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Ukrainischer Soldat in der Region Donezk.

© REUTERS/Serhii Nuzhnenko

„Keine Verbindungen mehr zum Terrorstaat“: Selenskyj fordert weitere Sanktionen, schwere Gefechte in Sjewjerodonezk – was in der Nacht geschah

Die russische Armee steht kurz vor der Kontrollübernahme im ostukrainischen Gebiet Luhansk. Die USA sagen der Ukraine derweil moderne Raketensysteme zu.

Angesichts des Vormarsches russischer Truppen im Osten seines Landes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der EU für das geplante neue Sanktionspaket gedankt und zugleich neue Strafmaßnahmen gefordert.

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„Letzten Endes sollte es gar keine nennenswerten wirtschaftlichen Verbindungen mehr zwischen der freien Welt und dem Terrorstaat geben“, sagte er in seiner am Dienstagabend veröffentlichten Videoansprache. „Wir werden an neuen Einschränkungen gegen Russland für diesen Krieg arbeiten.“

Dank des geplanten Öl-Boykotts der EU verliere Russland „Dutzende Milliarden Euro“, die nun nicht mehr für die Finanzierung des Terrors genutzt werden könnten. Zugleich bekräftigte Selenskyj seine Forderungen an den Westen nach Lieferung schwerer Waffen.

Die US-Regierung kündigte derweil an, im Rahmen eines neuen Sicherheitspakets moderne Mehrfachraketenwerfer zu liefern. Der Mittwoch ist der 98. Kriegstag. Russland hatte das Nachbarland Ukraine am 24. Februar angegriffen.

Selenskyj will mit schweren Waffen besetzte Gebiete befreien

Sobald es diese schweren Waffen gebe, solle die Armee mit der Befreiung der von Russland besetzten Gebiete beginnen. Die Ukraine werde sich nicht beeilen mit der Zurückeroberung ihrer Territorien, wenn das Zehntausende von Opfern fordere, sondern vielmehr auf die nötigen Waffen warten, sagte Selenskyj in Kiew bei einem Treffen mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova.

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Er fordert vom Westen seit Wochen die Lieferung schwerer Waffen, um die russischen Angriffe im Osten des Ukraine abzuwehren und die russischen Truppen zurückzudrängen.

USA liefern moderne Raketensysteme an die Ukraine

Die US-Regierung wird der Ukraine nach Angaben von Präsident Joe Biden moderne Raketensysteme liefern. Biden schrieb in einem am Dienstagabend (Ortszeit) veröffentlichten Gastbeitrag für die „New York Times“, damit solle das angegriffene Land in der Lage versetzt werden, „wichtige Ziele auf dem Schlachtfeld in der Ukraine“ präziser zu treffen.

Biden versicherte zugleich: „Wir wollen keinen Krieg zwischen der Nato und Russland.“ Die USA versuchten auch nicht, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu stürzen.

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Aus dem Weißen Haus hieß es am Dienstagabend (Ortszeit), die Ukraine habe zugesichert, mit dem in den USA hergestellten Artilleriesystem HIMARS keine Ziele auf russischem Territorium anzugreifen.

Das System sei Teil eines Pakets im Wert von 700 Millionen Dollar (652 Millionen Euro), das daneben unter anderem Geschosse, Radarsysteme, Panzerabwehrwaffen vom Typ Javelin, Hubschrauber, Fahrzeuge und Ersatzteile beinhalte. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter sagte, die USA würden mit dem HIMARS-System Geschosse liefern, die nur eine Reichweite von rund 80 Kilometern hätten.

Schwere Gefechte in Sjewjerodonezk

In der ostukrainischen Region Luhansk stehen die russischen Truppen kurz davor, die letzte Bastion der ukrainischen Streitkräfte zu stürzen. Fällt die umkämpfte Gebietshauptstadt Sjewjerodonezk, hätte Russland eines seines Kriegsziele erreicht: die komplette Kontrolle des Gebiets Luhansk. Von dort aus könnten die russischen Truppen und die moskautreuen Separatisten weiter nach Westen vorrücken, um im Gebiet Donezk die strategisch wichtigen Städte Slowjansk und Kramatorsk einzunehmen.

Bei Gefechten in Sjewjerodonezk kam es in einer Chemiefabrik für Salpetersäure zu einem Zwischenfall. Die ukrainischen Behörden sprachen am Dienstag von einem russischen Luftangriff auf das Werk.

Die prorussischen Separatisten teilten dagegen mit, es sei dort zu einer Explosion gekommen. Auf Fotos, die der ukrainische Gouverneur des Gebietes Luhansk, Serhij Hajdaj, in seinem Nachrichtenkanal bei Telegram veröffentlichte, war eine große Rauchwolke zu sehen.

Sjewjerodonezk, das von ukrainischen Behörden kontrollierte Verwaltungszentrum im Gebiet Luhansk, ist seit Tagen umkämpft. Der Anführer der von Kremlchef Wladimir Putin als Staat anerkannten Volksrepublik Luhansk, Leonid Passetschnik, sagte, dass inzwischen zwei Drittel der Stadt unter Kontrolle prorussischer Kräfte seien.

Widerstand gegen russische Invasion dauert an

Der ukrainische Gouverneur Hajdaj sagte, der Großteil von Sjewjerodonezk sei inzwischen unter russischer Kontrolle. Trotzdem gäben die ukrainischen Verteidiger nicht auf. 90 Prozent der Gebäude in der Stadt seien beschädigt, bei 60 Prozent lohne sich der Wiederaufbau nicht, sagte er. Von den einmal 100.000 Einwohnern sollen dort noch 12.000 geblieben sein.

Präsident Selenskyj zeigte sich kämpferisch. In seiner Videoansprache sagte er zwar, dass die ukrainischen Streitkräfte wegen des Mangels an Waffen in einer schwierigen Lage seien. Die Ukraine werde sich aber ihre völkerrechtlich verbrieften Gebiete zurückholen.

Was am Mittwoch wichtig wird

Die EU-Staaten haben sich nach wochenlangen Diskussionen bei einem Gipfel in Brüssel auf einen weitgehenden Boykott von Öllieferungen aus Russland verständigt. Dies ist Teil des sechsten Sanktionspakets, dessen weiteren Details an diesem Mittwoch in Brüssel ausgearbeitet werden sollen. Anschließend könnte das Paket förmlich beschlossen werden.

Vorgesehen ist, die größte russische Bank Sberbank aus dem Kommunikationsnetzwerk Swift auszuschließen. Zudem sollen der staatliche Fernseh-Nachrichtensender Rossija 24 sowie die Staatssender RTR Planeta und TV Centre in der EU verboten werden.

Der russische Staatskonzern Gazprom stellt an diesem Mittwoch die Gaslieferungen an den dänischen Versorger Ørsted sowie Shell Energy Europe ein. Auch Deutschland ist betroffen. Ørsted und Shell hätten Gazprom Export darüber informiert, die Rechnungen nicht - wie von Moskau gefordert - in Rubel zu bezahlen. Weil für den Monat April kein Geld geflossen sei, würden nun die Lieferungen eingestellt.

Shell habe erklärt, dass die Gaslieferungen nach Deutschland nicht in der russischen Währung beglichen würden, teilte Gazprom Export mit. Die maximale Liefermenge pro Jahr gemäß dem Vertrag liege bei 1,2 Milliarden Kubikmeter Gas. (dpa)

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