abgabe zurück. Der Bund verzeichne weiterhin einen durch die Wiedervereinigung bedingten zusätzlichen Finanzbedarf, so das Gericht.

Eine solche Ergänzungsabgabe dürfe jedoch nicht zeitlich unbegrenzt erhoben werden, betonte der Senat. Den Gesetzgeber treffe eine „Beobachtungsobliegenheit“. Eine solche Abgabe könnte verfassungswidrig werden, sobald der zuvor festgestellte Mehrbedarf wegfällt.

Hätten die Karlsruher Richterinnen und Richter gegen den Soli entschieden, hätte das für den Bundeshaushalt wohl schwere Konsequenzen gehabt. Denn für dieses Jahr sind im bisherigen Haushaltsentwurf Soli-Einnahmen von 12,75 Milliarden Euro fest verplant – die dann womöglich hätten wegfallen müssen.

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Das Bundesverfassungsgericht hätte außerdem entscheiden können, dass der Staat Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag der vergangenen Jahre zurückzahlen muss. Das wären seit 2020 um die 65 Milliarden Euro gewesen.

Der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts daher begrüßt. Damit schaffe es „Klarheit für die Aufstellung des Bundeshaushalts“, erklärte der SPD-Politiker.

Kläger kritisieren Ungleichbehandlung

Eine Gruppe von FDP-Abgeordneten hatte Verfassungsbeschwerde erhoben, bevor die FDP im Herbst 2021 Teil der Ampelkoalition wurde. Es handelt sich um Florian Toncar, Katja Hessel, Katja Suding, Stephan Thomae, Alexander Graf Lambsdorff und Christian Dürr.

Toncar und Hessel waren in der Amtszeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Parlamentarische Staatssekretäre im Ministerium, Dürr war der letzte FDP-Fraktionsvorsitzende vor dem Ausscheiden der FDP aus dem Parlament und möchte jetzt Parteichef werden.

Die FDP-Beschwerdeführer hatten argumentiert, der mit den Kosten für die Wiedervereinigung begründete Zuschlag sei mit Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 verfassungswidrig geworden. Im Solidarpakt hatte der Bund den ostdeutschen Bundesländern besondere Transferleistungen zugewiesen.

Zudem kritisierten die FDP-Politiker, dass durch den Soli Bezieher unterschiedlicher Einkommen ungleich behandelt würden. Auch dies wies das Gericht zurück. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege nicht vor.

Wirtschaftsvertreter fordern freiwillige Abschaffung

Zwar hat das Verfassungsgericht die Klage abgewiesen und damit einer möglichen schwarz-roten Koalition erspart, weitere Milliarden im Haushalt auftreiben zu müssen. Einzelne Wirtschaftsvertreter meldeten sich allerdings bereits nach Urteilsverkündung mit Forderungen nach einer freiwilligen Abschaffung der Ergänzungsabgabe zu Wort.

Zum Beispiel die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält das für sinnvoll. „Wir brauchen eine Entlastung der Unternehmen, die in großen Teilen durch den Soli belastet werden“, sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Gericht habe den Koalitionsverhandlern die Aufgabe nicht abgenommen, stellte Grimm fest. „Sie müssen nun aushandeln, ob der Soli bleiben oder entfallen soll.“

Beim VDMA, dem Verband des Maschinen- und Anlagenbaus, sprich man sich klar für eine Abschaffung aus. Trotz der heutigen gerichtlichen Entscheidung, „bleibt es die vordringliche Aufgabe der neuen Regierung, die Unternehmenssteuerbelastung auf maximal 25 Prozent zu senken und so die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen“, so VDMA-Steuerexperte Johannes Gernandt. Die Abschaffung des Soli könne dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Ähnlich äußerte man sich bei BDI und DIHK.

Selbst beim DIW Berlin, dessen Gutachten aus dem Jahr 2023 die Karlsruher Richter zur Begründung ihrer Entscheidung anführen, forderte man am Mittwoch eine „ersatzlose“ Abschaffung des Soli – zumindest auf Unternehmensgewinne. „Der Solidaritätszuschlag ist dreieinhalb Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung nicht mehr mit den Kosten der deutschen Einheit zu rechtfertigen“, so Stefan Bach, DIW-Forscher und damaliger Gutachten-Co-Autor. Eine Entlastung von Besser- und Hochverdienern, die den Soli auf ihr persönliche Einkommen und Kapitalerträge zahlen, lehnt er ab.

Seit 2021 müssen nur noch Besserverdienende, Unternehmen und Kapitalanleger den Solidaritätszuschlag zahlen, für 90 Prozent der Steuerpflichtigen wurde er damals abgeschafft.

Dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen sowie etwa 600.000 Kapitalgesellschaften den Soli. Er wird als Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftsteuer sowie Kapitalerträge erhoben und beträgt 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Die Wirtschaft trägt dabei laut IW mit 60 Prozent die Hauptlast des Soli. Die Summe der Einnahmen zwischen den Jahren 2020 und 2028 beläuft sich insgesamt auf rund 122 Milliarden Euro.

Der Bund hatte den Solidaritätszuschlag in der mündlichen Verhandlung im November verteidigt und argumentiert, durch die Folgen der Wiedervereinigung ergebe sich noch heute ein erhöhter Finanzbedarf. Die Verteidiger des Soli hinterfragten zudem, ob eine Ergänzungsabgabe überhaupt zwangsläufig nur der Deckung einer bestimmten, ursprünglich definierten Finanzlast dienen darf. (dpa, fki)

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