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Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche, bei einer Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag.

© IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Keine Entlastung bei der Stromsteuer: Kritiker werfen Schwarz-Rot „Wortbruch“ vor

Die Regierung verzichtet auf die Senkung der Stromsteuer für alle und entlastet zunächst nur die Industrie. Verbraucherschützer, Wirtschaft und Opposition sprechen von gebrochenen Versprechen.

Stand:

Sieben Wochen nach Amtsantritt holt die schwarz-rote Koalition im Energiebereich die Realität ein. Zwar hat Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) am Dienstag bei der Vorstellung seines Haushaltsentwurfs auch milliardenschwere Entlastungen bei den Energiepreisen angekündigt. Ein zentrales, im Koalitionsvertrag als „Sofortmaßnahme“ verankertes Versprechen bleibt die Regierung aber wegen der angespannten Haushaltslage erst einmal schuldig: die Senkung der Stromsteuer für alle.

Die Empörung darüber ist groß. „Die Entlastung der Menschen bei den Energiepreisen war eines der zentralen Wahlversprechen der Koalitionsparteien“, sagte Ramona Pop, Vorsitzende des Verbraucherzentrale-Bundesverbandes. Viele Wirtschaftsvertreter äußerten sich ähnlich, darunter Martin Sabel, Chef des Bundesverbands Wärmepumpe. „Wer Akzeptanz und Glaubwürdigkeit der Energiewende stärken will, darf nicht bei zentralen Versprechen zurückrudern.“

Jetzt canceln sie die Senkung der Stromsteuer und versenken Milliarden an Steuergeldern in Gas.

Felix Banaszak, Co-Vorsitzender Bündnis 90/Die Grünen

Die Grünen werfen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gar Wortbruch vor. „Friedrich Merz ist schon jetzt der Wortbruch-Kanzler“, sagte Co-Parteichef Felix Banaszak am Mittwoch. Selbst bei Unionsabgeordneten formiert sich Widerstand gegen die Pläne. Bei CDU und CSU schießt man sich dabei aber vor allem auf Vizekanzler Klingbeil ein, schließlich sei es sein Haushaltsentwurf. In der SPD hält der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf dagegen und sagt, alle Maßnahmen seien „selbstverständlich eng in der Koalition abgestimmt“ und die Kritik daher ungerechtfertigt. Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hätten die Entscheidung außerdem mitgetragen. Die Koalitionäre schieben sich also zunächst einander die Verantwortung zu.

Senkung nur für Firmen

Doch damit dürfte das Thema nicht vom Tisch sein. Schließlich können die Kritiker von Merz und Klingbeil auf das Unterkapitel Energiepreise des Koalitionsvertrages verweisen. Da heißt es auf Seite 30: „Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde mit einem Maßnahmenpaket entlasten.“ Sowie: „Dafür werden wir als Sofortmaßnahme die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und Umlagen und Netzentgelte reduzieren.“ 

Nicht alles davon will Schwarz-Rot unmittelbar liefern. Finanzminister Klingbeil sprach am Dienstag bewusst nur vom „Einstieg“ in eine Senkung der Strompreise. Kommen soll zum Jahreswechsel für Verbraucher die Entlastungen bei der Gasspeicherumlage sowie den Netzentgelten. Der Bund übernimmt dafür einen deutlich höheren Anteil an den Kosten des Netzausbaus.

Die Stromsteuer will die Regierung allerdings zunächst nur für die Industrie sowie für Land- und Forstbetriebe auf das europäische Mindestmaß senken. Manche energieintensive Unternehmen sind schon heute vollständig von ihr befreit, für andere Produzenten läuft die Absenkung kommendes Jahr aus. Unter dem Strich werden Verbraucherinnen und Verbraucher so zunächst nur um zwei bis drei statt fünf Cent entlastet, heißt es aus dem Finanzministerium. Die Begründung aus den Häusern Klingbeil und Reiche: Für mehr gab es kein Geld.

Widerstand aus der CSU

Die Grünen haben dafür kein Verständnis. Parteichef Banaszak kritisiert, dass Kanzler und Vizekanzler versprochen hätten, die Energiepreise zu senken. „Jetzt canceln sie die Senkung der Stromsteuer und versenken Milliarden an Steuergeldern in Gas.“ Die Gasumlage soll künftig aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Eigentlich ist der Topf für Projekte zugunsten der Energiewende und des Klimaschutzes gedacht.

Dazu hält man die Pläne nicht nur in der Opposition für unzureichend. Auch SPD-Fraktionsvize Armand Zorn sagte gegenüber dem „Handelsblatt“ er halte es für sinnvoll, die Stromsteuer für alle Stromverbraucher zu senken. Diese Forderung hatte tags zuvor auch der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands, Dennis Radtke, erhoben. „Herr Klingbeil darf nicht die Verbraucherinnen und Verbraucher vergessen, die heute im Vergleich zu 2021 21 Prozent mehr für ihren Strom zahlen müssen“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.

Ähnlich äußerte man sich in der bayerischen Schwesterpartei. „Die Stromsteuer muss für alle runter“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann am Mittwoch. Eine einseitige Absenkung sei mit seiner Partei nicht zu machen.

Kritisiert die einseitige Senkung der Stromsteuer: Grünen-Co-Chef Felix Banaszak.

© dpa/Hannes P. Albert

Auch Aussagen von CDU-Fraktionschef Jens Spahn kann man so deuten, dass bei dem Thema das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Denn der sagte am Mittwoch, das Ziel bleibe, die Stromsteuer für alle und dauerhaft abzusenken. „Wie schnell mehr geht, werden wir jetzt beraten“. 

Zumindest genug Zeit bliebe dafür. Der Haushaltsentwurf 2025 sowie die Eckwerte für 2026, die das Kabinett am Dienstag beschlossen hat, werden nun in den nächsten Wochen im Parlament sowie dem Haushaltsausschuss beraten. Die Bereinigungssitzung für den 2025er-Haushalt ist für September geplant; die für den Haushalt 2026 nach dem gewohnten Zeitplan für November. Änderungen sind also prinzipiell möglich.

Doch es bleibt die Frage, wie wahrscheinlich das ist. Schließlich sind die Haushalte schon jetzt auf Kante genäht. Würde man die im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Senkung der Stromsteuer für alle liefern, müsste man an anderer Stelle sparen. Kaum ein Kabinettsmitglied dürfte Mittel dafür ohne weiteres freimachen. Schließlich hat ihnen Klingbeil nach eigener Aussage bereits Sonderwünsche im Wert von 47 Milliarden Euro ausgeschlagen.

In der Regierung hält man daher bisher an den Plänen fest. Die Regierung habe das gemacht, wo es den größten Druck gebe, sagte Wirtschaftsministerin Reiche auf dem Tag der Industrie. Das sei, den Wirtschaftsstandort zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen zu sichern. Verbraucher müssen offenbar zurückstecken.

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