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Eine US-Drohne im Flug.

© dpa/U.S. Air Force/Tech. Sgt. Effrain Lopez

Klagen gegen US-Kampfdrohneneinsatz : Wenn Grundrechte plötzlich fliegen lernen

Das Bundesverfassungsgericht muss aufgrund einer Klage von zwei Jemeniten darüber entscheiden, ob Deutschland den Anti-Terror-Krieg der USA beschränken muss. Das ist zu viel verlangt – aber nur fast.

Jost Müller-Neuhof
Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Stand:

Gäbe es den Fall nicht, man würde ihn konstruieren wollen. Vielleicht ist er das auch.

Seit zehn Jahren klagen sich zwei Jemeniten mit Unterstützung einer Menschenrechtsorganisation durch deutsche Gerichtsinstanzen, weil sie sich in ihrer Heimat von amerikanischen Kampfdrohnen bedroht sehen, die über ihren Köpfen schwirren. Zwei ihrer Verwandten haben durch sie ihr Leben verloren. Seit dieser Woche verhandelt das Bundesverfassungsgericht den Fall.

Jemen? USA? Was hat das mit Deutschland zu tun, zumal mit Karlsruhe?

Die Antwort gibt es in Rheinland-Pfalz bei Kaiserslautern, wo die „Ramstein Air Base“ liegt, der zentrale Militärflugplatz der Amerikaner in Europa. Hier unterhalten die US-Streitkräfte eine Relaisstation, über die unbemannte Kampfdrohnen in Kriegsgebiete gesteuert werden. Die Piloten sitzen in den USA, aber aus Ramstein funkt es tödliche Signale.

Die Bundesrepublik ist für diese Einsätze nur begrenzt verantwortlich. Ramstein liegt zwar auf deutschem Hoheitsgebiet, ist aber ein eigenes Reich und steht unter diplomatischem Schutz. Deutsches Recht ist im Prinzip anwendbar, tritt aber bei Ermittlungsverfahren hinter die Strafgewalt der US-Militärbehörde zurück.

Damit könnte es sein Bewenden haben, würde nicht der Schutz der deutschen Grundrechte seit vielen Jahren immer weiter gespannt. Und zwar durch eben dieses Bundesverfassungsgericht.

Das Grundgesetz hat fliegen gelernt und kann es so bis in entlegenste Regionen schaffen. Es genügt, dass Deutschland etwas mit dem Geschehen zu tun hat, das vermeintlich oder tatsächlich Grundrechte verletzt. Auch die von Ausländern im Ausland. Etwa das Grundrecht auf Leben.

Ramstein ist ein solcher Anknüpfungspunkt. Die Bundesrepublik kann schlecht so tun, als sehe oder merke sie nicht, was dort passiert. Als wäre sie machtlos, wenn das US-Militär seine Kampfkraft für Anschläge auf das Völkerrecht missbrauchen würde. Umgekehrt kann sich Deutschland aber nicht zum Kontrolleur seiner Nato-Partner aufschwingen. Das würde dem Bündnis schaden.

Ein kluges Urteil könnte sich zwischen diesen Linien bewegen – und mehr von der Bundesregierung verlangen als Zusagen der USA, dass alles nach internationalen Regeln läuft.

Die Bundesregierung sollte darauf dringen müssen, dass ihr berichtet wird, was die USA mit ihren Drohnen konkret anrichten. So etwas muss Diplomatie vertragen können, um mit dem Grundgesetz vereinbar zu sein.

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