zum Hauptinhalt
Lars Klingbeil, Parteivorsitzender der SPD, kommt nach dem Ende der Sitzung vom Koalitionsausschuss aus dem Bundeskanzleramt.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Schlechtes Klima in der Ampel-Koalition: SPD und FDP warnen vor Spaltung der Gesellschaft

SPD-Parteichef Klingbeil fordert soziale Gerechtigkeit im Klimaschutz. Ähnlich äußert sich auch die FDP. Die Grünen sehen sich in der Defensive.

| Update:

Die Ampel-Koalition kommt nicht zur Ruhe. Zwar erreichten SPD, Grüne und FDP zwischenzeitlich eine endgütige Einigung in der Frage, in welcher Form Öl- und Gasheizungen ab 2024 erneuert werden müssen. Aber die Spannungen, die während des 30-stündigen Koalitionsausschusses bei den Beratungen zum Klimaschutz aufgetreten waren, wirken nach.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft durch Maßnahmen zum Klimaschutz. „Der Klimaschutz darf kein Elitenprojekt für Leute mit Geld sein“, sagte Klingbeil den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Deshalb gehöre zu einem ambitionierten Klimaschutz eben auch soziale Ausgewogenheit. „Auch müssen die Menschen in den Metropolen aufpassen, über die im ländlichen Raum die Nase zu rümpfen, wenn sie aufs Auto setzen“, betonte der SPD-Chef.

Da, wo er selbst herkomme, gebe es zum Auto keine Alternative. „Und das ist die Realität für sehr viele Menschen in Deutschland. Wir als SPD lassen nicht zu, dass Stadt gegen Land ausgespielt wird.“

Die Debatte über den Einbau umweltfreundlicher Heizungen habe gezeigt, was passiere, wenn man die Menschen nicht mitnehme „auf dem ambitionierten Weg zur Klimaneutralität“. Viele Menschen seien „massiv verunsichert“ gewesen. Deshalb sei es für die SPD wichtig gewesen, dass die Ampel-Koalition im Koalitionsausschuss hier eine soziale Abfederung geschaffen habe.

Ähnlich äußerte sich auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Er forderte insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf, nicht „zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft“ beizutragen, da Klimaschutz „nur mit den Menschen gelingen“ könne, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Der Klimaminister Habeck sollte aufhören, Sündenböcke zu suchen“, so Djir-Sarai. Nach seinen Worten sei mit dem Beschluss des Koalitionsausschusses sichergestellt, dass das Klimaschutzgesetz „aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft“ überführt werde.

Ex-Grünen-Chef Bütikofer: „Dreschflegel statt Florett“

Der frühere Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer kritisierte, dass Djir-Sarai in der politischen Auseinandersetzung „lieber den Dreschflegel als das Florett“ benutze. „Dass das der Wahrheitsfindung nicht dient, ahnt er wahrscheinlich selbst“, sagte der Europaabgeordnete dem Tagesspiegel weiter. Zudem sei zu bezweifeln, dass die FDP sich auf diesem Weg ein zusätzliches Wählerpotenzial erschließen könne.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat alle Mühe, den eigenen Wählern die Ergebnisse des Koalitionsausschusses zu erklären.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat alle Mühe, den eigenen Wählern die Ergebnisse des Koalitionsausschusses zu erklären.

© dpa/Carsten Koall

Zuvor hatte Habeck in einem Interview mit „Zeit online“ darüber geklagt, dass beim Klimaschutz in der Ampel-Koalition „im Verkehrsbereich nicht mehr möglich sein wird“. Vor allem die Grünen sehen sich angesichts der Vereinbarungen des Koalitionsausschusses innerhalb der Ampel-Koalition in der Defensive.

Insbesondere sorgt bei der Öko-Partei eine nun geplante Änderung des Klimaschutzgesetzes für Unmut. Demnach kann demnächst ein Sektor die Verfehlungen eines anderen Sektors mit einem besonders hohen Treibhausgas-Ausstoß – etwa des Verkehrs – beim Klimaschutz ausgleichen. Die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus sagte mit Blick auf die Liberalen: „Was an der Aufgabe der Sektorziele marktwirtschaftlich sein soll, bleibt das Geheimnis der Partei, die Marktsignalen mit einem Tankrabatt begegnet.“

Scharfe Kritik aus der Opposition

CSU-Generalsekretär Martin Huber warf der Ampel-Koalition indessen wegen ihrer Pläne für Öl- und Gasheizungen vor, „Klimaschutz mit der Brechstange“ zu betreiben. „Die Ampel-Pläne sind sozial ungerecht und eine nicht zu verantwortende Belastung, insbesondere für ältere Hausbesitzer“, sagte Huber.

Er ging nicht darauf ein, dass der Ampel-Kompromiss für das Gebäudeenergiegesetz gerade für Eigentümer mit niedrigen Einkommen und für Menschen über 80 Jahre Ausnahmen und Härtefallregelungen vorsieht.

Huber griff die Grünen scharf an: „Klimaneutralität darf nicht zu Altersarmut führen, weil grüner Sanierungszwang die Altersvorsorge auffrisst“, erklärte er. „Die Grünen haben keinen Respekt vor der Lebensleistung der Menschen, die sich mit dem Eigenheim ihre Altersvorsorge hart erarbeitet und gespart haben.“

Nach der Einigung in der Ampel-Koalition bleibt es im Kern dabei, dass ab dem 1. Januar 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss.

Es soll aber Ausnahmen, Übergangsfristen und eine umfassende Förderung geben. Auf die ursprünglich vorgesehene Austauschpflicht für funktionierende Öl- und Gasheizungen wird verzichtet. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false