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Keine Ausweisverlängerung für Ältere und viel mehr Digitales: Das bringt die Modernisierungsagenda von Bund und Ländern – sofern sie kommt
Hunderte Maßnahmen sollen am Donnerstag für einen modernen Staat beschlossen werden – doch viele Punkte sind umstritten. Um was geht es konkret und wie erfolgversprechend ist das?
Stand:
Während das politische Berlin vor allem auf das Drama rund um die Mehrheit für das Rentenpaket der Bundesregierung blickt, deutet sich im Hintergrund eine kleine Revolution an – oder ein großes Scheitern.
Wenn an diesem Donnerstag die Ministerpräsidenten der Länder zu ihrem Treffen mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) zusammenkommen, wollen Bund und Länder nämlich ein gemeinsames Großprojekt beschließen: die „föderale Modernisierungsagenda“.
Dabei handelt es sich im Grunde um die zweite Tranche von Entbürokratisierungsmaßnahmen nach der ersten Modernisierungsagenda, die der zuständige Bundesminister Karsten Wildberger (CDU) im November vom sogenannten Entlastungskabinett beschließen ließ. Rund 80 Maßnahmen umfasste das damalige Paket, darunter die Möglichkeit zur Firmengründung in 24 Stunden, eine rein digitale Fachkräftezuwanderungsagentur und ein digitales Kraftfahrzeugportal.
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Intensives Ringen im Hintergrund
Nun haben Vertreter von Bund und Ländern in elf Arbeitsgruppen mehr als 300 weitere Maßnahmen erarbeitet. Ein „Mammutprozess“ sei das gewesen, sagte Philipp Amthor (CDU), der das Vorhaben als Parlamentarischer Staatssekretär in Wildbergers Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung geleitet hat, zuletzt der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Und vieles spricht dafür, dass dieser auch am Tag vor der Ministerpräsidentenkonferenz noch nicht beendet ist. Denn über zentrale Fragen des Pakets werde hinter den Kulissen weiterhin intensiv gerungen, heißt es aus den Ländern. Womöglich bis kurz vor dem Treffen am Donnerstag.
Laut einem Entwurf, der dem Tagesspiegel vorliegt, umfassen die Maßnahmen grob fünf Punkte: weniger Bürokratie, digitale und schnellere Verfahren, gute Rechtssetzung sowie effiziente, resiliente und leistungsfähige staatliche Strukturen. Das Problem: Nur wenige Punkte sind bislang geeint.
Dazu zählt unter anderem die teilweise Abschaffung von Berichtspflichten, nach denen Unternehmen bestimmte Informationen offenlegen müssen. Diese sollen bis Ende 2026 „kritisch“ überprüft werden, wie es in dem Entwurf heißt – mit dem Ziel, „mindestens die Hälfte dieser Pflichten abzuschaffen“.
Ebenfalls einig sind sich Bund und Länder bei der „aufwandsarmen Umsetzung von Europarecht“, was bedeutet, dass Maßgaben der EU künftig ohne zusätzliche Lasten und Pflichten aus deutschem Recht angewandt werden sollen.
Zur Not wird angenommen
Ebenso sollen ältere Menschen ab dem 70. Lebensjahr keine neuen Personalausweise mehr beantragen müssen. Davon verspricht man sich eine Entlastung der Verwaltung, das entsprechende Gesetz solle bis Ende Juni nächsten Jahres angepasst werden.

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Derweil knirscht es bei vielen anderen Maßnahmen – darunter jene, die den größten Effekt haben dürften. Grund ist dem Vernehmen nach hauptsächlich der Föderalismus und das Pochen einiger Länder auf eigenen Gestaltungsspielraum.
So sorgen etwa die unterschiedlichen Legislativen in den Bundesländern bezüglich des Umwelt- und Baurechts für Spannungen. Auch der Datenschutz, schon seit Jahren in der Kritik, gilt als Hemmschuh. 17 Landesbehörden legen hier jeweils die EU-Vorgaben unterschiedlich aus. Eine Vereinheitlichung scheint nicht in Sicht. Auch die unterschiedliche IT-Infrastruktur, die eine Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg schwierig macht, liegt auf dem Tisch.
Doch einige Länder stemmen sich gegen eine Vereinheitlichung. Bayern hat laut Papier zudem generelle Vorbehalte gegen eine Zusammenlegung von Verwaltungsdienstleistungen angemeldet. So könnte dem Entwurf zufolge etwa das Meldewesen für Kraftfahrzeuge beim Bund gebündelt werden.
Ebenfalls auf der Kippe: die sogenannte Genehmigungsfiktion. Damit sollen zukünftig Planungen beschleunigt werden, indem ein Antrag automatisch als genehmigt gilt, wenn eine Behörde ihn nicht innerhalb einer bestimmten Frist bearbeitet.
Unklar ist auch, ob – wie wie angedacht – die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für viele Arbeitnehmer probeweise bis 2028 wegfallen wird und ob große Infrastrukturprojekte außerhalb des Sondervermögens zwecks Beschleunigung mit einem überragenden öffentlichen Interesse ausgestattet werden können. Gegen beide Maßnahmen gibt es derzeit noch Vorbehalte.
Skepsis von Ökonomen
Ebenso gegen eine Reduzierung von Planungsgenehmigungs- und Planungsfeststellungsverfahren und eine Vereinfachung des Umweltgenehmigungsrechts ab Ende 2026. Beides fordern Unternehmen wie Sachverständige seit langem.
Es wird nicht klar, warum jetzt bestimmte Dinge digitalisiert werden und andere nicht. Oder besser: warum nicht alle?
DIW-Ökonom Alexander Kritikos zur „föderalen Modernisierungsagenda“
Als sicher gilt hingegen, dass die Länder für die Umsetzung der Agenda mit mehr Geld vom Bund rechnen können. Der Bund werde ihnen „Mittel aus dem Bundesanteil des Sondervermögens für Infrastruktur und Klimaneutralität gewähren“, heißt es. Nur die genaue Summe ist noch offen.
Aber würden diese Maßnahmen überhaupt etwas bringen? Wären sie der lange erhoffte Fortschritt bei der Entbürokratisierung des Landes?
„Teilweise“, sagt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor des Bereichs „Entrepreneurship“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die Maßnahmen sind griffiger und wirksamer als das, was in den letzten Regierungen passiert ist.“ Sein Fazit: „Wenn das alles tatsächlich so käme, wären das vereinzelte Fortschritte.“
Einen großen Wurf sieht der Ökonom in der avisierten Agenda dennoch nicht: „Die Maßnahmen sind weiter sehr punktuell“, sagt er. Trotz des zuletzt von Amthor hervorgehobenen „Whole-of-a-Government“-Ansatzes, also der Tatsache, dass es sich um ein Gesamtanliegen der Bundesregierung handele, fehlt Kritikos eine erkennbare Strategie in der Initiative von Bund und Ländern.
„Es wird nicht klar, warum jetzt bestimmte Dinge digitalisiert werden und andere nicht. Oder besser: warum nicht alle?“, sagt er. „Darüber hinaus fehlt eine klare Aussage darüber, warum man jetzt mit zwei oder drei Bereichen anfängt und andere ausspart.“
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